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Fünfter Tag – Übermut tut selten gut oder eine Minute Spaß pro Stunde
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Heute stehe ich ganz optimistisch am Start. Die Wadenprobleme von
gestern haben sich verflüchtigt, die Muskulatur ist locker wie am ersten
Tag und so springe ich zusammen mit der ersten Gruppe durch Fall und dann
hinunter an den Sylvensteinspeicher. Die Berge spiegeln sich im ruhigen
Wasser des morgendlichen Sees. Die Sonne scheint. Nur noch 65
Kilometerchen sind zu laufen. Alles deutet auf einen weiteren
wunderschönen Tag hin. Bis zum ersten Anstieg weg vom See bei Km 5. Da
sticht plötzlich die linke Achillessehne und zwar äußerst schmerzhaft. Das
Bergauflaufen funktioniert damit eigentlich gar nicht, weil dabei die
Sehne gedehnt wird und das tut extrem weh. Auch das Laufen in der Ebene
ist heute wieder mühsamer, weil die Kiesel auf den Wegen wieder von der
gröberen Sorte sind. So kann ich die schöne Landschaft nicht recht
genießen. Nach einigen Kilometern Asphalt auf der Bundesstraße biegen wir
auf eine Privatstraße ab und erreichen kurz darauf die erste
Verpflegungsstelle. |
Renes Verfolger vor der ersten Verpflegung |
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Uli´s Frau, die heute die ersten Kilometer mitradelt, macht mir noch Mut,
aber sehr weit trägt ihre Aufmunterung nicht. Die Strecke verläuft jetzt
in kräftigen Wellen links der Isar. Immer wieder geht es mit starken
Anstiegen in den Wald hinauf; dann wieder hinunter zur Isar auf den
grobschottrigen Weg |
Steinige Idylle an der oberen Isar |
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Landschaftlich wirklich schön. Herrlich kühl noch im Wald, angenehm warm
schon in den offeneren Passagen an der Isar. Aber für mich hält sich der
Genuss in Grenzen. Jeder Schritt tut mittlerweile weh und ich habe keine
Idee, was zu tun ist, weil diese Art von Beschwerden absolut neu für mich
ist. Im Nachhinein habe ich im Internet intensiv zum Thema
Achillessehnenbeschwerden gestöbert und sogar auf der Isarrun-Seite einen
Beitrag von Dr. Zapf gefunden:
„Eine konsequente Therapie sollte bereits bei den ersten Symptomen
begonnen werden! Ganz im Vordergrund steht die Vermeidung der
schmerzauslösenden Belastungen im Sinne einer Verringerung von Intensität
und Umfang oder eines vorrübergehenden Sportartenwechsels. Eine sehr
günstige Alternative bietet hier das Aquajogging, bei dem es zu keinem
Bodenkontakt kommt“.
Noch 50 Kilometer. Am nächsten Anstieg läuft Eric zu mir auf. Schon
seine Begrüßung tut gut: “Dass ich dich jetzt schon sehe, freut mich gar
nicht.“ Er sieht schon an meinem Bewegungsablauf, dass etwas nicht stimmt.
Eric habe ich letztes Jahr beim Swiss Jura kennen gelernt. Dort haben wir
erbittert, aber freundschaftlich 3 Etappen lang um den 27. Rang in der
Gesamtwertung gestritten. Eric hat damals mit 5 Minuten Vorsprung
gewonnen. Heute ist sein Auftauchen für mich Gold wert. Ich habe wieder
einen Orientierungspunkt und auch Ablenkung. Ist schon anstrengend, wenn
man so alleine vor sich hin leidet. Eric ist bergauf natürlich schneller.
Auf der Ebene kann ich mithalten und bergab versuche ich immer einen
kleinen Vorsprung für die nächste Welle rauszulaufen. Eric versucht auch
nicht mir davonzulaufen. Im Gegenteil. Immer wieder, wenn wir auf gleicher
Höhe sind , erzählen wir ein wenig. Eric geht´s heute gut. Er entwickelt
noch Ambitionen sich von seinem 30. Platz in der Gesamtwertung zu
verbessern und fragt an den Verpflegungsstellen nach den Zwischenzeiten
der vor ihm Gestarteten. Ich frage nach Voltaren, da mein Fuß mittlerweile
anzuschwellen beginnt und unheilverkündend pocht. Aber trotz nach wie vor
großartiger Ausstattung, gibt es kein Voltaren an den Verpflegungsstellen.
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Helferschar |
Oberbayern pur |
Eric lacht, Norbert leidet |
Würde wahrscheinlich auch nicht mehr viel nützen, aber zumindest
psychologisch wäre es hilfreich. So verlasse ich mich weiter auf die Hilfe
von Eric und gemeinsam geht es Richtung Mittenwald. Eric holt auch heute
wieder gut auf. „Irgendwie macht das doch auch Spaß, Norbert,“ meint er. „Naja,
ungefähr eine Minute pro Stunde,“ ist meine begeisterte Antwort. Vor
Mittenwald laufen wir relativ lange an der Bundesstraße entlang. Auch die
Ortsdurchquerung zieht sich. Nicht wirklich prickelnd ( aber das
Bergpanorama ist trotzdem schön) und außerdem wird es mittlerweile auch
ziemlich heiß. Es ist noch vor 12 Uhr, aber der Planet sticht heute
mächtig. Da freut es uns als wir hinter Mittenwald wieder zur Isar dürfen.
In großen Schleifen zieht die Isar Richtung Scharnitz. Enzian auf den
Wiesen, herrlicher Tannenduft in der Luft, flache gute Wege – hier macht
es jetzt doch fünf Minuten je Stunde Spaß. Aber ich leide schon weiter.
Die Entzündung zieht die Wade hoch und ich überlege einige Zeit ganz
ernsthaft, ob ich nicht in Scharnitz aussteigen soll. Die 26 Km (13 zur
Quelle und dann wieder zurück) = 3 Stunden Quälerei halte ich schon noch
aus. Aber es besteht natürlich die Gefahr, dass ich mir für viele Wochen
Probleme einhandle oder gar chronische Achillessehnenprobleme, wie der
DUV-Sportwart Wolfgang Olbrich-Beilig, der heute als Helfer an
verschiedenen Punkten der Strecke mithilft. Allerdings nach über 300 Km
noch aufzuhören...? Wäre vielleicht vernünftig, aber...
An der Verpflegung in Scharnitz gebe ich nicht auf. An der folgenden
Straßenkreuzung auch nicht. Und auch die anschließende Steigung durch den
Ort sieht mich fleißig, wenn auch langsam, marschierend. Also habe ich
nicht aufgegeben. Wäre auch schade gewesen, denn die 13 Km hinauf zur
Quelle gehören schon zu den Highlights des Laufs. Zuerst passieren wir
noch eine unansehnliche Baustelle, aber dann steigt der Weg kräftig an.
Teilweise wandere ich hoch über der Isar dahin, die mittlerweile nur noch
ein größerer Bach ist.
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Hoch über der Isar |
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Oberes Isartal |
Ich hoffe, dass sie schnell schmäler wird, weil das ja ein Zeichen für die
nahende Quelle sein müsste, aber noch tut sie mir den Gefallen nicht.
Dafür bietet jetzt unser Rennen wieder Abwechslung. Rene Strosny kommt mir
entgegen und durch diese Wendepunktstrecke am Ende des Laufs bietet sich
die schöne Gelegenheit allen Finisher schon mal im Vorbeilaufen zu
gratulieren. Außerdem kann man auch den Rennverlauf wieder prima
mitverfolgen. Mir gefiel zwar die Perspektive am ersten Tag etwas besser,
als ich 15 Plätze weiter vorn war, aber interessant ist es so auch. Als
zweiter taucht M. Krüger auf, der sich also des Angriffs von Wolfgang
Braun erwehren konnte. Dann kommt mir strahlend Georg Weiss entgegen. Er
ist bei jeder Etappe und wohl auch im Gesamtverlauf sehr vernünftig
angegangen. Dafür wird er heute mit dem 3. Platz in der Tageswertung
belohnt. Er wird verfolgt von Wolfgang Braun, dem wiederum mit ca. 400 m
Abstand Heinrich Lederer folgt. Dann ( als Gesamtsechste) schwebt Carmen
Hildebrand den Berg herunter. Locker, fröhlich und in der Damenkonkurrenz
genauso souverän und ungefährdet, wie Rene bei den Herren.
Dreieinhalb Kilometer vor der Quelle erreiche ich dann die letzte
Verpflegung. Danach geht es mir in fast jeder Hinsicht besser. Das Cola
gibt neue Energie, die Wasserdusche hilft die Hitze besser zu ertragen, es
kommen immer mehr Läufer aus der Frühstartergruppe entgegen und vor mir
entdecke ich vermehrt wankende Gestalten, denen es offensichtlich auch
nicht besser geht als mir. (Objektiv geht es dadurch zwar nicht besser,
aber subjektiv hilft´s, wenn Andere auch leiden). Und über die Landschaft
habe ich, glaube ich, schon genug geschwärmt. Das Einzige was ich bedaure,
ist, dass ich jetzt schon weiß, dass die hier geplante Wanderung morgen
früh ausfallen wird. Morgen früh ist humpeln angesagt.
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Alpenflora |
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Trotzdem werde ich wieder schneller. Nicht schnell, aber schneller.
Rein psychologisch ist für mich das Ziel an der Quelle. Die erreichen wir
aber gar nicht wirklich, sondern nur den Info-stein. Dahinter liegen wohl
verschiedene Bäche (Quellen), die sich dann zur Isar vereinigen.
Danach geht´s bergab auf schon bekanntem Weg. Nochmals die
Verpflegungsstelle, nochmals der Gegenanstieg und dann kräftig bergab
Richtung Baustelle am Ortseingang. Dort schießt Heidi noch einige „Vorfinish“photos.
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Soviel Zeit muss sein! |
Gott sei Dank ersparen uns die Streckenarchitekten den Anstieg durch
den Ort. Wir bleiben unten am Fluss, passieren das schönste Schild des
Laufs („noch 650 Meter“) und dann ist Freude angesagt. 333 Km liegen
hinter uns. Schön war´s. Gut, dass es vorbei ist. Jeder Finisher ist ein
Sieger und darf einmal das Zielband durchlaufen.
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Tages- und Gesamtsieger |
Finishermedaille |
Sofort im Anschluss gibt´s die Medaille und dann je nach
Gusto entweder ein kaltes Bad in der Isar oder ein schönes kühles Bier. |
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Verdienter Lohn für die Siegerin |
Da Uli für die letzte Etappe das Zeitlimit außer Kraft
gesetzt hat, sind heute keine weiteren „Verluste“ zu beklagen. Bernhard
Sesterheim beendet nach 12:15 Stunden als letzter „Sieger“ seinen
anstrengenden Arbeitstag. |
Happy Bernhard |
Und getreu diesem Motto wird am Abend bei der stimmungsvollen Ehrung
jeder Finisher auf die Bühne gebeten und erhält seine Urkunde und den
verdienten Applaus. |
Auf dem Siegertreppchen |
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Den meisten (minutenlangen) Applaus bekommt allerdings verdientermaßen das
Helferteam. Es hat sowohl zum Gelingen, als auch zur tollen Stimmung bei
diesem Lauf maßgeblich beigetragen. Und nachdem ich aufgrund des
Mitwirkens meiner Familie auch diesen Aspekt aus nächster Nähe miterlebt
habe, ist meine Achtung vor den Helfern noch mehr gestiegen. Gerade bei so
langen Etappen und mit all den Besprechungen und Arbeiten hinter den
Kulissen - mit Erholungsurlaub hat das nichts zu tun. Aber Spaß hat`s auch
meinen Helfern gemacht. |
Unseren Helfer - Vielen Dank! |
Fazit:
- Landschaftlich schön, mit eindeutiger Steigerung in den letzten
beiden Tagen ( insofern ist sicher die diesjährige Variante von der
Mündung zur Quelle die attraktivere)
- Sportlich anspruchsvoll; für mich bei sportlich ehrgeiziger Teilnahme
an der Grenze des Machbaren. Erstens ist jede Etappe aufgrund ihrer Länge
eben ein echter Ultra. Und zweitens muss man aufgrund des flachen Profils
ununterbrochen gleichförmig arbeiten. Die Abwechslung bei einem steilen
Anstieg auch mal gehen zu „dürfen“, und es dann bergab locker laufen
lassen zu können, hat mir sehr gefehlt. Dennoch – ich habe wieder eine für
mich neue Dimension kennen gelernt. Und das war ja einer der Gründe, warum
ich dabei war.
- Organisatorisch auf Topniveau. Verbesserungen sind allenfalls in
Details möglich. Verbesserungsmöglichkeiten werden vom Veranstalter
systematisch erfragt und auch ernst genommen bzw. teilweise schon
kurzfristig umgesetzt.
- Stimmungsmäßig wunderbar. Der Zusammenhalt zwischen den Läufern war
großartig. Freundschaften wurden vertieft, neue Bekanntschaften sind
dazugekommen. Das Dreieck zwischen Organisation, Helfern und Läufern
funktionierte hervorragend.
- Prädikat: empfehlenswert; Wiederholungswahrscheinlichkeit: hoch
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