Die Streckenmarkierung beim Eiger Ultra Trail ist nicht nur gut sondern
überragend gut. Sprühkreidemarkierungen in sehr geringen Abständen, wo nötig
auch Schilder mit Pfeilen, manchmal zusätzlich auch Flatterband oder sogar
Absperrbänder - wer hier irgendwo doch in die falsche Richtung läuft, der hat
einfach nicht aufgepasst. Aber eigentlich kann man bei dieser tollen Leistung
der Markierungsteams wirklich nichts falsch machen. Das einzige was ich vermisse
sind Kilometerangaben. Auf Ultratrails muss nicht alle 5 Kilometer ein Schild
kommen, aber alle ein bis zwei Stunden wäre ein Hinweis darauf, wie weit es noch
zur nächsten Verpflegung bzw. zum nächsten Zeitlimit ist, ganz nett. Da dies
anschließend auch von anderen Läufern gewünscht wird verspricht der Veranstalter
in der folgenden Woche, dies nächstes Jahr zu machen.
Die einzige Stelle, wo ich falsch abbiege, ist zwar unübersehbar markiert, aber
da ich aufgrund des Streckenplanes auf der Homepage weiß, dass wir am Bahnhof
Schynige Platte vorbei müssen, zweige ich kurz vorher in die betreffende
Richtung ab. Ein japanischer Tourist weist mich mit Handzeichen darauf hin, dass
die anderen Läufer in eine andere Richtung liefen, und ich wohl auch dort hin
muss.
Die Schynige Platte ist neben dem Jungfraujoch in dieser Gegend das beliebteste
Ziel der internationalen Touristen. Die Fahrt mit der Zahnradbahn hier herauf
ist reizvoll, und der Bahnhof ist der schönste Aussichtspunkt, den man in der
Region ohne eine Wanderung erreichen kann. Entsprechend laufen hier auch immer
sehr viele Japaner herum.
Offensichtlich wurde die Streckenführung hier kurzfristig geändert, denn im
Gegensatz zur Online-Karte erreichen wir die einige hundert Meter abseits vom
Bahnhof liegende Verpflegungsstelle auf einer etwas anderen Route.
Hier bin ich froh, endlich wieder sehr viel trinken zu können. Der hohe
Wasserverbrauch führt inzwischen bei mir aber auch zu Salzmangel, so dass ich
froh bin, hier mit einem salzhaltigen Gel ausgleichen zu können. Dazu esse ich
Obst und Riegel. Planung: hier mit zwei Stunden Zeitreserve den Abstieg
beginnen, damit ich mir heute Abend beim Männlichen-Aufstieg Zeit lassen kann,
Realität: Nur 30 Minuten zum Cut Off.
Für kurze Zeit hebt sich die Wolkendecke und ich sehe einige Gipfel hinter dem
Tal von Lauterbrunnen.
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Nächster Irrtum in der Planung: Bergauf marschieren, bergab schnell laufen. Ich
wollte mich beim Abstieg zum mehr als 1000 m tiefer liegenden Burglauenen vor
den Anstrengungen des nächsten Aufstieges erholen und meine Zeitreserve noch
erweitern. Doch auch hier sind einige Abschnitte einfach zu steil für mich, um
sie noch laufen zu können bzw. wollen. Manchmal laufe ich auf schmalen Trails,
dazwischen ab und zu auch auf breiten Fahrwegen. Ein wirklich sehr giftiger
Zwischenaufstieg, der vermutlich nicht mehr als hundert Höhenmeter ausmacht,
raubt mir in der Hitze weitere Energie. Meine Hoffnung, unten einen großen
Vorsprung vor dem Cut Off zu haben, schmilzt. |
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Immer mehr Gewitterwolken am ziehen am Himmel auf, doch über mir scheint immer
noch die Sonne. |
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Kurz bevor ich Burglauenen erreiche, beginnt ein ganz leichter Regen. Es ist
nicht genug, um noch nasser zu werden als ich es in den durchschwitzen Klamotten
ohnehin bin.
Als ich um 17:15 unten ankomme, habe ich nun immerhin 75 Minuten Reserve zum
Zeitlimit. Hier ist die größte Verpflegungsstelle der Strecke. Wer wollte, der
konnte hier Dropbags deponieren lassen. Zusätzlich zur normalen Verpflegung gibt
es hier auch Pasta, doch obwohl ich mir den Teller davon voll laden lasse, kann
ich nicht allzu viel davon essen. Bouillon, Obst, Riegel, Gel, viel mehr will
mein Magen nicht mehr. Und Cola, viel Cola!
Hier trennen sich die Wege zwischen uns und den 51ern, die nun schon bald das
Ziel erreichen werden, während auf uns noch eine lange Nacht wartet. Ich treffe
einige 101er, die sich inzwischen nicht mehr zutrauen, noch so viele Auf- und
Abstiege bewältigen zu können und nun aus dem Rennen aussteigen.
Beim Abmarsch komme ich an der ärztlichen Kontrolle vorbei. „Wie geht es?“
„Gut.“ „Dann viel Erfolg!“
Bei mir wirken die drei Becher Cola und die restliche Verpflegung mal wieder
Wunder. Ich fühle mich wieder prächtig. Aber das kenne ich bereits von vielen
anderen Ultramarathons, dass es mir auf der zweiten Streckenhälfte oft geht als
während der ersten Stunden.
Ideal für meine Motivation sind auch die nächsten Kilometer. Eigentlich laufe
ich überhaupt nicht gerne auf Asphalt, aber nun geht es gerade mit genau der für
mich idealen Steigung konstant bergauf, so dass ich hier recht energiesparend
Höhe gewinne. Die Straße geht in einen ebenso kraftsparenden Forstweg über. Erst
nach etwa einer halben Stunde steige ich wieder Trails hinauf. Mir geht es nun
wirklich wieder prima. Nur der Blick zum Himmel gefällt mir nicht.
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Etwa fünf Minuten bevor unten in Burglauenen die Cut Off Zeit erreicht wird,
dröhnt zum ersten Mal Donner durch das Tal. Wer jetzt noch dort unten ist, der
weiß, dass er sich den Aufstieg sparen kann.
Bald beginnt leichter Regen, noch nicht genug, dass ich eine Jacke brauche. Doch
plötzlich schüttet es aus allen Kübeln. Auch die Läufer vor und hinter mir
bleiben nun stehen und ziehen sich ihre Regenjacken an. Doch bei dieser Sintflut
genügt das nicht, um sich zu schützen. Kurz darauf erreichen wir eine kleine,
unbewirtschaftete Almhütte, wo bereits einige andere Läufer auf der Bank unter
dem schützenden Vordach sitzen. Schnell wächst unsere kleine Gruppe auf mehr als
zehn Personen. |
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So schnell kann sich das Wettkampfgeschehen ändern – eben noch mit großen
Abständen unterwegs, nun gemeinsam an einem Fleck sitzend! Doch mir ist so etwas
egal. Ich nutze die Gelegenheit, einiges von meinem Proviant zu essen. Das
Gewitter wird immer stärker.
Ich friere beim Sitzen in nassen Klamotten, doch jetzt die warmen Sachen aus dem
Rucksack zu holen wäre Unsinn, denn dann hätte ich in der Nacht nichts mehr
Trockenes zum anziehen.
Kurz darauf kommen zwei Streckenposten den Berg herunter gelaufen und sind
sichtlich erleichtert darüber, dass sie uns nicht überreden müssen, wegen dem
Gewitter den Lauf für eine Weile zu unterbrechen. Dem einzigen Läufer, der
trotzdem weiter laufen will, verordnen sie eine Zwangspause. Über Funk halten
sie Kontakt zur Rennleitung und zur nächsten VP in Wengen.
Kurz darauf erfahren wir dann die wenig überraschende Nachricht: Von Wengen
werden wir mit der Gondelbahn nach Männlichen hinauf gebracht, da im oberen Teil
dieser Aufstiegsstrecke die Blitzgefahr zwischen den Lawinenschutzwänden zu hoch
ist. Außerdem wird ein Teil der nächtlichen Strecke sicherheitshalber verkürzt.
Nach etwa 15 Minuten Pause hört das Gewitter bereits auf, der Regen lässt nach
und wir dürfen weiter. Beim anfangs steilen Aufstieg wird mir schnell wieder
warm. |
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Bei der Spätenalp erreichen wir den höchsten Punkt dieses etwa 650 m hohen
Aufstieges. Von hier bis Wengen führt die Route nun wieder fast 300 Höhenmeter
bergab, dieses Mal meist auf einer Route, die man schnell laufen kann.
Inzwischen regnet es nicht mehr, und die Berggipfel oberhalb des
Lauterbrunnentals sowie der Blick hinab nach Lauterbrunnen bieten schöne
Fotomotive.
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Um 20:15 erreiche ich gemeinsam mit einigen anderen Läufern Wengen, trotz der
Pause also noch mit 45 Minuten Abstand zum Cut Off. Aber nach der
Streckenverkürzung wird das Zeitlimit wohl heute für niemanden mehr eine Rolle
spielen.
Als wir die VP in Wengen erreichen, werden dort unsere Startnummern notiert und
wir steigen in eine Gondel der Männlichen-Bahn ein. Dort warten bereits viele
andere Läufer auf den Transport.
Wie ich später erfuhr betrifft die Streckenverkürzung etwa zwei Drittel der E101
Teilnehmer - die einen mehr, die anderen weniger, je nachdem wie weit sie schon
gekommen waren. Wohl am härtesten trifft das Gewitter die Leute, die schon den
größten Teil der 1000 Höhenmeter nach Männlichen aufgestiegen waren, aber kurz
vor dem Gipfel umkehren und wieder den ganzen hinab nach Wengen marschieren
mussten, wo sie dann mit anderen, die gerade mit zwei, drei Stunden Rückstand
direkt in Wengen ankamen, gemeinsam mit der Gondel hinauf fahren.
Die Ergebnisliste ist daher trotz diverser „Zeitgutschriften“ nur im oberen
Bereich aussagekräftig. Die meisten Platzierungen entsprechen mehr dem Zufall
statt der tatsächlichen Stärke der Finisher. Dennoch finde ich die Entscheidung
der Rennleitung richtig, denn Sicherheit hat bei Gewitter absolut Vorrang.
Oben im Männlichen-Restaurant essen wir etwas und ziehen die warmen, trockenen
Klamotten für die Nacht an. Nun hat es keiner mehr eilig, gleich wieder
loszulaufen.
Für mich bringt die Streckenkürzung einen großen Vorteil: normalerweise wäre ich
hier erst in stockdunkler Nacht herauf gekommen. Nun kann ich schon um 21 Uhr
noch bei Tageslicht die herrliche Aussicht genießen. Doch es kommt sogar noch
besser: Als ich nach viel Herumtrödeln endlich das Restaurant verlasse, färbt
sich der Himmel in Richtung Brienzer See rot. Die Lichtstimmung gefällt mir.
Dann laufe ich los. Eiger und Mönch schimmern im Licht des Sonnenuntergangs
rosa. Herrlich! Dann explodiert ein Stück Himmel in Richtung Westen scheinbar in
einer Farborgie. Ohne den Zwangstransport mit der Gondel hätte ich dieses
Schauspiel verpasst. |
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Der Weg zwischen Männlichen und Kleine Scheidegg ist schnell und bequem. In der
einbrechenden Dunkelheit fotografiere ich den Blick hinab nach Grindelwald sowie
nach vorne zu den hohen Gipfeln.
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Eigentlich hätten wir kurz vor der Kleinen Scheidegg rechts hinauf zum
Lauberhorngrat abbiegen sollen, danach hinab zur Wengeneralp und von dort
entlang der Bahnstrecke hinauf zur Kleinen Scheidegg. Stattdessen laufen wir nun
direkt zur Kleinen Scheidegg. Die nächtliche Stimmung an diesem touristischen
Highlight, das ich bisher nur als lauten Rummelplatz des Massentourismus und als
Ziel des Jungfrau-Marathon kenne, gefällt mir ausgesprochen gut. In dem großen
„Tipi“ steckt die nächste Verpflegungsstelle. |
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Laut Plan wären wir nun hinab zur Eigermoräne gelaufen, dann über den oberen
Teil der Moräne hinauf zur Station Eigergletscher gestiegen und von dort auf dem
berühmten Eigertrail hinab nach Alpiglen gelaufen. Stattdessen müssen wir nun
auf dem nicht besonders attraktiven, kürzesten Weg nach Alpiglen absteigen.
Insgesamt beträgt der Abstieg bis Grindelwald nun mehr als 1000 Höhenmeter, die
es meist recht rasant bergab geht, leider manchmal auf unangenehmem Schotter,
zuletzt auch auf steilem Asphalt. Unter mir sehe ich die Lichter von
Grindelwald, über mir die oft wolkenfreie Eiger-Nordwand.
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Ein klein wenig oberhalb von Grindelwald endet dieser Abstieg. Nun geht es
wieder bergauf, dann auf einem Trail durch den Wald in häufigem Wechsel mal
mehr, mal weniger steil auf und ab. Die Orientierung bei Nacht ist auf der Eiger
Ultra Trail Strecke so einfach wie ich es bisher noch bei keiner anderen
Veranstaltung erlebt habe. Zusätzlich zu den Kreidemarkierungen und den
Flatterbändern hängen in recht dichtem Abstand Ampullen mit einer leuchtenden
Flüssigkeit am Wegesrand. Diese sieht man schon aus mehreren hundert Metern
Entfernung, ist also im Gegensatz zu den Markierungen anderer Nachtläufe nicht
darauf angewiesen, dass sie den Strahl der Stirnlampen reflektieren. Für den
improvisierten „Notabstieg“ von Kleine Scheidegg nach Alpiglen gilt das zwar
nicht, aber auch dort kann man sich nicht verlaufen.
Auf einer Brücke überqueren wir die sehr schmale und tiefe Gletscherschlucht.
Der Lichtstrahl meiner Stirnlampe reicht nicht aus, um den Grund der Schlucht zu
sehen.
Nun folgt der letzte Aufstieg über etwa 300 anstrengende Höhenmeter. Während
meines Abstiegs von der Kleinen Scheidegg nach Grindelwald sah ich die Lichter
anderer Läufer meist nur in großem Abstand vor und hinter mir, nun wird das
Läuferfeld wieder überraschend dicht. Obwohl ich mental zu diesem Zeitpunkt in
einem kleinen Motivationsloch stecke und eigentlich gar keine Lust habe, nochmal
den Berg hinauf steigen zu müssen, überhole ich in diesem Abschnitt sogar wieder
einige. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich mich an dieser Stelle gefühlt
hätte, wenn ich ohne die Streckenverkürzung erst einige Stunden und viele
Höhenmeter später hier angekommen wäre. Nun spüre ich den Trainingsmangel der
letzten Wochen deutlich. Aber normalerweise würde ich hier bei Tageslicht
aufsteigen, hätte unterwegs den Sonnenaufgang genießen können und könnte den
Aufstieg zum Pfingstegg bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein genießen.
Und die Freude, bald das Rennen mit meinen bisher meisten Höhenmetern geschafft
zu haben, hätte mir mehr Auftrieb gegeben als das „wozu jetzt noch dort hoch?“,
das ich nun kurz nach Mitternacht empfinde.
Am der VP beim Pfingstegg halte ich mich nur sehr kurz auf. Noch sechs Kilometer
bis zum Ziel – die will ich nun so schnell wie ich noch kann laufen. Technisch
ist der Abstieg nach Grindelwald leicht. Mal Schotterweg, mal bequemer Boden,
mal Asphalt, mal etwas steiler, dann wieder zum Tempomachen, falls man noch
Kraft hat. Jetzt fühle ich mich wieder besser. Als ich unten ankomme, glaube
ich, nun gleich das Ziel zu erreichen, aber noch muss ich auf recht ebener
Asphaltstrecke unterhalb am Ort vorbei laufen, danach noch einmal (um diese
Uhrzeit) kraftraubend etwa 70 Höhenmeter bis zum Ortszentrum hinauf. Die letzten
Meter zum Ziel führen dann wieder abwärts. Um 1:30 habe ich es geschafft. Im
Zielbereich ist im Gegensatz zu manch anderen Trails wenig los, wie ich später
erfahre liegt das an Lärmschutzauflagen. Kann ich verstehen! Der Ort lebt
ausschließlich von Touristen, und die wollen nachts schlafen.
Für die gekürzten etwa 11-13 km und ca. 1750 m Auf- und 750 m Abstieg hätte ich
nun noch 7,5 Stunden bis zum Zielschluss gehabt, dies hätte rein rechnerisch für
mich also gut geklappt. Ob mir dieses Mal aber dann die Kraft für den letzen
Aufstieg noch gereicht hätte, das weiß ich nicht.
Die kurze Strecke bis zum Hotel lege ich in Zeitlupe zurück. Meine Beine wollen
Feierabend.
Zu meiner unfassbar großen Überraschung habe ich weder am nächsten Morgen noch
am Tag darauf nennenswert Muskelkater. Die nächsten Ultratrails können also
kommen!
Der Eiger Ultra Trail gehört ganz klar in die Sammlung jedes Ultratrail-Läufers
dazu. Diese wunderschöne Strecke MUSS sein! Und im Gegensatz zu manch anderen
Veranstaltungen, wo nur die Langdistanzler die Höhepunkte der Route erreichen,
läuft man auch beim E51 die schönsten Abschnitte der Strecke. Außerdem bietet
der E16 für Angehörige oder Freunde, denen ein Ultra zu lang ist, eine wirklich
reizvolle Alternative.
Hier ist mein Film zu diesem wunderschönen
LaufUnd hier geht's zur Homepage des
Veranstalters
Da wir wegen der Streckenkürzung nicht auf der Eigermoräne (oberhalb des
Jungfrau-Marathon Aufstiegs) und auf dem Eigertrail laufen konnten, zeige ich
hier noch zwei Bilder, wie es dort tagsüber aussieht: |
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Und zum Schluss wie versprochen die Blumenfotos entlang der Strecke bei Schynige
Platte: |
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