Nach langem Aufstieg sehe ich das Hotel und die anderen Gebäude am Gornergrat
über mir. Doch noch gehen wir nicht direkt hinauf, sondern laufen einige Zeit
unterhalb am Grat entlang. Erst später steigen wir durch ein rutschiges,
sandiges Schuttfeld steil zum Grat hinauf. Ich glaube nicht, dass an dieser
Stelle normalerweise ein Pfad hinauf führt. |
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Dann erreiche ich den Grat. Wer die Aussicht von hier oben nicht kennt, dem
verschlägt es hier sicher den Atem. Ich war schon oft hier, daher weiß ich, was
mich erwartet, aber das einzigartige Panorama begeistert mich auch heute wieder
wie beim allerersten Mal.
Wir erreichen den Grat ein schönes Stück abseits des Massentourismus-Trubels.
Nicht weit vom Tourismus-Zentrum, wo sich Urlauber aus aller Welt drängen,
herrscht fast völlige Stille. Daher kann ich die Aussicht eine Weile ganz für
mich alleine genießen, bevor ich den letzten kurzen Weg zum höchsten Punkt der
Strecke (3090 m) laufe.
Fast zum Greifen nahe fließen mehrere Gletscher von den Viertausendern Monte
Rosa (4563 m), Liskam (4527 m), Castor (4223 m), Pollux (4092 m) und Breithorn
(4159 m). Auch in den anderen Richtungen erblicke ich zahlreiche Viertausender,
und natürlich auch das Matterhorn. |
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Im Zuschauerführer auf der Homepage steht, dass hier der langsamste Läufer
um 10:15 Uhr ankommt. Ok, das war vor etwa einer halben Stunde, dann bin ich
also heute langsamer als langsam. Aber immerhin steigen unter mir noch etwa zehn
andere Läufer auf, ich trage also (noch) nicht die Rote Laterne.
Im stark frequentierten Umfeld von Hotel und Bahnhof ist der Laufweg mit roter
Linie oder orangen Fähnchen vom Bereich der Touristen abgetrennt, was ich
wirklich hervorragend finde.
Zu meiner großen Überraschung wird uns Läufern an einem kleinen, nicht
angekündigten Verpflegungsstand sogar Wasser gereicht. Offiziell hätte ich
während der für mich mehr als drei Stunden zwischen Sunnegga und Riffelalp
nichts zu Trinken bekommen, was aber auch kein Problem gewesen wäre, da ich
dieses Mal zwei Liter in den Rucksack gepackt hatte.
Noch immer ist das Wetter ideal zum Laufen und zum Fotografieren. Kein Vergleich
zum Schneegraupel, der mich vor zwei Jahren hier erwartete, als ich beim
Zermatt-Ultra das Ziel am Gornergrat erreichte! Noch ahne ich nicht, dass es
auch heute hier oben noch schneien wird, allerdings erst sechs Stunden später.
Der Abstieg auf einem tollen Trail hinab nach Riffelberg macht mir mordsmäßig
Spaß. Steile und schnelle Passagen wechseln häufig. Die vielen Wanderer stellen
kein Problem dar, denn der Weg fächert sich meist in viele parallel verlaufende
Tracks auf, so dass man problemlos aneinander vorbei kommt, und an den wenigen
schmaleren Stellen weichen die Wanderer bereitwillig aus, sobald sie einen
Läufer kommen hören. |
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Ich erreiche den Riffelsee, dem wegen seiner Spiegelung bekanntesten
Matterhorn-Fotomotiv. Heute ist die Oberfläche allerdings zu unruhig. |
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Gornergrat und Riffelsee zählen auch zum Lieblingsprogramm vieler japanischer
Urlauber. Entsprechend viele Wandergruppen aus Nippon treffe ich hier bei meinem
Abstieg. Man merkt sofort, dass Marathonlauf in Japan einen ganz anderen
gesellschaftlichen Stellenwert hat als bei uns. Dort sind die Läufer bekannte
Stars, so wie bei uns Fußballspieler. Daher überrascht es mich nur wenig, mit
welcher Begeisterung ausnahmslos jeder der Japaner hier auch mich, einem der
langsamsten Ultrak-Teilnehmer, noch mit Applaus anfeuert. Zum Glück kenne ich
das japanische Wort für "Danke" und rufe jedes Mal laut "Arigato", wenn ich an
einer solchen Gruppe vorbei eile.
Weit in der Ferne sehe ich einige Gipfel der auf der anderen Seite des Rhone-Tal
liegenden Berner Alpen.
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Ohne Stopp geht es vorbei an Riffelberg, wo im Juli das Marathon-Ziel ist. Von
hier laufe ich nicht auf der bekannten Strecke neben der Bahnlinie weiter,
sondern auf einem Trail steil direkt hinab zur Riffelalp. Mit Ausnahme eines
einzigen Läufers, der mich unterwegs überholt, sehe ich in der gesamten Stunde
zwischen Grat und Alp keinen anderen Ultrak-Teilnehmer. Trailrunning ist für
mich normalerweise auch ein Gemeinschaftserlebnis, aber für Kontakt zu anderen
Läufer bin ich heute einfach zu langsam.
Bei der Verpflegungsstelle Riffelalp kreuzt meine Route den Weg der 16K-Läufer,
die gerade hier vorbei kommen. |
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Als ich hier ankomme, ist es etwa 11:40 Uhr. Laut Zuschauerführer sollen drüben
beim Schwarzsee die letzten 46K-Läufer um 12.30 ankommen, also in 50 Minuten.
Ich ahne aber, dass ich bis dort drüben sicher mehr als zwei Stunden brauchen
werde. Meine Hoffnung, die einzige Cut-Off-Stelle des Tages, 15 Uhr bei Stafel,
noch rechtzeitig zu erreichen, bekommt einen kleinen Dämpfer. Allerdings weiß
ich, dass ich vom Schwarzsee hinab nach Stafel weniger als eine Stunde brauchen
werde, also könnte es doch klappen.
Noch immer fühle ich mich zwar langsam, aber gut, und das Rennen macht mir Spaß.
Also gebe ich nicht auf.
Während ich mich an der Labestation mit Proviant und Getränken vollstopfe,
blicke ich zu den Bergen auf der anderen Seite des Tales. Dort laufen jetzt
sicher die Läufer in der Mitte des Teilnehmerfeldes bereits in Richtung
Schwarzsee. Ich denke "Wer weiß, vielleicht sind Kilian Jornet und ein paar
andere Spitzenläufer womöglich sogar schon viel weiter, ganz dort drüben, auf
dem Weg zum Berghaus Trift."
Oh, wie ahnungslos ich bin! Erst am Abend erfahre ich die ernüchternde Wahrheit.
Während ich lahmer Gaul gerade an der Tränke nahe km 20 pausiere, läuft Kilian
mit einem sagenhaften Ergebnis von 4:43 Stunden bereits in Zermatt über die
Ziellinie. Unglaublich!
Für mich geht es nun eine kurze Zeit fast eben weiter. Nach wie vor sehe ich
keine anderen Läufer vor oder hinter mir.
Dann folgt ein kurzer Aufstieg. Anschließend geht es so richtig ab! Insgesamt
sind die Trails beim Ultrak zwar anstrengend, aber technisch nicht schwer. Nun
folgt aber ein Abstieg, bei dem ich froh bin, dass ich mit Stöcken unterwegs
bin. Über sehr viele hohe Felsstufen geht es verdammt steil abwärts. Hier
bewältigt man auf kurzer Strecke sehr viele Höhenmeter. Ich liebe solche
Strecken. Die besonders anspruchsvollen Wege sind für mich das Salz in der Suppe
des Trailrunning.
Nur der völlig frustrierte Mountainbiker tut mir leid, den ich etwa bei der
Hälfte des Abstieges sehe. Selbst ein MTB-Weltmeister könnte hier weder bergauf
noch bergab radeln. Da muss man sein geliebtes Bike tragen.
Leider vergesse ich hier vor lauter Begeisterung über die spannende Route, dass
ich auch schöne Filmaufnahmen machen muss. Erst als die Strecke schon deutlich
einfacher wird, denke ich an ein paar Schnappschüsse. |
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Vor dem ehemaligen Gletschertor endet der steile Abstieg. Vor nicht allzu langer
Zeit drängte sich hier der Gletscher zwischen Felsen hindurch, doch der
allgemeine Gletscherschwund hat auch hier das Eis weit nach oben gedrängt. |
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Ein breiter Fahrweg lädt für kurze Zeit zum Erholen ein. Dann erreiche ich die
erst im Juni 2011 eröffnete Hängebrücke bei Furi. Beim Briefing wurden wir
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir hier nicht wie im Promo-Film gezeigt
über die Brücke laufen dürfen sondern gehen müssen. Als ich das 100 m lange
Gebilde betrete, erkenne ich warum. In bis zu 90 m Höhe über der Schlucht
schwankt die Brücke bei jedem Schritt. Geil! |
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Trotz drängendem Blick auf die Uhr nehme ich mir nun die Zeit für eine kurze
Vesperpause. Ich hasse Gel, aber wie schon oft will mein Magen mal wieder nur
das klebrige Zeug statt Riegel und anderem Proviant aus meinem Rucksack zu.
Nun aber schnell vorwärts! Jetzt drückt mich der Zeitmangel doch kräftig.
Ich ahne nicht, dass inzwischen auch die schnellste Frau, Emelie Forsberg, in
5:41 Stunden das Ziel erreicht hat.
Ich komme knapp oberhalb der Seilbahnstation Furi vorbei. Inzwischen ist es
recht warm geworden, noch keine Spur von dem angekündigten Wetterumschwung. Beim
folgenden Aufstieg auf einem schmalen, steilen Trail schwitze ich stark. Später
geht es auf etwas breiteren, von vielen Wanderern frequentierten Wegen weiter
hinauf. |
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