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Zur Belohnung: Jungfrau-Marathon 2007 – mein erster Bergmarathon
Endlich finden die Worte wieder den Weg aus meinem derzeit etwas
leeren Kopf über die Hände auf die Tasten in den PC und von dort auf den
Bildschirm oder das Papier. Ich hatte schon Sorge, dass meine
literarische Ader irgendwo zwischen Lauterbrunnen und Wengen verloren
gegangen ist!
Zum Jungfrau-Marathon 2007 bin ich im wahrsten Sinne des Wortes wie die
Jungfrau zum Kind gekommen – nicht wirklich erklärbare Umstände haben
mich am 08.09.2007 von Interlaken auf die Kleine Scheidegg laufen
lassen.
Für mich stand im Februar, kurz vor Meldeschluss für Interlaken fest:
Dort läufst Du 2007 nicht, ein richtiger Höhepunkt (nämlich die
Nacht der Nächte in Biel) pro Jahr ist genug
– und somit flog der Flyer mit den Anmeldemodalitäten in den Müll.
Umso erstaunlicher war die Mitteilung eines Forum-Mitgliedes einige
Wochen später, dass ich auf der Startliste für den 08.09.2007 stehe.
Irgendein freundlicher Mensch hatte mich wohl bei Datasport gemeldet.
Und siehe da: Nur drei Tage später flatterte mir die Bestätigung und
Zahlungsaufforderung ins Haus.
Nun denn, es kam, wie es kommen musste: So einer Versuchung konnte ich
natürlich nicht widerstehen! Schließlich war mir das Losglück hold
gewesen und wann würde sich wieder die Möglichkeit ergeben, sogar an
Langdistanz Berglauf Weltmeisterschaften teilzunehmen?
Mein Entschluss stand somit fest: Der Jungfrau-Marathon sollte Belohnung
für die 100 km in Biel sein – und somit nicht ganz ernst und streng nach
Plan vorbereitet und ohne (am-bitioniertes) Zeitziel gelaufen werden.
Zudem mir im vorderen Taunus nicht unbedingt das optimale
Trainingsgelände zur Verfügung stand und ich mich auch nicht schon
wieder über 6 Wochen lukullischen Genüssen sowie Weizenbier oder
Schoppenwein entziehen wollte.
Die Grundlagen gut zwei Monate nach Biel waren ja noch da und eine
entspannte Einstellung zum Thema:
Bergauflaufen bzw. stramm marschieren ließ den Respekt vor den
großen Unbekannten (1800 Meter hinauf, evtl. Schlechtwetter mit Kälte,
Nebel, Regen, Schnee) etwas geringer werden.
So bin ich also am 06.09.2007 voller Abenteuerlust per ICE von Frankfurt
direkt nach Interlaken gefahren – sehr schön und entspannend. Leider war
dieses Mal kein eigener Fanclub dabei, wie schade. Denn je näher wir dem
Ort des Geschehens kamen, umso mehr schaute ich beeindruckt aus dem
Fenster, immer die stetig größer und schöner werdenden 4000er Gipfel
bestaunend.
Mein Quartier für drei Nächte in der „Villa Sonnenhof“ war schnell
gefunden, so dass noch ein Rundgang durch das festlich geschmückte
Interlaken (schließlich fanden hier ja übermorgen Weltmeisterschaften
statt) sowie ein feudales Nudelessen den Anreisetag schön ausklingen
ließen.
Am nächsten Tag dann wieder blauer Himmel, kaum Wolken, klare Sicht –
also nix wie los und mit der leider nicht gerade preiswerten, aber dafür
umso beeindruckenderen Jungfrau-Bahn hinauf auf 3500 Meter zum
Jungfrau-Joch gefahren – ein „Muss“ bei Schönwetter für alle
Jungfrau-Neulinge! Einen Großteil der Laufstrecke kann man/frau sich
nämlich auf diese bequeme Weise schon mal betrachten! Am Nachmittag
konnte ich auf der Kleinen Scheidegg bereits durch das Ziel des
kommenden Tages laufen. Schon eine imposante Kulisse vor Eiger, Mönch
und Jungfrau. Ich war schwer beeindruckt!
Nachmittags dann rasch Abholen der Startunterlagen, alles supergut und
professionell organisiert. Später noch kurzes Zusammentreffen mit Heiko
aus Hamburg und gegen A-bend auch mit Bernie, der gerade vom UTMB zurück
war. Danach Klamotten sortieren und vorbereiten für den nächsten Morgen
(oh je – die große Frauenfrage: Was ziehe ich an?). Abends Pasta-Party
im WM-Zelt, eine wirklich sehr schöne Veranstaltung, kurzweilig und
unterhaltsam.
Und dann war er da, der 08.09.2007. Morgens um 6.15 Uhr hieß es
aufstehen und ein Blick aus dem Fenster genügte: Es sollte ein Traumtag
im Berner Oberland werden! Frühstück gab es ab 6.30 Uhr, genug Zeit, um
noch mal ordentlich Kalorien und Flüssigkeit zu fassen bzw.
Verdauungsvorgänge der Nacht zum Abschluss zu bringen.
Dann immer noch bzw. wieder die Kleiderfrage! Ich hatte mich eigentlich
für Tights entschieden, es waren jedoch jetzt um 8 Uhr schon rund 12
Grad im Schatten – Hilfe!!! Dann doch die ganz kurzen Hosen, ein Singlet
und drüber ein Shirt! Auf 2200 Meter kann es auch mal etwas windig
werden, schulterfrei wäre dann evtl. doch zu frisch. Dazu Flaschengurt,
einen Riegel und nicht zu vergessen natürlich mein Glücksschwein, das
wie-der an den Gurt kam und sich die einmalig schöne Landschaft
betrachten sollte.
Kurzer Weg über die Wiese zum Kasino von Interlaken, wo die
Kleiderbeutel auf diverse LKW verfrachtet und später nochmals auf die
Bahn umverladen wurden, die alles Gepäck hinauf ins Ziel auf 2100 Meter
Höhe transportierten, wo die Teilnehmer es wohlbehalten einige Stunden
später wieder in Empfang nehmen durften. |
Das Starterfeld |
Pünktlich um 9.00 Uhr erfolgte der Startschuss und das rund
4.700 Läuferinnen und Läufer starke Feld begann den 15. Jungfrau-Marathon bzw.
die 4. Langdistanz Berglauf Weltmeisterschaften mit einer Ehrenrunde durch
Interlaken. Schon hier viele, viele begeisterte Zuschauer an der Stecke. Ich war
erneut sehr beeindruckt.
Leider ärgerte mich in den letzten Wochen doch noch eine kleine Überbelastung am
rechten Unterschenkel, die mich von Beginn an am gänzlich schmerzfreien Lauf
hinderte und mich ständig zur Vorsicht mahnte.
Dennoch gingen die ersten zehn, wirklich flachen Kilometer recht gut und zügig
dahin. Die Sonne schien jedoch schon recht warm, so dass die mitgeführte
Trinkflasche gute Dienste erwies und ich an den ziemlich bevölkerten
Verpflegungsständen vorbeilaufen konnte. Nach km 11 dann die erste Steigung und:
Zum ersten Mal stand ich bei einem Marathon mitten auf der Strecke im Stau!!!
Eine vorübergehende Verengung des Weges führte zu diesem kurzen, unfreiwilligen
Stopp. Danach war jedoch recht schnell das freie Laufen im eigenen Tempo wieder
möglich. Bei km 14 war ein kleines Wiesenstück zu überwinden und der vom Regen
noch tiefe Boden zehrte erstmals an den Kräften.
Und immer wieder erinnerte ich mich selber daran: Hochschauen, Rausblicken,
Landschaft und Ortschaften in Dich aufnehmen – solche Bilder bekommt Du nicht
alle Tage bzw. bei keinem Stadtmarathon geboten!! Dazu Tausende begeisterter
Zuschauer, viele Musikgruppen und „Kuhglocken-Bimmler“ – phantastisch. |
Kuhglocken |
In Lauterbrunnen dann die Halbmarathonmarke, ich lief genau
in meinem Plan – auf die Minute exakt 1 Stunde und 58 Minuten. Auch hier wieder
eine grandiose Atmosphäre und exzellente Verpflegung.
Die nächsten Kilometer ließen mich und die vielen Mitläufer nochmals Luft holen,
es ging relativ eben, sogar leicht abschüssig, bevor bei ca. km 25 der
Berg-Marathon begann, seinen Namen zu rechtfertigen.
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Lauterbrunnen |
Plötzlich ging es hoch, und zwar steil, richtig steil
(jedenfalls für eine Flachländerin, die höchstens mal im Mittelgebirge unterwegs
ist und nirgendwo im Training einen Höhenunterschied von 400 Metern auf 2 km
findet). Also hieß es nun: Marschieren, aber stramm! Das konnte ich, mehr aber
auch nicht. Doch mit dieser Art der Fortbewegung konnte ich sogar einige Läufer
in der sogenannten Wengener Wand überholen.
Serpentine und Serpentine schraubte sich das Feld höher und höher, zunächst im
Wald, später auch auf freier Wiesenfläche, wo die Sonne gnadenlos ihr Spiel und
den Schweiß auf die Häupter der Sportler trieb!
Endlich, bei km 30, war die erste Bewährungsprobe geschafft, Wengen war erreicht
und ein tolles Publikum bereitete den sich mühenden Athleten einen würdigen
Empfang! Nochmals konnte ich mich zum Laufen und Lächeln aufraffen, die Beine
schmerzten schon ziemlich, aber der Wille war ungebrochen. Mir ging es ja „nur“
um das Ankommen und um das Genießen (so gut wie unter den gegebenen
Anstrengungen eben möglich....).
Inzwischen war auch ich begeisterte Besucherin der reichlich gedeckten
Verpflegungstische, wobei ich die flüssige Nahrung in Form von Wasser und Cola
den festen Kalorien-trägern den Vorzug gab. Rasch entweder die Flasche
nachgefüllt oder nur ein, zwei Becher geschnappt und weiter. So ganz unengagiert
wollte ich nun doch nicht sein, immerhin war ich nicht zum Schlemmen und
Schoppenpetzen hier angetreten.
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Am Beginn der Wengener Wand |
Aber die Beine wurden schwerer bzw. lahmer, der Rücken
fing an zu jammern und auch im Unterleib zwickte und zwackte es so, dass
selbst auf den seltenen flachen Stücken kaum noch ein längeres Laufen
möglich war. Wie gut, dass ich auf meine Marschier-Qualitäten bauen und
vertrauen kann. So ging es eben im Sturmschritt weiter, mit nur kurzen
Aufenthalten an den Versorgungsstationen, viel langsamer als mancher
Läufer war ich somit auch nicht. Und trotz aller Anstrengung und
diverser Wehwehchen staunte ich immer wieder über die einzigartigen
Ausblicke auf die Gletscherwelt, die bereits vom ersten neuen Schnee des
heranziehenden Herbstes geziert war. Was für ein Panorama, einmalig
schön! |
Blick aufs Jungfrau Massiv |
Bei km 38 dann die Liftstation „Wixi“, über die ich in
diversen Berichten schon gelesen hatte. Hier gab es nochmals Cola und dann ging
es los bzw. nix ging mehr: Stau vor der Moräne! Auch darüber hatte ich gelesen
und war somit mental darauf vorbereitet, dass hier mühsam erlaufene, manchmal
sicherlich auch erkämpfte Minuten (nicht nur Sekunden!) wieder verloren gehen
würden. Dennoch irgendwo blöd und ärgerlich......
Der Weg wurde einfach zu eng, wo vorher drei oder vier Läufer nebeneinander
passten, war nun plötzlich nur noch Platz für Einen. Meine Versuche, mal hier
und mal da vorbeizuhuschen, waren einerseits kraftraubend, aber auch von
unwirschen (berechtigten) Kommentaren begleitet. Also fügte ich mich in das
Schicksal meiner Mitstreiter und betrachtete mir die Landschaft, schnappte von
der zusehends dünner werdenden Luft und trank genüsslich aus meiner Flasche.
Nach Überschreiten der Baumgrenze dann der freie Blick auf die Moräne! Wie an
einer Perlenschnur reihten sich die Läuferinnen und Läufer als bunte Kette
aneinander soweit das Auge reichte. Was für ein Ausblick! Und das alles vor dem
Panorama des gewaltigen Jungfrau-Massivs.
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Der große Stau am Eingang zur unteren Moräne |
Jetzt hieß es wirklich Beißen und Kämpfen, die Beine wollten
eigentlich nirgendwo mehr hin, die Kehle war trocken, der Rücken kurz vorm
durchbrechen. Nur der Kopf sagte: Auf, los, weiter – ist nicht mehr weit! Na ja,
dafür geht es aber eben erneut richtig hoch, nochmals runde 400 Höhenmeter
wollten auf den kommenden zwei Kilometern überwunden werden.
Augen zu und durch!? Von wegen, die Augen liefen immer noch mit und wurden
abgelenkt durch Fahnenschwenker auf 2000 Meter Höhe! Und auch die Ohren wurden
verwöhnt: Zunächst durch eine Gruppe von Alphornbläsern, die sich auf einer
kleinen Fläche neben der Moräne ein nettes Plätzchen ausgesucht hatte und etwas
weiter oben natürlich von Roman, dem legendären Dudelsackspieler, der die Helden
des Tages am höchsten Punkt der Strecke auf 2300 Meter mit lieblichen Weisen
empfing.
Dort war das Ziel so gut wie erreicht, noch einmal einen guten Kilometer Laufen,
nicht richtig schön und rund, aber immerhin! Über einen Felsblock (auf dem sogar
lecker Schweizer Schokolade drapiert war) halfen viele zupackende Hände und dann
war es tatsächlich geschafft: Homerun!
Das Ziel war schon zu sehen, die Zuschauer standen Spalier und machten mit
Kuhglocken und Ratschen einen Mordskrach! Jetzt wurde für heute zum letzten Mal
alles gegeben, das Shirt gerade gezogen, die Startnummer ordentlich
zurechtgezupft, der Schweiß aus dem Gesicht gewischt und natürlich ein Lächeln
aufgesetzt – ab ging es! |
Grandiose Kulisse auf der oberen Moräne |
Noch 300 Meter, die Massen standen dicht an dicht, das
Spalier war eng und wurde enger, nur noch zwei Läufer konnten nebeneinander
rennen, noch 200 Meter, kaum Platz. Noch 100 Meter und dann war wieder freier
Lauf möglich, die Fans waren sicher hinter Absperrungen verbannt, den
Läuferinnen und Läufern alleine gehörte der Einlauf durch das Zieltor.
Jubelnd riss ich die Arme nach oben und lief mit einem dicken und erlösten
Lachen über die Ziellinie. Mein erster Berg-Marathon war hiermit Geschichte
(sogar gute zwei Minuten unter meiner Planzeit).
Alle Anstrengung, alle Schmerzen waren erst mal vergessen, nur Glück, Stolz und
Zufriedenheit waren in mir. Geschafft, mal wieder, auch wenn es nicht leicht war
und mich sicherlich noch längere Zeit „ein Andenken“ in Form von Beschwerden
begleiten würde.
Mit Finisher-Medaille um den Hals ließ ich mich von einem netten Mitläufer
fotografieren, dann ging es doch leicht holzbeinig Richtung Chip-Abgabe
(kostenloser Leihchip) und zum Abholen des Finisher-Shirts (passte sogar!). Die
Kleiderbeutelausgabe verlief unkompliziert und reibungslos, das heiße und
ausgiebige Duschen wollte ich später in Ruhe in meiner Unterkunft nachholen. |
Monika im Ziel
(Bild von Monika Fischer) |
Nach dem Anziehen trockener Klamotten zog es mich raus,
wieder an die Luft, in die Sonne. Ich wollte noch etwas die Atmosphäre
und das Panorama genießen. Mit einem (mitgebrachten) Weizenbier und
einem leckeren Snickers zur Belohnung saß ich da und saugte alles in
mich auf: Berge, Sonne, verschwitze Läufer, Stimmengewirr. Und war
einfach glücklich und dankbar. Rasch natürlich auch ein paar SMS an
meine Liebsten daheim: Finisher in 5:12:44.
Eine Stunde später ging es per Bahn (hatte sogar einen Sitzplatz
ergattert) wieder Richtung Interlaken, wo ich nach einer herrlichen
Dusche den Abend mit Heiko und zwei weiteren Finishern gemütlich
ausklingen ließ. Sogar die Finisher-Urkunden konnten wir uns noch im
WM-Festzelt abholen. Auch dies ein toller Service, wie überhaupt die
ganze Organisation sehr, sehr gut war. Von hier aus daher ein großes Lob
und Danke an die vielen Menschen, die diese einmalige Veranstaltung
ermöglicht und ihre Freizeit für uns geopfert haben. Jedoch meine
Mahnung: Nicht noch mehr Läufer/innen auf die herrliche Strecke lassen,
Qualität vor Quantität – das sollte die Basis des Jungfrau-Marathons
bleiben.
Am Sonntagmorgen nochmals gemütliches Frühstück und kurze Verabschiedung
von Heiko. Dann zockelte ich mit einem nicht sehr eleganten Gangbild,
den Trolley im Schlepp, wieder Richtung Bahnhof, wo ich gegen 10 Uhr
bereits im Zug gen Heimat saß. |
Fazit:
Der 15. Jungfrau-Marathon (und die 4. Langdistanz
Berglauf Weltmeisterschaften) waren ein wirkliches Highlight in meiner
an großartigen Veranstaltungen und Erlebnissen inzwischen auch nicht
mehr ganz armen „Laufbahn“ als Sportlerin. Eine solche Kulisse erlebt
man nun wirklich nicht alle Tage und das Finishen auf einem so
anspruchsvollen Kurs ist Lohn von ordentlichem Training, einer Portion
Ehrgeiz, viel Freude an der Natur, Spaß an den Bergen und deren
Bewältigung sowie einem ordentlichen Anteil Glück!
CiaoCiao Rennmaus4444 (jetzt: Berg-Rennmaus) |
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