Also werde ich heute nicht in Shorts laufen! Die Jacke lege
ich dann aber doch ab und trage nur ein Lauf-T-Shirt und ein dünnes
langärmeliges Shirt darüber. Dabei hoffe ich, dass mein Brustkorb bei dem
schneidenden Gegenwind nicht auskühlt.
Schließlich stellen wir gut 200 Halbmarathonläufer uns
beim Start auf. Auf ein Starttor hat man hier verzichtet. Wie man sieht geht es
auch ganz gut ohne.
Wir wärmen uns zwar gegenseitig auf, aber dennoch erwarten wir sehnsüchtig den
Startschuss.
Dabei müssen wir noch ein Stückchen zurückrücken, damit die Distanz der DLV
vermessenen Strecke auch korrekt und damit bestzeitenfähig ist.
Bei meinem aktuellen Trainingsstand besteht dazu zumindest bei mir keine Gefahr.
Meine alte persönliche Halbmarathonbestzeit von
Bad Füssing im Jahr 2007
werde ich sicher nicht knacken.
Endlich fällt laut knallend der Startschuss. Da hier heute
auch die Oberfränkischen Meisterschaften ausgetragen werden, laufen die meisten
sehr flott los. Da kann und will ich nicht mithalten. Ich habe mich
offensichtlich zu weit vorne eingereiht, da mich auf den ersten Metern fast alle
überholen. Ich komme mir dabei wie ein stehender Fels in einem reißenden
Strom vor.
Im Augenblick weiß ich gar nicht wie schnell ich laufe. Ich will mich auf keinen
Fall zu sehr mitreißen lassen. Dennoch komme ich schon nach wenigen Hundert
Metern recht ins Schnaufen. Also bin ich zu schnell und nehme Tempo raus. Nur
langsam finde ich meinen Laufrhythmus.
Wir laufen in vier Runden eine Wendestrecke mit Schleifen an
beiden Enden. An der ersten Ende ist eine größere Schleife von etwa einem
Kilometer Länge, während die Schleife am anderen Ende vielleicht nur 100 - 200
Meter lang ist. Am Hinweg geht es leicht bergab, dafür bläst ein schneidender
Gegenwind uns entgegen, während es am Rückweg sanft bergauf mit Rückenwind geht.
Im Augenblick habe ich noch den Wind gegen mich. Daher suche
ich bei Läufern vor mir etwas Windschutz und nutze dabei das sanfte Gefälle.
Kilometer 1 passiere ich nach 4:55 Minuten. Dabei fühle ich mich nicht besonders
gut. Also peile ich lieber keine Zeit unter 1:45 an, sondern nur eine Zeit unter
1:50. Das soll und muss heute genügen. Wer trainingsfaul ist, muss sich in
Bescheidenheit üben!
Als momentan recht untrainierter Genussläufer
habe ich ohnehin keine Lust ans persönliche Limit zu gehen. Ich will mich zwar
heute anstrengen, aber nicht quälen. Ich will heute mit dem Gefühl heimgehen,
ich habe was getan!
Langsam finde ich mein passendes Lauftempo und spule meine
Kilometer auf der etwas monotonen und leider auch windausgesetzten Strecke ab.
Nach der ersten Wende habe ich einen schönen Blick auf die
Giechburg. Da wäre ich
heute eigentlich lieber rauf gelaufen, aber der Giechburglauf, vom gleichen
Verein ausgetragen, fällt dieses Jahr leider aus. Beim Blick auf die hoch über
uns liegende Burg werden wieder Gedanken an unseren wunderschönen
Frankenweglauf
wach, wo wir bei der
5. Etappe zu
dieser eindrucksvollen Burg hoch liefen und dabei einen kleinen Bergsprint
einlegten. Mensch, war ich da noch fit! 15 - 20 % Steigung nahm ich da wie eine
Bergziege mit links und heute auf dieser Flachlandstrecke keuche ich mir einen
ab!
Nein, das Keuchen stammt nicht von mir, sondern von einen meiner Mitstreitern.
Er überholt mich gerade, sein letztes gebend, mit hochroten Kopf. Am liebsten
würde ich ihn nachrufen: "Mensch Junge, tu etwas langsamer! Dann kommst Du zwar
ne Minute langsamer, aber dafür auch ausgeruhter ins Ziel ..."
Ich nehme etwas Tempo raus, da mich das Gekeuche nervt.
Nach gut 5 Kilometern Laufstrecke erreiche ich den
Verpflegungspunkt. Ein Schluck warmen Wassers - der Veranstalter hat mitgedacht
- und schon geht es in die zweite Wende.
Zwei "Lange
Kerls" überholen mich gerade bei Gegenwind. Nicht nur
Friedrich
Wilhelm I. hätte seine Freunde an ihnen, sondern auch ich. Ich hänge mich an
sie ran und nutze sie als Windschutz, da seit der Wende mir der kalte Westwind
heftig ins Gesicht bläst. Sie laufen zwar etwas schneller als mein vorgesehenes
Lauftempo, aber ich kann sie leider nicht wie ein preußischer König zu einen
etwas langsameren Tempo abkommandieren. Da muss ich halt jetzt durch und auch
mal etwas Laufleistung zeigen!
Ich laufe mit Ihnen, geschützt wie eine Kenianerin mit ihren
Zugläufern, bis zur nächsten Wende. Dann lasse ich sie ziehen. Leider haben wir
dabei auch meinen Lauffreund den "Keucher" eingeholt und sogar überholt. Er
hängt mir nun wie eine Zecke im Nacken oder wie eine Klette in den Hacken.
Nein, das nervt meine Laufnerven wirklich. Ich bin heute wirklich ein "Lauf -
Sensibelchen".
Also nehme ich nochmals Tempo raus und lass ihn, auf meine "Laufruhe" doch sehr
erpicht, erst mal wieder vorbeiziehen. |