12.02.2011 Brocken-Challenge - Raumschiff
Enterprise im Nationalpark Harz - Bildbericht von Günter Kromer
Im unübersichtlich großen Angebot an Laufveranstaltungen im deutschsprachigen
Raum gibt es zur Zeit nichts, das mit der Brocken-Challenge verglichen werden
könnte. Es gibt viele weitaus längere oder schwerere Läufe, aber die
Wahrscheinlichkeit, große Teile der Strecke auf unpräparierter, vereister oder
tief verschneiter Piste zu laufen sowie das meist extreme Klima auf
Norddeutschlands kältestem, windigstem und schneereichstem Berg machen diese
Challenge zu einem unverwechselbaren Erlebnis. Die meist 81,5 km lange Strecke
von Göttingen hinauf auf den Brocken hat laut offiziellem Höhendiagramm 2193 Hm
Auf- und 1396 Hm Abstieg. Neu ist, dass in diesem Jahr alle Teilnehmer
anschließend 10,5 km und 500 Höhenmeter vom Gipfel hinab nach Schierke wandern
müssen, und neu ist auch die anschließende Überraschung in Schierke. |
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Beinahe hätte dieser "Wohltätigkeits-Ultramarathon" vor einigen Monaten die
meisten seiner Fans verloren, aber zum Glück haben die Veranstalter anhand der
heftigen Kritiken in den Internetforen schnell gemerkt, dass ihre ursprünglich
zu große Erhöhung der Spendengebühr zwar gut gemeint, aber dennoch völlig
realitätsfremd war. Mit der nachträglichen Korrektur des Spendenbetrags auf eine
meiner Meinung nach ideale Summe hat der Verein ASFM e.V. bei mir für großen
Respekt gesorgt. Alles von Anfang an richtig zu machen ist gut, doch es gehört
sogar noch mehr persönliche Größe dazu, einen Fehler einzugestehen und ihn
nachträglich zu korrigieren. Doch ich will jetzt nicht lange über die
Benefiz-Diskussion schreiben. Am Ende dieser Reportage steht dazu ein extra
Kapitel.
Mehrere Monate lang bedauerte ich, dass der Termin 2011 ausgerechnet auf den
Geburtstag meiner Freundin fällt. Wegen der Einzigartigkeit dieser Veranstaltung
stand die BC eigentlich auf Platz 1 meiner Laufwunschliste. Doch zum Glück habe
ich Annette als Freundin, und als sie merkte, wie sehr ich mir einen Start bei
der BC wünschte, verschob sie ihre Geburtstagsparty wegen mir um eine Woche. Ich
weiß, warum ich seit über 8 Jahren mit Annette zusammen bin und auch noch in der
Altersklasse 70 mit ihr leben und laufen will. |
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Pünktlich zum Anmeldebeginn am 1.12. sausen ab Mitternacht in Windeseile die
Buchungen durch das Netz. Um 0:30 Uhr stehen schon 40 Teilnehmer auf der Liste,
darunter auch ich, und um 9 Uhr ist bereits die Hälfte der Plätze ausgebucht.
Hier ein paar Statistikdaten aus der Meldeliste: fast die Hälfte sind
"Wiederholungstäter", das Durchschnittsalter ist 44 Jahre und die Frauenquote
beträgt leider nur 13 % .
Im Gegensatz zu 2009 und 2010, als große Teile der Strecke mit Eis oder Schnee
bedeckt waren (siehe mein laufspass.com-Bericht aus 2010), schmilzt Anfang
Februar die weiße Pracht kräftig ab. Genau eine Woche vor dem Start ist der
Brockengipfel wegen Orkan gesperrt, aber für das Laufwochenende sieht die
Prognose recht harmlos aus. Etwa 60 der 80 km sind heute schnee- und eisfrei.
Dass es dann doch noch ein völlig unvorhergesehenes Abenteuer-Finale gibt und
was es mit meiner seltsamen Überschrift auf sich hat, dazu später mehr.
Am Freitag treffen wir uns ab 17 Uhr wieder in der Uni Göttingen. Einige von uns
probieren gleich das neue T-Shirt an, dessen Gestaltung erstmals durch einen
Wettbewerb entschieden wurde. Acht Teilnehmer reichten Entwürfe ein, und das
Ergebnis gefällt mir ausgesprochen gut. Von meinem eigenen Entwurf wird der
Spruch "Kalt, hart, schön" als Slogan auf den Startnummern genutzt.
Wir geben unser Gepäck ab, das morgen hinauf zum Brocken gebracht wird. Dann
folgt im Hörsaal die sehr ausführliche Vorstellung der vier Institutionen, an
die dieses Mal die Spendensumme geht, der Sponsoren und der zahlreichen Helfer.
Da viele von ihnen anwesend sind, gibt dies der Veranstaltung eine ganz
persönliche Note. Mit Kartenskizzen, Fotos und Höhendiagrammen wird die Strecke
vorgestellt. Es folgt eine Vorschau auf das Wetter mit Hinweis darauf, dass es
am Ziel minus fünf Grad kalt sein soll, wegen Sturm aber die Fühltemperatur vom
Wetterdienst auf minus fünfzehn Grad angegeben wird. Aber dass wir uns warm
einpacken müssen wissen wir ja ohnehin.
Dann fahren die meisten von uns hinauf zum etwa 3 km außerhalb der Stadt im Wald
gelegenen Jägerhaus am Kehr, wo es in gemütlicher Atmosphäre Abendessen gibt.
Dank Selbstbedienung und großen Pasta-Vorräten (sowohl vegetarisch als auch mit
Fleisch) wird hier wirklich jeder satt, nicht wie bei manch anderem Lauf, wo man
nur einen kleinen Teller Pasta bekommt. |
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Matten und Schlafsäcke ausgerollt, die wie üblich nicht ungestörten Versuche,
genügend zu schlafen, und um 4.30 Uhr Aufstehen - das gehört zum Ultramarathon
dazu wie der Dom nach Köln. Ab fünf Uhr gibt es reichhaltiges und
abwechslungsreiches Frühstück im urigen Ambiente des alten Tanzsaales. Dieses
Mal wirklich perfekt! Danke, liebes Helferteam!
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Ein Kamerateam des NDR filmt uns, wie sie es auch schon in den Jahren zuvor
gemacht hatten. Dieses Mal wird ihre Reportage aber sehr langweilig und gibt
kaum etwas vom besonderen Geist der BC wider. |
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Um 6 Uhr starten wir dann hinaus in die Dunkelheit. So ganz ohne Schnee und Eis
wirkt heute unser Lauf durch den Göttinger Wald fast wie ein nächtlicher
Lauftreff. An einigen Stellen stecken brennende Fackeln neben dem Weg. Anfangs
laufen wir leicht aufwärts, dann bergab. In einer Kehre sehe ich Dutzende von
Stirnlampen unter und über mir.
Schon nach scheinbar sehr kurzer Zeit leuchtet vor uns am Horizont der erste,
winzig kleine rötliche Schimmer und deutet an, dass die Dämmerung naht. Ich
liebe es, wenn die tiefe Nacht allmählich weicht und sich die umliegende
Landschaft ganz langsam aus der Dunkelheit schält.
Um 6.45 Uhr kann ich in Mackenrode schon ohne Stirnlampe laufen, und bei der
ersten Verpflegungsstelle in Landolfshausen etwa bei km 12 verstaue ich die
Lampe dann im Rucksack.
Nun folgt der erste etwas steilere Abschnitt, den viele von uns nicht laufen
sondern gehen. |
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Bald hat die Steigung ein Ende und wir können wieder Gas geben. Im Wald sehe
ich, wie das Rot am Horizont immer mehr an Kraft gewinnt. Es scheint mich
magisch anzuziehen. Ich beeile mich, denn ich hoffe, dass ich nach Verlassen des
Waldes einen schönen Sonnenaufgang fotografieren kann.
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Beim Aussichtspunkt Seulinger Warte erreiche ich offenes Gelände mit weiter
Fernsicht, und nun liegt das ganze Farbenmeer frei neben und vor mir. Dies ist
der mit Abstand schönste Himmel, den ich in den letzten 12 Monaten gesehen habe.
Mindestens fünf Minuten "verschwende" ich, indem ich die wechselnde
Lichtstimmung immer wieder fotografiere. Aber ich laufe ja nicht, um schnell zum
Ziel zu kommen, sondern vor allem, um genau solche magischen Momente zu erleben
und mit allen Sinnen zu genießen. |
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Beim nächsten Verpflegungspunkt ist der Farbenzauber längst vorbei. Stattdessen
begeistert mich mal wieder die üppige Auswahl an Verpflegung. Vor allem den hier
und an den meisten anderen VPs ausgeschenkten Tee finde ich außergewöhnlich. Mir
schmeckt dieser Zimttee so gut, dass ich heute besonders viel Tee trinke, aber
ich höre aber auch andere sagen: „Igitt, was ist denn das für ein Zeug?“
Geschmäcker sind halt unterschiedlich! Zum Glück ist die Getränkeauswahl
außerordentlich groß. Sogar Kaffee und verschiedene Limonaden, alkoholfreies
Bier, an späteren Stellen auch leckere Suppe - wenn ich das vergleiche mit der
Minimalkost, die man für viel Geld z.B. in Berlin bekommt..... |
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Im Gegensatz zum letzten Jahr kann man auch den Streckenabschnitt beim Seeburger
See heute ganz normal laufen. 2010 rannten wir hier über eine kilometerlange
Eislaufbahn. |
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Anschließend folgt eine recht eintönige Landschaft. Nur noch geringe
Höhenunterschiede, viel Flurbereinigung, kaum Fotomotive - landschaftlich gibt
es genug schönere Ultramarathons. Aber darum geht es ja heute auch gar nicht.
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Langeweile kommt natürlich trotzdem nie auf. Ab und zu unterhalte ich mich gerne
mit andern Läufern. Manche habe ich schon früher irgendwo getroffen, von anderen
erfahre ich, dass wir uns in den nächsten Monaten noch ein oder zweimal begegnen
werden.
Zwischendurch bringt der Aufstieg auf einem Single-Trail hinauf zum Hellberg und
der teilweise sehr steile folgende Abstieg etwas Abwechslung in die Monotonie
der Strecke.
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Die Fernsicht ist heute überraschend klar, und am Himmel lockern einige blaue
Flecke das Grau auf. |
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Eigentlich sollte sich bei der Brocken-Challenge niemand verlaufen. Die Strecke
ist bis Lausebuche gut markiert, danach kann man sich völlig problemlos an den
Wegweisern der Wanderwege orientieren. Falls man im Zweifelsfall doch unsicher
ist schaut man auf die Streckenbeschreibung und die Karten, die man gestern bei
der Vorbesprechung bekam. Doch egal wie gut eine Strecke markiert wird – wenn
man nicht aufpasst und im Halbschlaf oder in ein gutes Gespräch vertieft an
einer deutlich markierten Abzweigung vorbei läuft und anschließend auch keine
Lust hat, die Karte aus dem Rucksack zu holen, sammelt man halt Bonusmeilen. So
geht es beinahe auch mir. Ich weiß vom letzten Jahr schon, dass ich gleich am
Ortsanfang von Rüdershausen nach rechts abzweigen muss, wir wurden gestern auch
noch einmal eindringlich auf diese Stelle hingewiesen, und doch renne ich munter
plaudernd mit einem anderen Läufer geradeaus. Erst als hinter uns jemand brüllt
„Stopp! Abbiegen!“ merken wir, dass wir beinahe eine neue Route erkundet hätten.
Neben der Rhumequelle, der drittgrößten Quelle Deutschlands, steht schon die
nächste Verpflegungsstation. Wie üblich wird bei jeder Station die Nummer jedes
Läufers in einer Liste notiert, damit man später weiß, ob jemand unterwegs
verloren ging. Und wieder begeistert mich die außerordentlich große Auswahl an
Speisen und Getränken. |
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