Teil 3
„Die 100 KM von Biel – Ich war dabei!!!“, das wollte ich auch
einmal sagen. Die Idee, die 100 KM von Biel zu laufen, kam mir in der
Euphorie nach meiner Teilnahme beim
Rennsteiglauf 2003. Computerlogbuch des Bieler
Lauftagebuchs. Wir schreiben das Jahr 2006.
Sternzeit 09/04/06. Trainingskilometer 1734.
Dieses Gefühl kennt Ihr bestimmt auch: Du stehst am Start Deines
Frühjahrsmarathon, nestelst nochmals an den Schnürsenkeln herum und
überprüfst den Sitz Deines Brustgurtes. Seit dem Du in Deinem Startblock
stehst weht ein kalter Wind und Du denkst an Deine langen Tights, Dein
Langarmshirt und die Handschuhe. Die drei liegen natürlich zusammen bei
Dir im Auto auf der Rücksitzbank. Du denkst Dir: „Hätte ich vielleicht
nicht doch die langen Tights…..? Wenigstens die Handschuhe hätte ich
mitnehmen können!“ Normalerweise ist bei mir ein leichtes Frösteln am
Start für mich genau richtig. Doch heute will ich meinen ersten 50 km
Trainingslauf machen. Für mich heute kein Problem, schnell noch mal
umgezogen und los geht es. Es soll ein lockerer Lauf werden.
Es ist wieder einmal Sonntag der Tag der langen Läufe. Heute zur
Abwechslung einmal in Bad Staffelstein. Wir wollen die Marathonis
anfeuern, die Landschaft genießen, ein paar schöne Fotos schießen, Freunde
treffen nach dem Motto „Run And Have Fun“ und nebenbei noch einen
Überdistanzlauf absolvieren. Wir, das sind Moni und Ossi, die für den
Mainzer Marathon trainieren, Manfred und ich. Durch eine Zusatzschleife
vorher und oben am Staffelberg will ich heute also die 50 km knacken.
Gesagt, getan und so laufe ich die ersten 2 km mit den Halbmarathonis.
Munteres treiben im Pulk, Nervosität, Erwartungshaltung und
Erfahrungsaustausch. Die Einen hoch konzentriert, die Anderen ganz locker
traben quatschend. Auch einmal schön, wenn man ganz unbedarft mitlaufen
darf. Ich drehe wieder um und ernte erstaunte Blicke. „Hoffentlich komme
ich noch rechtzeitig an den Start!“, denke ich mir. Schon am Bahnhof
kommen mir die ersten Marathonis entgegen. Schnell die Digi Cam raus und
die ersten Bilder gemacht. Ich warte den Besenwagen ab, reihe mich ein und
rolle das Feld von hinten auf. Heute geht es nicht ums Tempo, ich lasse
mich treiben.
Mit dem Blick auf das Kloster Banz laufe ich bei KM 2 auf Erwin auf:
„Einen schönen guten Morgen!“ Ich will Ihn gerade über seinen Indien-Trip
befragen, da klopft mir Thomas auf die Schulter. „Da ist dann also wieder
ein toller Bildbericht fällig!“, freue
ich mich.
Wir tauschen ein wenig Läuferlatein aus, dann ziehe ich weiter. Am Abzweig
vom Halbmarathon hole ich Moni und Manfred ein. Sie kürzen ab während ich
den Berg in Richtung Kloster Banz erklimme. Herrlich, diese Landschaft! Wo
man hinguckt nichts als Gegend. Ich werde durchs Feld gespült, überhole
Läufer um Läufer. Trotz der Steigung ist meine Atmung ganz flach. Ich
fühle mich gut. Kontinuierlich habe ich dieses Jahr meine Umfänge
gesteigert. Dabei hatte ich so viele Läufe über 30 KM wie nie. Als
Wettkampf habe ich nur Kersbach und Bad Windsheim stehen, aber dafür war
ich im Training fleißig.
Die Strecke ist dieses Jahr etwas anders, aber angenehmer. Wir laufen im
Gottesgarten eine Schleife bevor es nach Vierzehnheiligen hoch geht.
Letztes Jahr mussten wir zum Schluss noch eine Ehrenrunde drehen. Im Zick
Zack Richtung Stadion und prompt haben wir uns fast verlaufen. Erwin und
ich sind im flotten Tempo durch den Marathon getigert. 3:10 Std. standen
am Ende zu Buche. Dieses Jahr will ich wesentlich langsamer laufen. 4:10 –
4:20 Std. bei 50 km. Und dann steht sie vor mir, die Basilika. Also wieder
die Digi Cam raus, anhalten, Foto schießen, weiter geht´s. Oben angekommen
laufen mir bereits die Führenden entgegen. Ungefähr an sechster oder
siebter Stelle liegt unser Vereinskamerad Peter Sommer. „Servus Peter!“
Bei KM 20 entschließe ich mich umzudrehen. Hier will ich meine
Zwischenschleife einlegen. Bis KM 18 zurücklaufen und mich wieder
einreihen. „Wahrscheinlich werde ich Erwin und Thomas wieder treffen“,
denke ich mir. So ist es auch. Auf halber Strecke ruft Thomas schon von
weitem ich solle mich für ein Foto-Shooting bereithalten. „Wir sehen uns
gleich wieder!“, rufe ich ihm zu. „Was?“, aber da bin ich schon vorbei.
Kurz darauf erreiche mein Zwischenziel KM 18 und drehe wieder um. Oben auf
dem Staffelberg habe ich Thomas und Erwin wieder vor mir. „Bist Du scho´
wieder da?“ Wir legen zusammen eine Geh- und Fotopause ein. Genießen
zusammen die Landschaft und müssen wieder weiter.
Von nun an geht´s bergab!
Nach einem kleinen Pläuschchen verabschiede ich mich von den beiden, ziehe
das Tempo wieder an. Aber trotzdem immer im Wohlfühlbereich laufen, ist
heute wichtig für mich. Hinunter ins Gossental nach Uetzing, weiter nach
Stublang, Loffeld und Horsdorf. (War es in Loffeld oder in Horsdorf? Ich
weiß es nicht mehr. Ich glaube es war in Horsdorf.) Mir geht es bestens.
Mein Tempo kann ich gut halten. Schon vor dem Ortseingang höre ich die
Anfeuerungsrufe. Und dann sehe ich es: Ein Spalier von Cheerleader steht
vor der nächsten Verpflegungsstation. Sie rufen und kreischen, machen die
Welle, springen auf und ab. Ich drehe mich um. „Läuft hinter mir Joey
Kelly oder ist etwa Bill von Tokio Hotel dabei?“ Nein, die meinen mich
bzw. jeder Teilnehmer des Marathons wird so begrüßt. Nach dem die
Landschaft im zweiten Teil im doppelten Sinn stark abfällt, also hier noch
mal etwas fürs Auge. „Mädels, ich bin der Meinung Ihr seit, SPITZE!“
Das motiviert für die letzten Kilometer. Die laufen sich immer noch
erstaunlich gut. Ich bin eben gut im Training. „Alter Angeber!“, höre ich
meine innere Stimme. Doch wenn es nun Mal Fakt ist, dann kann ich es auch
nicht ändern. Das Jahr begann schon gut mit dem Lauf in Kersbach. Vor 4
Wochen beim HM in Bad Windsheim lief es auch prächtig. Während ich so in
Erinnerung schwelge, treibt es mich dem Ziel entgegen. Bad Windsheim war
auch kein leichter HM. Meine Grundlagenausdauer ist durch die langen Läufe
gut. Deswegen konnte ich auch von Anfang bis Ende schön gleichmäßig
durchlaufen. Da taucht vor mir der Park des Kurzentrums auf. Was, schon
da, sagte der Hase zum Igel. „Was, wo kommst Du denn her?“, fragt mich
Manfred am Ziel. „Wir warten schon auf Dich!“ Ja, die schöne Landschaft.
Da sind 50 KM ein Klacks. Die Zeit vergeht wie im Flug. Der
Obermain-Marathon war wieder einmal eine Reise wert.
Wie sagt noch Erwin: „Schee wor´s fei!“
Thomas: „Ja Erwin, schee wor´s scho.“
Jochen: „Ganz schee wor´s..“
Erwin: „So schee wor´s überhaupt no nia.“
Jochen: „So ist des im Leben, zerst is schee und dann is auf amoi alles
vorbei.“
Thomas: „Genau.“
Die letzten Meter, GESCHAFFT! 50 KM ein weiterer Meilenstein auf dem Weg
nach Biel. Jetzt steht in einer Woche noch unser Trainingslager in Kärnten
an. Wir arbeiten dann am Feinschliff. Der Bericht dazu kommt in der
nächsten Folge, wenn es heißt: Keine Gnade für die Wade!
Jochen Brosig
Röttenbach, den 14. April 2006
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