Wann stellt man(n) fest, dass man(n) zu alt
geworden ist? - fragte sich Jochen Brosig beim Kersbacher Dreikönigslauf 2010
Der Wecker klingelt. An Dreikönig? Ja! Es ist ein schöner Tag, denn Feiertag ist
Lauftag. Auf geht's: Aufstehen. Heute fahre ich nach Kersbach zum
Dreikönigslauf. Noch lässt sich nichts Böses erahnen. Ein Zipperlein hier, ein
Zipperlein da, daran hat man sich als neues Mitglied der AK45 ja schon gewöhnt.
AK45, also Antike Kompostiklasse 45.
Doch beim Beine-aus-dem-Bett-Manöver dämmert es mir langsam. Beine? Bleiklumpen
liegen da auf der Matratze. Ich will meinen Oberkörper hochheben, es geht nicht.
Zentnerschwer wie eine Stahlbetonwand bleibe ich im Bett liegen. Letzte Nacht,
was war da nur los? Der Nebel lichtet sich nur langsam. Also das mit dem Schwung
kann ich mir vorerst abschminken. Ganz vorsichtig ist das Gebot der Stunde und
keine schnellen Bewegungen. Vor allem nicht mit dem Kopf. Dann dröhnt es, wie
wenn ein Ozeandampfer in einer Turnhalle sein Horn ertönen lässt.
TUUUUUUUUUUUUUT!!!!!!! Auweia!
Laufen? Heute? Unmöglich! Der Querläufer ist doch schon für Kersbach gemeldet,
höre ich meine innere Stimme. Oh, mein Schädel dröhnt. Gestern bei Freunden. Ein
Schlemmerabend in Baiersdorf. Der süffige Rote. Vorgestern Geburtstagsfeier. Das
schmackhafte Weizen. Eigentlich heißt es doch: Wein auf Bier, das rat ich Dir!
Oder auch: Der Wein bestimmt das Bewusstsein. Ja, von wegen Bewusstsein –
Bewusstlos! Eins ist klar, als ich nach langem Kampf endlich auf der Bettkante
sitze: Ich bin über die Feiertage zu einem Wabbel-Gummitier mutiert, mit dem
unser Patenkind zu Zeit gerne spielt. So wacklig bin ich auf den Beinen.
Ich stöhne und ächze, warte auf ein mitleidiges Murmeln von der anderen Seite.
Doch es kommt nichts von der Läuferfrau. Noch einmal stoße ich einen Seufzer
beim Versuch aufzustehen aus. Vielleicht jetzt etwas Mitleid, es raschelt die
Bettdecke: „Du verträgst halt auch nicht mehr so viel wie früher, Du alter
Sack!“ WUMM, das saß. Wie früher! Du alter Sack. Später schaue ich gleich mal in
den Spiegel, ob ich mich a la Dr. Jekyll und Mr. Hyde irgendwie verändert habe.
Sind schon Fältchen da? Graue Haare habe ich schon länger. Was sich aber auch
für Muskeln beim Erheben von der Bettkante schmerzhaft bemerkbar machen? Doch
immer wieder erstaunlich wo der Mensch überall welche hat. Viel mehr weh tut
aber ein Gedanke: Ich bin alt.
Umsonst waren 10 Jahre Lauftraining, 2 Jahre Fitnessstudio, Radtouren,
Inlinerfahrten, Bergtouren, Wanderungen und Sit-Ups. Los komm schon, Du
Waschlappen! Bemitleide Dich nicht selbst, Du Memme! Du willst heute antreten,
zu Deinem ersten Wettkampf 2010. So einen kleinen Kater darf man nicht gleich
zum Tiger ausarten lassen. Also Rucksack und Laufschuhe geschnappt und ab nach
Kersbach. Es gibt keine Ausreden!
Rechtzeitig komme ich im verschneiten Kersbach an. Im Großen und Ganzen ist die
Strecke frei. Nur an manchen Kurven muss man etwas aufpassen. 330 Läufer beim
Hauptlauf über 12 KM. Vier Runden sind zu laufen, da kann es an manchen Stellen
auch einmal etwas eng werden. Trotz der kühlen Temperaturen sind viele Zuschauer
an der Strecke. Die Drei Könige sind auch da. Vier Mal rum und dann ist es auch
schon wieder vorbei. Außer Atem komme ich ins Ziel. Pfeifend wie eine alte
Dampflok. Ein kleiner Knirps fragt seine Mutter, ob er den Rettungsdienst für
mich holen soll. Ich bekomme die Krise. Ich bin zu alt. Ja, es stimmt. Meine
Musik läuft mittlerweile auf Bayern 1 unter Oldies. Hilfe! Kann mir jemand
aushelfen? Meine Voltaren und meine Kukident-2-Phasen sind alle!
Ein verletzungsfreies Laufjahr 2010
wünscht
Euer Querläufer
Jochen Brosig
Röttenbach, den 06. Januar 2010 |