20. - 21.07.2013 Eiger Ultra Trail -
Bericht von Günter KromerMehrere hundert Menschen laufen schon vor Sonnenaufgang mit Stöcken durch die
Gegend. Nein, das ist keine Massenflucht aus dem Altersheim oder das Sommerfest
der Nordic-Walking-Gruppe, das ist der typische Anblick bei einem großen alpinen
Ultratrail.
In dem Augenblick, als ich letzten Herbst zum ersten Mal von der für Sommer 2013
geplanten Premiere erfuhr, rutschte der Lauf sofort auf Platz 1 meiner
Wunschliste. Eigentlich wäre ich auch sehr gerne im Juli 2013 ins Pitztal
gefahren, aber das passte terminlich nicht, und die Wege rund um Grindelwald im
Berner Oberland kenne und liebe ich seit meiner Kindheit. Schon seit ich Ultras
laufe sage ich, dass man dort unbedingt als Alternative zum Jungfrau-Marathon
drüben auf der Traumstrecke zwischen First und Schynige Platte einen Trailrun
organisieren müsste.
Nun gibt es sogar noch eine viel größere, anspruchsvolle Strecke, und die gute
Idee wurde mit frühzeitigem Erreichen der Teilnehmerlimits von je 400 Startern
auf den 101 km mit knapp 6700 Höhenmetern (3 UTMB-Punkte) und den 51 km mit 3500
Höhenmetern (1 UTMB-Punkt) belohnt. Zuletzt war auch die 16 km Distanz
ausgebucht, die keine Bambini-Strecke sondern ebenfalls ein nicht zu leichter
Berglauf ist.
Nur der viele Schnee in den Alpen, der in diesem Sommer einfach nicht schmelzen
wollte und bei vielen Laufveranstaltungen zu teilweise drastischen
Streckenkürzungen oder -änderungen führte, hielt die Spannung, ob wir überhaupt
auf das Faulhorn laufen dürfen, bis Anfang Juli offen.
Am Abend vor dem Start treffe ich wie erwartet bei der Pasta-Party viele
Ultratrailer, die ich von anderen Läufen kenne. Diese Begegnungen mit
Lauffreunden sind für mich inzwischen fast ebenso schön und wichtig wie der Lauf
selbst. Von der kostenlosen Portion Pasta wird man hier wie bei den meisten
Veranstaltungen nicht einmal halbwegs satt, aber die vielen netten und meist
lustigen Gespräche trösten über den Hunger hinweg. Über das Zeitlimit an den
einzelnen Cut-Off-Stellen höre ich unterschiedliche Meinungen. Ich hatte seit
Monaten diesen Ultratrail als eher entspannten Wettkampf betrachtet, da ich mir
ausrechne, dass hier das Zeitlimit für mich problemlos reichen müsste. Bergauf
marschieren, bergab schnell laufen, so hieß meine Planung, mit der ich aber wie
sich später heraus stellt falsch lang. Andere Läufer dagegen sehen die Cut Off
Zeiten an einigen Streckenabschnitten von Anfang an mit Sorge.
An diesem schönen Abend wirkt sich ein kurzer Regenschauer sogar positiv aus,
weil die auf Bänken sitzenden oder an Stehtischen versammelten Grüppchen nun in
der Halle gut durchmischt werden und man dadurch noch mehr Freunden über den Weg
läuft. |
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Bei der Startnummernausgabe wird bei jedem einzelnen Teilnehmer die
Vollständigkeit der sehr umfangreichen Pflichtausrüstung genau kontrolliert. Zur
Ausrüstung zählen u.a. zwei (!!!) Lampen und Ersatzbatterien, warme
Wechselkleidung und Sonnenbrille. Da ich wohl seit 20 Jahren keine Sonnenbrille
mehr auf der Nase hatte, war ich froh, daheim in einer Schublade noch ein
uraltes Exemplar zu finden, das ich bei der Veranstaltung zwar nicht aufsetzen
würde, aber für Kontrollen zumindest in den Rucksack stecken kann. Zwei Lampen
finde ich dagegen sinnvoll. Wenn eine z.B. bei einem Sturz kaputt geht, dann
kann der Abstieg in dunkler Nacht gefährlich werden. Außerdem habe ich selbst
schon die Erfahrung gemacht, dass Batteriewechsel im Dunkeln problematisch ist.
Morgens ab 3:15 Uhr gibt es in dem Hotel in dem ich übernachte, dem zu Fuß nur
etwa zehn Minuten vom Start entfernten Hotel Lauberhorn, ein Frühstücksbuffet
mit reichhaltiger Auswahl. Für mich ist um diese Uhrzeit aber das Wichtigste
viel Kaffee, und auch davon gibt es mehr als genug.
Auf dem Weg zum Startgelände sehe ich um halb fünf schon die Silhouetten von
Eiger und Wetterhorn in der Dunkelheit. Über mir stehen einige Sterne am Himmel.
Im Startbereich begrüße ich wieder viele Lauffreunde. Einer hat die Idee zu
„Vorher/Nachher-Fotos“. Hier sind meine beiden: |
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Pünktlich um 5 Uhr geht es los. Um diese Zeit ist es zwar noch dunkel, aber
gerade hell genug, um ohne Stirnlampen zu laufen. Die erste paar hundert Meter
führen noch auf Straßen aus dem Ort hinaus, dann umgibt uns die Natur. Fast alle
Läufer im hinteren Teil des Feldes tragen Stöcke, auch ich.
Eigentlich führt der erste Streckenabschnitt von Grindelwald direkt hinauf zur
Großen Scheidegg, aber überraschend laufen wir anfangs zwischendurch ab und zu
ein kurzes Stück auch bergab.
Ich versuche immer wieder, die Dämmerungsstimmung zu fotografieren oder zu
filmen, aber wie ich später zuhause sehe, kommt nichts Brauchbares dabei heraus.
Aber durch das häufige Stehenbleiben finde ich mich wie oft in diesen
Situationen schnell als vorletzter Läufer des Feldes. Doch der Rückstand wird
schnell aufgehoben, denn wie schon beim Briefing angekündigt sorgt eine schmale
Brücke etwa bei km 1,7 für einen kleinen Rückstau. Schon hängt das Feld wieder
dicht beieinander, aber dies ist wirklich die einzige Engstelle am heutigen Tag.
Insgesamt könnte die Strecke sicher auch mehr Läufer fassen.
Vor uns ragt das Wetterhorn wie ein massiver Klotz in die Höhe, hinter uns färbt
sich zuerst die Spitze der Eiger-Nordwand rosa, dann schimmert immer mehr des
Berges und der Gletscher farbig. Wieder bleibe ich ständig stehen, um die
Veränderung der Farbe zu fotografieren.
Meist laufen wir auf Trails, die zu schmal zum überholen sind. Aber so früh am
Morgen hat es ohnehin niemand eilig. Nur zwischendurch folgen wir für kurze Zeit
der Straße.
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Obwohl ich immer noch ganz weit hinten im Läuferfeld marschiere, erreiche ich 40
Minuten vor dem Zeitlimit die Verpflegungsstelle an der Großen Scheidegg. Hier
schütte ich gleich zwei Becher Wasser in mich hinein und stopfe Proviant in den
Mund, als hätte ich vor vier Stunden nicht so üppig gefrühstückt.
Auf der anderen Seite des Passes liegt die Landschaft unter einer Dunstschicht.
Die Gegenlicht-Stimmung fasziniert mich.
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Nach den ersten zwei Stunden im Schatten laufen wir nun in der Sonne, und schon
nach wenigen Metern bleibe ich stehen und ziehe mein langärmliges Shirt aus. Nun
eilen wir oberhalb der Waldgrenze auf meist schnell laufbaren Wegen durch eine
sommerlich grüne Almlandschaft mit einem unglaublich schönen Panorama. Vor uns
liegt die Eiger Nordwand, daneben sehen wir u.a. das Schreckhorn und das
Wetterhorn. Oben Fels und Gletscher, neben uns Wiesen und Kühe.
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Immer wieder treffe ich auch unterwegs Lauffreunde, so wie hier Günther Bruhn,
mit dem ich gestern Abend so viel Spaß hatte. Beim Erzählen vieler lustiger
Trail-Erlebnisse hatten wir sehr viel gelacht. |
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Der Streckenabschnitt zwischen Große Scheidegg und First ist der mit weitem
Abstand leichteste des Eiger Ultra Trail. Auf breiten, nicht steilen Wegen kann
man schnell laufen. Da ich diesen Weg seit Jahren kenne, ist er mit dafür
verantwortlich, dass ich den Eiger Ultra Trail während der letzten Monate
unterschätzte.
Die Begeisterung über die großartige Landschaft überwältigt mich. Was haben wir
für ein Glück, bei so schönem Wetter die Aussicht genießen zu dürfen!
An der Bergstation der First-Gondelbahn wird die Strecke geteilt. Wir 101 km
Läufer dürfen nun bis zur Mittelstation Bort absteigen und auf einem anderen Weg
wieder hier herauf, während die zwei Stunden nach uns startenden 51er hier
gleich geradeaus auf die dann wieder gemeinsame Strecke dürfen. An der
Verpflegungsstelle wundere ich mich, dass ich ein Stück entfernt einen Läufer
bergauf rennen sehe. Wir 101er müssen doch hier zuerst abwärts, und die 51er
sind noch lange nicht hier oben. Dann begreife ich, dass dies einer der
schnellsten 101er sein muss, der bereits die komplette Schleife nach Bort und
zurück geschafft hat. Unglaublich! |
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Den Abstieg hinab nach Bort kenne ich nur vom Winter, und damals war ich ihn auf
nicht allzu steilem Weg mit dem Schlitten hinab gerodelt. Daher erwartete ich
nun einen entspannten Lauf bergab, ideal zum Kraft sparen für die restlichen 24
oder mehr Stunden. Doch wir folgen nun meist nicht der winterlichen Rodelbahn
sondern steigen manchmal nicht gerade knieschonend steil hinab. Ab und zu gibt
es auch bequeme Abschnitte, danach muss ich wieder vom Laufen zum Gehen
wechseln. Die 600 Höhenmeter hinab nach Bort bremsen mich stärker aus als ich es
erwartet hatte. |
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Kurz bevor ich den tiefsten Punkt dieser Schleife erreiche, sehe ich am Hang
gegenüber die dichte Kette der Läufer mit einer Stunde Vorsprung den Berg hinauf
stapfen.
Unten bei Bort ist ein schöner Alpen-Spielplatz. Ich kenne ein paar Läufer, die
sich hier den Spaß erlaubt und kurz den Weg verlassen hätten, doch mich zieht es
schnell weiter. |
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Der nächste Aufstieg führt unter anderem durch ein schönes Waldstück. Oberhalb
der Baumgrenze lenkt mich wieder die großartige Aussicht von den Mühen des
Aufstieges ab. Nur fünf Stunden nach dem Start darf das Wort „Anstrengend“
eigentlich nicht in meinem Bewusstsein vorkommen! |
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Oben am First treffen wir 101er und die 51er nun zusammen. An der großen
Verpflegungsstelle stehen um diese Zeit fast nur noch die Halbdistanzler, wir
Langstreckler sind in der Minderheit. Fast alle 101er befinden sich längst auf
dem Weg zum Faulhorn. |
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Der Weg vom First zum Bachalpsee zählt zu den beliebtesten Wanderungen im Berner
Oberland. Hier spazieren auch regelmäßig japanische Reisegruppen, so auch heute.
Für konditionsstarke Wanderer zählt außerdem die lange Tour von First über
Faulhorn zur Schynige Platte zu den Lieblingsstrecken. Wir treffen nun sehr
viele Wanderer, aber der Weg ist breit genug für alle. Auch dieser Weg trug dazu
bei, dass ich bisher immer dachte, der EUT sei nur ein leichter Ultratrail.
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Seit Monaten lautet mein wichtigster Wunsch für diesen Tag, dass ich zumindest
den Bachalpsee bei gutem Fotowetter erreichen will, bevor die im Sommer häufigen
Quellwolken die Berge verhüllen. Tatsächlich gelingt mir dies nur äußerst knapp.
Genau nachdem ich gegen zehn Uhr die ersten zwei, drei Fotos knipse, zieht die
erste dünne Wolke vom Tal herauf und schränkt die Aussicht ein wenig ein. Aber
trotzdem ist es noch immer ein unglaublich schöner Anblick.
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Der Panoramaweg First -Schynige Platte führt von hier direkt zum Faulhorn
hinauf, aber wir laufen nun noch viele Kilometer in weitem Bogen um einen
anderen Berg herum, bevor wir von einer anderen Seite auf das Faulhorn steigen.
Ab hier wird der EUT nun nach bisher recht einfachem Beginn ein rassiger
Trail-Lauf. Kein einziger Abschnitt ist heute technisch besonders schwierig,
aber dennoch schlägt das Herz jedes Trailrunners in den nächsten Stunden sicher
höher. Enzian und viele andere Blumen säumen den ersten Kilometer nach dem See. |
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Dann steigen wir eine Weile steil aufwärts und bald darauf auf der anderen Seite
eines Bergrückens auf einer faszinierenden, technisch manchmal etwas
anspruchsvolleren Strecke wieder abwärts. Das letzte Stück zur
Verpflegungsstelle bei Bussalp-Oberlänger kann dann wieder schnell gelaufen
werden. |
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