Teil 1 – November bis Dezember
„Die 100 KM von Biel – Ich war dabei!“, das wollte ich auch einmal
sagen. Die Idee, die 100 KM von Biel zu laufen, kam mir in der Euphorie
nach meiner Teilnahme beim
Rennsteiglauf 2003.
Wäre ich Single und kein Familienvater gewesen, hätte ich damals meine
Idee vom „verrückten Dreier“ mit Rennsteig, Biel und Swiss Alpine K78 in
einem Jahr verwirklicht. Aber das konnte ich meiner Familie nicht antun.
Also muss ich die Wettbewerbe nacheinander angehen. Doch Biel geisterte
mir die ganzen Jahre im Kopf herum. Inzwischen war ich diverse Marathons
mit unterschiedlichen Erfolgen oder Landschaftsmarathons gelaufen. Das
Trainingslager in Kärnten ist seit der Rennsteigvorbereitung zum Standard
geworden. Zuletzt lief ich in München: da stimmte einfach alles. Und dann
taucht wieder die altbekannte Frage auf:
„Was kommt jetzt?“ „Was machst´n als Nächstes?“ „Was ist dein Ziel?“
Hier noch Mal meine Ausführungen zu diesem Thema:
„Nur noch für die Fitness laufen, keine Wettkämpfe mehr, dazwischen ein
paar Spaßläufchen? Nein! Der Vorteil des reinen Spaßläufers liegt darin,
dass man, wenn es mal so ein richtiges Sauwetter hat, einfach zu Hause auf
der Couch sitzen bleiben kann. Oder es geht einem nicht so gut, oder man
hatte auf der Arbeit viel Stress, oder die Frau braucht einen
Diplom-Müllträger-Bilderaufhänger-Kelleraufräumer oder, oder, oder, oder
....
Nein, nichts für mich: Der Spaßläufer wird zum Nichtläufer.“ Erinnert Ihr
Euch noch? Und damit genau das nicht passiert, habe ich mich also
entschlossen, 2006 die 100 KM von Biel zu laufen. Mein zweiter Ultralauf.
Jetzt werden viele meiner
Team-Bittel-Freunde aufschreien: „Das ist doch genau entgegen gesetzt
zu der Idee des Team-Bittel!“ Nein, ist es eben nicht! Denn wer sich bei
Wind und Wetter draußen bewegen will (das Tempo spielt dabei keine Rolle),
braucht eben eine gesunde Portion Ehrgeiz, um die Faulheit oder den
Schlendrian zu überwinden. Lauft zum Spaß und mit einem Lächeln, werdet
aber nicht zum reinen Spaßläufer!
Mein Training startete am 1.November. Ganz locker an die Sache ran gehen.
Ein paar lange Läufe 2-3-mal die Woche. Da ist es auch nicht so wichtig,
wenn ich mal 1 Woche krank bin, so geschehen Ende November. Auch war der
Entschluss in Biel zu starten zu dieser Zeit noch nicht felsenfest. Ich
überlegte noch. Doch Anfang Dezember stand es fest. Ich werde starten,
aber nur wenn ich vollkommen gesund bin. Das heißt ich werde mich in Biel
nachmelden. Mein erster Trainingstag speziell für Biel war Freitag der 16.
Dezember. „Ich werde heute Abend noch laufen!“, sagte ich beiläufig zu
Gudrun. Sie schenkte dem keine weitere Beachtung. Erst als ich mich kurz
vor 22.00 Uhr anzog, wurde sie stutzig. Sie verdrehte die Augen und zum
Abschied zeigte sie mir den Vogel, aber ich war schon verschwunden. Punkt
zehn startete ich meine Polar.
Tonight, i lose my head
Tonight, i´ve got to get – tonight
Monday i have Friday on my mind
Ich kam mir vor wie an meinem ersten Lauftag, damals am 7.02.2000 um 5 Uhr
früh. Verstohlen guckte ich nach links und rechts, ob mich jemand
beobachtete. Nach der ersten Überwindung ging es ganz gut. Ich hatte mir
nämlich einen tollen Tag für mein Unterfangen ausgesucht. Starker Wind
blies mir um die Ohren, Regen und teilweise Graupel bei Null Grad. So
laufe ich meine ersten 12 KM in Richtung Biel. Wenn es Familie und Beruf
zulässt, will ich diese Freitagstrainingseinheit konsequent durchführen.
Denn in Biel wird um 22.00 Uhr gestartet und die Nacht durchgelaufen. Von
Freitag zu Freitag will ich dann die Streckenlänge steigern. Aber jetzt
weht mir erst einmal der Wind ins Gesicht, die ersten Schneeflocken
fliegen mir in die Augen. Es ist alles so weit weg.
Am Tag danach erfahre ich, dass ich nicht der Einzige mit Biel-Ambitionen
bin. Hans-Dietrich erzählt mir auf unserer Jahresabschlussfeier, dass auch
er in Biel starten will. Na dann, viel Erfolg! Du weißt was Du tust? Ja!
Dann ist alles in Ordnung! Bleib verletzungsfrei und ab nach Biel! Bei
meiner zweiten Freitagstrainingseinheit war das Wetter nicht viel besser.
O.k., es schneite nicht und es lag kein Schnee. Aber ansonsten muss sich
ein jeder bei so einem Sauwetter fragen lassen: „Was machst Du Idiot hier
draußen?“ Vor allem, weil sich Dein Körper schon aufs Bett freut. Klar, 40
Jahre Gewohnheiten hinterlassen Ihre Spuren. Das ist wie, wenn ich Euch
sage, Ihr müsst ab morgen rückwärts gehen. Am Ende von meinen 14 KM sendet
mein Kreislauf ein paar Signale: „Mach Schluss für heute. Es reicht!“
„Aber gerne“, antworte ich und am Mittwoch vor Sylvester setze ich mit 18
KM noch einen drauf. Halb zwölf komme ich zurück. Das Wetter? Wie wohl,
Schnee und Eis bei Minus 3 Grad. Und es schneit und schneit… Ich habe mir
überlegt, wenn ich das erste Mal bis nach Mitternacht laufe, kippe ich zum
Abschluss noch einen Piccolo.
Ja, ja, die Vorbereitung wird wie der Lauf selbst, knüppelhart. Das heißt
vor allem wieder Kilometer sammeln, wenn möglich im hügeligen Gelände.
Eines verspreche ich Euch jetzt schon wieder: Es wird natürlich
schonungslos berichtet. Alle Höhen und Tiefen, der Kampf um Kilometer und
die Schlacht gegen Ritter Sport Alpenvollmilch und Nougat-Ostereier. Freut
Euch wieder über meine Erfolge und Misserfolge, je nachdem, wie Ihr mich
leiden könnt. Alles in Technicolor mit Dolby Surround und in THX!
Run happy!
Jochen Brosig
Röttenbach, den 6. Januar 2006 |