Start und ein Feuerwerk von Witzen
Pünktlich um 8:00 morgens bei dichtem Morgennebel starte ich
zusammen mit knapp 100 Walkern und drei weiteren Frühstartern des Ultras. Wir
starten eine halbe Stunde eher als das Hauptfeld, weil wir so bei der etwa knapp
bemessenen Zielschlusszeit von 7:30 Stunden etwas mehr Zeit zum Genießen der
schönen Mittelgebirgslandschaft rund um den immerhin 641 m hohen Bilstein haben.
Die ersten Meter laufen wir aber noch durch Kleinalmerode, das seit der
Eingemeindungswelle in den 70er Jahren ein Ortsteil von Witzenhausen ist.
Punkto Witze, kennt ihr den: "Die Lehrerin fragt Fritzchen
..."
Oh nein, jetzt habe ich ihn doch glatt schon wieder vergessen! Ich habe halt
eine phänomenale Fähigkeit Witze zu vergessen, obwohl über mir gestern ein
Feuerwerk von brillanten Witzen hoch ging. "Lockenkopf Joe" und "Erwin
Löwenherz", auch als "Der Mann mit dem Hut" bekannt, überboten sich beide
regelrecht mit ihren Witzen. So wurde der Abend sehr lange. Gaby und ich hatten
noch heute morgen einen Bauchmuskelkater von all den Lachsalven.
Wir nächtigten wieder bei der 90 jährigen, aber immer noch erstaunlich
jugendlichen "Ultra Omi" Anneliese.
Als wir dann heute morgen beim wieder sehr üppigen Frühstück saßen und ich mir
auf Annelieses Anweisung schon mein zweites Pausenbrot für den Ultra strich,
anders als im Vorjahr dick mit
Butter und mit sehr viel Schinken darüber, vermissten wir immer noch den Träger
des magischen Hutes und den Lockenkopf.
Anneliese meinte daher: "Weck doch mal Erwin und den Lockenkopf!"
Diesen Spaß ließ ich mir natürlich nicht entgehen. Hämisch klopfte ich an deren
Türen und forderte sie im Kasernenhofton zum Aufstehen auf. Erwin erhob sich
daraufhin brav mit Hut aus seinem Bett und ein paar Minuten später erschien auch
der Lockenkopf, allerdings noch etwas zerzaust.
Leckeren Kuchen für davor und danach
Ich starte eine halbe Stunde eher mit den Walkern. So kann ich mir eine halbe
Stunde mehr Zeit lassen
Noch herrscht dichter Nebel
Gruppenfoto mit Christoph, mir und Erwin dem Mann mit dem Hut
Erwin, Gerno und Kristyn
Michael startet wie ich eine halbe Stunde eher zusammen mit den Walkern
Start der normal startenden Ultraläufer eine halbe Stunde nach uns
"Die Ersten werden die Letzten sein!"
Nach so einer langen Nacht habe ich nun schon auf den ersten
Metern müde Beine, während mir die Schnelleren der Walker schon im Nacken
sitzen. Einer der frühstartenden Läufer sprintet schon davon. Ich fordere ihn
auf etwas langsamer zu tun, weil ich mal für ganze kurze Zeit symbolisch die
Führung des Gesamtfeldes übernehmen will. Er ist so nett und wartet etwas, bis
auch das erledigt ist. Nun darf ich getrost sagen: "Die Ersten werden die
Letzten sein!", denn um den letzten Platz im Läuferfeld mache ich mir wenig
Sorgen. Mit noch einmal 3 kg mehr auf den Rippen als im Vorjahr und einer langen
Nacht mit wenig Schlaf, werde ich sicher diese Trophäe wieder erringen.
Walker versus Runner
Lockenkopf, nun nicht mehr zerzaust und Gaby stehen am
Straßenrand und feuern mich an. Lockenkopf läuft oder besser gesagt walkt heute
den Halbmarathon, weil er ja noch seine leidige Geschichte mit der Achillessehne
auskurieren muss. Aber laut aktueller medizinischer Prognosen sollte er in drei
Monaten wieder lauftauglich und dann hoffentlich auch wieder bald ultratauglich
sein. Wir wünschen ihn das von Herzen, weil die Läuferszene Joe mittlerweile
wirklich vermisst. Auch ich misse hier seine Faxen vom letzten Jahr. Vor einem
Jahr alberten wir hier herum, heute verfolgt mich das aufdringliche Tack, Tack
der Stecken der Walker, die mich regelrecht verfolgen und an meiner Läuferehre
kratzen.
Darf ich es zulassen, dass mich so ein wild gewordener Walker überholt?
Als es auch noch bergauf geht, setzt doch glatt nicht nur einer sondern gleich
eine ganze Horde von Walkern zum Überholvorgang an.
Wäre ich Vogel Strauß müsste ich nun den Kopf in den Sand stecken. Als laufender
Fotograf, nehme ich jedoch demonstrativ meine Kamera in die Hand und
fotografiere einen der in voller Blütenpracht stehenden Kirschbäume, dessen
Konturen seines weißen Blütenmeeres mit dem alles verschluckenden Nebel
verschwimmen.
Kirschbäume im Morgennebel
Ich bin nett
Seht her ich bin ein laufender Fotograf! Ein sogar ganz
netter, wenn gleich auch etwas fetter! Er lässt sogar Euch Walker mal an einem
Läufer vorbeiziehen!
Diese demonstrativen Zwangspausen haben auch ihre gute Seite, denn so kann ich
diese fantastische Morgenstimmung für die Nachwelt auf die virtuelle Leinwand
bannen. Wäre meine Zielschlusszeit nicht so knapp, dann käme ich jetzt sicher
gar nicht mehr von der Stelle. Es gibt kaum schönere Eindrücke als, wenn die
Sonne so langsam durch den Morgennebel bricht.
Morgennebel mit Marathon-Walkerin
Ich werde von einigen Walkern hart verfolgt
Langsam kommt die Sonne durch
Warmer Nebel
Trotz des Morgennebels komme ich schnell ins Schwitzen. Dies ist kein kalter
Morgennebel sondern ein richtig warmer. Alles trieft vor Nässe und meine Brille
schlägt immer wieder an, so dass ich kaum noch was sehe. Ich fühle mich fast wie
in einem tropischen Regenwald.
Nun erreichen wir wirklich den ersten Wald. Dort umrunden wir einen Berg südlich
von Ermschwerd, dessen Namen ich nicht kenne.
Erster kurzer Trail
Erste Passhöhe
In etwa 300 m Höhe überwinde ich auch die erste kleine Passhöhe dieses Laufs.
Hier hat sich bereits der Nebel verzogen. Die Sonne strahlt bereits in voller
Pracht. Heute wird es noch ganz schön warm werden. Da werden sich jene Walker
umschauen, die sich wieder mal viel zu warm angezogen haben.
Erste Passhöhe bereits ohne Nebel
Rennende Walker
Kurz dahinter geht es erst einmal bergab. Schnell tauchen wir wieder in den
Nebel ab. Nun kann ich doch endlich mal Tempo machen und den übermütigen Walkern
zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Ich setze zum Sprint an. Gleich müsste
ich doch förmlich an ihnen vorbeifliegen!
Oh je, weit getäuscht! Die Distanz zu den führenden Walkern wird kaum kleiner!
Das kann doch nicht sein! Na klar, jetzt weiß ich warum! Die rennen ja auch
bergab! Nur der Walker mit den Stecken und dem blauen Shirt geht weiterhin. An
ihn kann ich nun vorübergehend vorbeiziehen. Beim nächsten Anstieg hat er mich
aber wieder. Er ist sicher ein Meister seines Fachs.
Da es nun abwärts geht, laufen wir wieder in den Nebel rein. Hier ein korrekt
walkender Walker, der auch bergab walkt, während andere Walker sich an diese
Regel nicht halten, wenn es bergab geht.
Wieder voll im gespenstischen Nebel
Kampf zwischen Sonne und Nebel
Fetter aber auch fitter
Nach einer langen Bergabpassage folgt ein Gegenanstieg und dann noch einmal ein
längeres Gefälle. Danach geht es dann erst einmal für längere Zeit wieder
bergauf. Am Ende dieser Bergumrundung holen mich dann schließlich die ersten
Normalstarter des Ultralaufs ein. Als ich sie nach ihren Befinden frage, sagen
sie mir, dass sie noch gut drauf sind. Ich sprinte ein kurzes Stück mit ihnen
mit. Mir ist es völlig unbegreiflich, wie man bei so einem Höllentempo sich noch
so gut fühlen kann. Na ja, so unterscheidet sich halt Klasse von Masse. An Masse
muss ich ja heute genug mitschleppen. Aber immerhin haben mich heute die ersten
Läufer etwas später als letztes Jahr eingeholt. Sollte meine Trainingsläufe und
Laufveranstaltungen wie der
6-Stundenlauf in Fürth und der
Frühlingsmarathon
letzten Samstag ihren Teil dazu beigetragen haben, dass ich dieses Jahr zwar
fetter, aber wenigstens auch fitter bin?
Hier holen mich die ersten beiden Ultraläufer ein, die eine halbe Stunde nach
mir gestartet sind
Im mystischen Nebelwald
Vogelwelt und Pausenbrote
Bald dahinter verlasse ich den mystischen Nebelwald. Ab nun
werden wohl im Lauf der Zeit irgendwann fast alle Ultraläufer an mir
vorbeiziehen. Nichts Böses ahnend jogge ich gemütlich weiter. Plötzlich höre ich
eine ganze Laufgruppe hinter mir. Na ja, was soll's? Die laufen halt gerne
zusammen. Sollen sie mich halt überholen. Aber da höre ich glatt was von meinem
"ökonomischen Walkingschritt" und weiß, dass nun mein Tag versaut ist. Seit
Jahren laufe ich selbst die steilsten Berge hoch und keiner will zur Kenntnis
nehmen, dass auch ich Läufer bin!
Natürlich ist es der Ultrahabicht, der diesen Spruch schon zum wiederholten Male
los gelassen hat. Zum Dank, male ich dem Habicht, der eher mit einem frechen und
verspielten Kea
vergleichbar ist, schon mal in gruseligsten Farben aus, wie schön lang und hart
der Anstieg zum Bilstein für ihn sein wird! Das dazu mit dem Riesen Pausenbrot
im Magen, das Erwin, mütterlich besorgt wie er ist, unter Annelieses wachsamen
Auge für ihn gestrichen hat.
Dann lässt lahmes Entchen den Renn-Habicht von dannen ziehen, weil es sonst bei
diesem Tempo reif für Wiederbelebungsmaßnahmen wäre.
Frechdachs Ultrahabicht im Nacken
Zieht aber gleich wieder von dannen!
Erste Tränke
Es folgt die erste Tränke und somit ein kleiner Lichtblick nach all den
Demütigungen. Zuerst rannten mir die Walker davon und dann stufte mich dieser
Habicht auch noch als solcher ein.
Der lange Büffettisch lässt dafür nichts missen und schreit förmlich nach:
"Zugreifen!"
Nach einer üppigen Nudelparty letzten Abend, reichlicher Verpflegung bei
Anneliese und einem riesigen Kuchenbüffet im Startbereich, kann nun dieser
Schlemmermarathon lustig weiter gehen. So lasse ich mich nicht von der Hektik
der anderen Läufer anstecken, die mir ja ohnehin schon eine halbe Stunde voraus
sind. Ich greife in aller Ruhe reichlich zu. Dabei frage ich mich, warum ich
überhaupt zwei riesige Pausenbrote in meinem überdimensionierten Rucksack mit
mir rumschleppe.
Bei der ersten Tränke
Hier gibt es reichlich zu essen und zu trinken. Daher verweile ich einen
ganze Zeit.
Kostenrechnung für Schnell- und Langsamläufer
Ein weiteres halbes Pfund schwerer, lass ich das Läuferbüffet hinter mir,
während gertenschlanke Läufer an mir vorbeifliegen. Jungs, lasst Euch doch etwas
Zeit, denn wer am längsten unterwegs ist, kommt am meisten auf seine Kosten. Bei
einem Startgeld um die 40 Euro, kommt nämlich der Spitzensportler, der hier um
die 4 Stunden läuft, auf etwa 10 Euro Kosten pro Laufstunde, während
Langsamläufer wie ich bei 8 Stunden ja nur 5 Euro pro Stunde zahlen müssen!
Man sieht hier trotz Nebels viele strahlende Gesichter
Nun geht es steil bergauf! |