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Samstag, 12 Uhr: Ruhrklippen-Trail 35,2 km, 864 Höhenmeter
Ein Shuttle-Bus bringt uns vom Phoenix-Gelände ein paar Kilometer weit zum Start
der heutigen Etappe. Die Bewohner des großen Seniorenwohnheimes Augustinium
erleiden heute wohl einen Kulturschock. Das ganze Erdgeschoss ist gefüllt mit
Läufern, die überall auf dem Boden ihr Gepäck ausbreiten, sich umziehen und
Dehnübungen machen. Dazwischen irren ein paar Rentner mit Gehhilfen oder
Rollstühlen umher |
Augustinium |
Jeder bleibt so lange wie möglich drinnen, denn heute passt das kalte
Regenwetter zum November. Bis unmittelbar vor dem Start steht kaum jemand im
Regen. Einige schützen sich mit vom Veranstalter ausgegebenen Plastikplanen.
Dieter Baumann kann leider nicht mehr am Wettkampf teilnehmen. Er hatte bereits
gestern Probleme wegen einer Verletzung.
Mit dem obligatorischen „Highway to Hell“ werden wir vor dem Startschuss
aufgeheizt. Dann geht es los. Zuerst führt ein breiter Weg nicht besonders steil
in den herbstlich bunten Wald. Schade, dass heute die Sonne nicht scheint. Aber
das Herbstlaub sieht auch bei Regen schön aus.
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Herbstwald |
An den Warnschildern „Verlassen der Wege verboten - Gefahr von Tagesbrüchen“
merkt man, dass man sich in einem Bergbaurevier befindet.
Laut Höhenprofil hatte ich mir den ersten Aufstieg anstrengender vorgestellt.
Ich bin überrascht, als ein Streckenordner sagt, dass die erste Steigung schon
geschafft ist.
Die ersten fünf Kilometer führen über normale Waldwege. Erst danach kann man die
Route teilweise als Trail bezeichnen. Manchmal ist der Weg matschig. Vor allem
wegen den unter einer dicken Laubschicht verborgenen Steinen muss man gut
aufpassen. Zwischendurch wird die Strecke etwas steiler, aber nicht allzu steil,
mit häufigem Wechsel zwischen Auf- und Abstieg. Noch immer laufen wir meist
durch Wald, nur zwischendurch kurz durch Ortschaften.
Auf einen kurzen steilen Aufstieg folgt ein steiniger Abstieg ins
Wannebachtal.
Nun umgibt uns eine ländliche Gegend, die nichts mit den Klischees vom
Ruhrgebiet gemeinsam hat.
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Ruhrgebiet? |
Teilweise auf Treppen geht es hinauf zum 1902 eingeweihten
Kaiser-Wilhelm-Denkmal, bei dem ein Reiterstandbild Kaiser-Wilhelms sowie
Standbilder Otto von Bismarcks und Helmuth von Moltkes stehen. Gleich darauf
erreichen wir die Ruine der Hohensyburg. Nachdem ich im Internet Bilder der
hübschen Reste alter Wehrtürme und Mauern sowie des 1857 erbauten neugotischen
Aussichtsturms gesehen hatte, freute ich mich darauf, hier oben schöne Fotos zu
knipsen. Doch leider führt die Route nur an einer wenig fotogenen Außenmauer
vorbei, und der Turm wird momentan von einem Baugerüst komplett verborgen. Hier
wünsche ich mir für 2010 eine Strecke mitten durch die Ruine. |
Wieder mal Treppen |
Denkmal |
Burg |
Nun heißt es wieder „Aufpassen!“, denn ein kurzer Wegabschnitt führt steil
abwärts. Von hier oben aus hat man eine weite Aussicht über das Ruhrgebiet. Dann
folgt eine Treppe, danach eine Knie fressende Straße. Unten angekommen folgt zur
Entspannung ein längerer Abschnitt auf einem ebenen Asphaltweg. Vor bzw. neben
uns liegt der Hengsteysee, ein etwa 4 km langer Stausee der Ruhr. Schade, dass
die Sonne nicht scheint, denn der Herbstwald an den Berghängen hätte bei schönem
Wetter viel bessere Fotos ergeben. |
Aussicht |
Ruhr |
Stausee |
Nachdem sich manche Läufer bereits wie bei einem Straßenlauf fühlen, kommt nun
der heftige Kontrast. Ein steiler Aufstieg verwandelt zumindest im hinteren Teil
des Feldes jeden Läufer zum Geher. Neben dem Weg ragen kleine Felsen in einer
romantisch aussehenden Vegetation auf. Dieser Streckenabschnitt gefällt mir am
besten.
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Steiler Aufstieg |
Dicht unterhalb des Denkmals endet der Aufstieg. Nun müssen wir wieder steil
abwärts laufen. Dieses ist der anspruchsvollste Bereich der Worldmasters. Wer
hier hinab rennen will, sollte zuvor wirklich das Laufen auf steilen Pfaden
trainieren. Straßenlaufschuhe taugen hier absolut nichts. Der steinige Abstieg
mit einigen Spitzkehren ist für manche Teilnehmer eine schwere Prüfung, aber
dies hier verdient endlich wieder den Begriff „Trailrunning“. Für meinen
Geschmack dominieren bei der heutigen Etappe zu sehr die gewöhnlichen
„Volkslauf-Wanderwege“. Aber die Veranstalter versprechen bereits, dass die
Route nächstes Mal anspruchsvoller wird.
Sehr häufig stehen Fotografen oder Kamerateams am Streckenrand. Sie sammeln
fleißig Material für die abendlichen Bilder des Tages, aber auch für die Trailer
im Internet und eine Fernsehreportage für DSF. |
Kamerateam |
Neben diesem Weg hängen oft kleine Schilder, die eine Jakobsmuschel darstellen
und damit zeigen, dass wir hier auf einem alten Pilgerweg sind. Dies freut mich
ganz besonders, da ich vor einigen Monaten einen Reiseführer über einen anderen
faszinierenden Pilgerweg, die Via Francigena von Canterbury nach Rom,
veröffentlichte. |
Pilgerweg |
Dann dürfen wir wieder ein flaches Stück am Ufer des Stausees laufen. Auf dem
See paddeln einige Leute. Bei der Kälte bin ich froh, dass ich nicht in einem
Boot sitzen muss, sondern laufen darf.
Erneut steige ich nun steil einen Weg hinauf. Die Route führt vorbei an einigen
Aussichtspunkten oberhalb der Ruhrklippen, aber ich bleibe lieber auf dem Pfad
und verzichte auf die kleinen Abstecher hinüber zu den Felsen.
Nach einer Weile wird die Steigung angenehmer, so dass ich wieder laufen kann.
Wieder einmal überholen mich zwei Motorräder der Veranstalter. Ein paar Läufer
ärgern sich, dass sich immer wieder auf schmalen Pfaden die Fahrer der
geländegängigen Maschinen vorbei drängeln, aber nach meinem Empfinden fahren sie
überall sehr vorsichtig und nehmen auf die Läufer größtmögliche Rücksicht. Ich
finde es sogar außerordentlich gut, dass die Rennstrecke auf diese Weise immer
wieder kontrolliert wird. Selbst wenn sich ein Läufer unterwegs zwischen zwei
Streckenposten verletzt, ist dadurch sehr schnell Hilfe vor Ort. |
Motorrad |
Eines wird wohl jeder Teilnehmer bestätigen: bei keinem anderen Lauf sind so
viele Streckenordner im Einsatz. Selbst an den harmlosesten Abzweigungen, an
denen Schilder und Bänder unmissverständlich den Weg anzeigen, steht jemand und
winkt uns in die richtige Richtung. Die müssen abends in den Armen so viel
Muskelkater haben wie wir in den Beinen! Natürlich beschränken sie sich nicht
auf die Richtungsangabe, sondern feuern uns kräftig an. Da unter den
Startnummern groß unsere Namen stehen bekommt dies eine sehr persönliche Note:
„Auf geht´s, Günter, du läufst gut!“ Da macht das Rennen doch gleich noch mehr
Spaß.
In der Ausschreibung stand, dass wir uns möglicherweise ab und zu anhand eines
Roadbooks orientieren müssen. Von wegen! Noch besser und unmissverständlicher
kann man eine Strecke nicht markieren. Schilder, Pfeile sowie viele lange
Plastikbänder am Wegrand sorgen dafür, dass es an allen drei Tagen völlig
unmöglich ist, irgendwo falsch abzubiegen. Hier wurde ein enormer Arbeitsaufwand
betrieben, zumal das Markierungsteam gestern vor dem Start noch mal los musste,
da nachts mutwillig viele Markierungen geklaut wurden.
Inzwischen sehe ich keine Läufer mehr hinter mir. Bin ich der Letzte? Eigentlich
kann ich mir das heute nicht vorstellen. Aber zumindest ein Zeitlimit spielt
heute keine Rolle, denn dieses ist so großzügig, dass wohl wirklich jeder ins
Ziel kommt.
Weiterhin geht es mal rauf, mal runter, aber meist auf normalen Waldwegen.
Trails sind hier kaum noch dabei. Nur zwischendurch kommt ein kurzer, etwas
steiler Abstieg. Zwischendurch laufe ich am Mahnmal Bittermark vorbei, das an
die dreihundert in dieser Gegend 1945 von der Gestapo ermordeten Menschen
erinnert.
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Bittermark |
Dann komme ich wieder am Augustinium vorbei. Von hier aus sind es nur noch etwas
mehr als sieben Kilometer ohne viele Höhenunterschiede. Ein paar kurze, leichte
Auf- und Abstiege sind aber doch noch dabei, was manchen Läufern, die sich
bereits verausgabt haben, schwere Beine verursacht. Auch die restliche Route
führt viel mehr durch Natur als durch Vororte.
Zwischendurch kommt sogar noch ein kurzer, matschiger Trail-Abschnitt, der mir
so richtig gefällt.
Im Rombergpark kommen wir am fotogenen Torhaus des ehemaligen Schloss
Brünninghausen vorbei (Fotos siehe Sonntag). Danach folgen nur noch zwei sehr
kurze Steigungen.
Die letzten beiden Kilometer führen völlig eben und fast nur geradeaus auf den
alten Hochofen zu. Damit es nicht allzu sehr wie ein Straßenlauf wirkt, dürfen
wir mehrmals einige Meter über groben Schotter laufen. Zuletzt folgt noch ein
kurzer „Baustellen-Trailabschnitt“, dann renne ich die Treppe hinauf und durch
das Ziel.
Außer alkoholfreiem Bier gibt es hier auch eine gute Auswahl an leckeren, frisch
gepressten Fruchtsäften. Herrlich!Nach der Pasta-Party werden die Filme zu den Transalpine-Läufen gezeigt. Auf der
großen Leinwand wirken sie noch beeindruckender als im Internet. Natürlich macht
es hier auch besonders Spaß, weil ich mit Leuten zusammen sitze, die diese
Strecke schon kennen, und Regina Schlump, die in der DSF-Reportage mehrmals
interviewt wird, sitzt am Nachbartisch.
Es folgen die Siegerehrung sowie die Fotos und das Video des Tages. Beim
Briefing wird angekündigt, dass es morgen wieder mehr Trail-Abschnitte geben
wird, teilweise durch knöcheltiefen Matsch. Diese Botschaft wird mit viel Freude
aufgenommen. Außerdem bekommen die Streckenordner einen sehr verdienten Applaus.
Anschließend findet noch eine Läuferparty mit DJ statt, aber ich fahre wie die
meisten anderen lieber früh zum Hostel zurück.
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