Hola! Wieder ein Brief aus dem Tramuntana-Gebirge?
Letztes Jahr
schrieb ich ja diesen Brief, den ich schon deshalb schreiben musste, weil ich so
begeistert war von den 112 Kilometern des Ultra Tramuntana auf Mallorca, so
begeistert, dass ich heuer da unbedingt erneut teilnehmen wollte, nein, musste.
Und es war, soweit sei vorgegriffen, wieder einzigartig, jeder, der nicht dabei
war, hat wirklich etwas verpasst!
Na ja, vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr?
Nein, kein Brief, aber eine Beschreibung dieser Ultra-Veranstaltung.
112 Kilometer von Andratx im Südwesten bis nach Pollença im Nordwesten, ständig
auf und ab im Tramuntana-Gebirge. Dass dieses Gebirge in der UNESCO World
Heritage Liste geführt wird, hatte ich ja schon im letzten Jahr erwähnt, dass
diese Ehre jedoch nur wenige Plätze auf dieser kleinen Welt das mehr verdient
haben als diese Region aber wahrscheinlich nicht, oder?
Die Blicke über die ganze Insel sind oft phänomenal, steil unter den Läufern
liegt die nahe Küste, auf der anderen, der entfernteren Seite, liegt der Rest
der Insel und die entgegengesetzte Küste - ein Traum in mediterran!
Wieder ging es um Mitternacht los, wieder beginnend an dem wunderschön
beleuchteten Kastell oberhalb des Sport Centers von Andratx, in dem es auch
wieder die Startunterlagen gab: eine große Plastiktüte für unsere Zielklamotten,
ein superschönes rot-schwarz-weißes Kurzarmshirt, die Startnummer (ich hatte die
663), ein Buff in braun, ich hatte mir trotzdem noch einen in weiß dazu bestellt
(8 EUR).
Wieder spielte man Vangelis vor dem Start und wenn ich nicht
technisch so unbedarft wäre, dann hätte meine GoPro das auch aufgenommen, so
aber hielt ich eine Kamera am Stiel in den Nachthimmel, die nicht eingeschaltet
war. Nicht mein einziger Fauxpas bei diesem Lauf, leider.
Ich hatte ja noch den Wahnsinnslauf auf
Madeira in den Knochen und deshalb wollte ich ganz gemütlich am Rande der
Cut-Off Zeiten laufen. Aber das ist schwerer als ich dachte, zumal es im ersten
Abschnitt große Probleme gab.
Dieser erste Abschnitt, der nach gut drei flachen Kilometern beginnt, war immer
schon tückisch. Ein steiler, enger und schroffer Singletrail, teils mit Zäunen,
die überwunden werden müssen, teils mit kleineren Kletterpassagen, die zwar
nicht schwer oder gefährlich zu laufen sind, aber die viel Zeit kosten und die
immer einen Stau verursachen.
Gut, dass sich auf den recht flachen ersten drei Kilometern das Feld schon
auseinander zieht.
So sollte es eigentlich sein, so also der Plan. Nur dieses Jahr aber kam es ganz
anders
Ich weiß nicht warum, aber plötzlich kam uns eine lange Schlange weißer
Kopflichter entgegen, die gesamte Führungstruppe hatte den falschen Weg
genommen. Die Folge war schon ein Stau am Ende des flachen Abschnutts, quasi
eine Egalisierung des Rennens und fortan Staus, wie ich sie noch nie erlebt
hatte. Sicher kam auch dazu, dass es wieder mehr Teilnehmer auf der Strecke gab
wie früher, Zeichen zunehmender Beliebtheit dieser Laufveranstaltung, egal, bis
zum CP 1 blieb es eine Katastrophe. Und die Uhr tickte gnadenlos.
Ich war mit meinem Freund Klaus unterwegs und wollte das auch
bis zum bitteren Ende bleiben, also hieß es Rücksicht nehmen und immer wieder
geduldig warten.
Die letzte Passage des ersten Aufstiegs nach ganz oben hatte es wieder in sich.
Wieder gab es einen langen Stau, viele Läufer versuchten, abseits des Trails
weiter oben voran zu kommen, bei der Zusammenführung der beiden Schlangen gab es
wieder - Stau, natürlich.
Bemerkenswert fand ich die im wesentlichen vorhandene Geduld und die
Gelassenheit, mit der diese Zeitfresser hingenommen wurden.
Und dann, bergab, etwas technisch und somit nicht unbedingt Klaus' Stärke,
fielen wir sukzessive weiter zurück und uns drohte, den ersten Cut-Off sehr
deutlich, durchaus um bis zu 40 Minuten, zu verpassen. Zeit für mich, nervös und
aufgekratzt zu werden. Zum Glück folgte dann eine längere, wirklich gut laufbare
Straßen- und Feldwegpassage bis zum CP und da ließen wir es laufen und rannten,
als wäre der CP das Ziel. Wir überholten Dutzende anderer Läufer, aber ein
Spanier am Straßenrand zeigte auf seine Uhr und schimpfte irgend etwas, das wir
als "Ihr seid zu spät!" interpretierten. Wir kamen nur sechs Minuten nach dem
Cut-Off an und waren darauf vorbereitet, versuchen zu müssen, in einer langen
Diskussion unsere Herausnahme zu umgehen, aber niemand machte Anstalten, uns
diesbezüglich anzusprechen, also schnell auftanken dachten wir und gleich
weiter. Durch diesen Kurzstopp hatten wir wieder immens viele Läufer hinter uns
gelassen, die etwas länger im CP blieben, meine Laune verbesserte sich wieder
deutlich.
Der nächste Abschnitt lief dann besser, ohne Stau, mit Klaus im Gleichschritt
und wir erreichten den CP
2 sogar deutlich vor der ausgeschriebenen Cut-Off Zeit. Diese Zeiten merkt man
sich ja, sie kreisen oft im Kopf herum wie Geier in der Wüste über dem Aas.
Meine Sorgen, mein angefressen sein, waren verschwunden, so hätte es bleiben
können.
Ich bleibe ja nie lange in den CPs, ich kann das einfach nicht, und so ging ich
auffallend lässig und langsam weiter, fotografierte, zog die Schuhe wieder
fester, trödelte, aber Klaus kam einfach nicht.
Apropos Schuhe. Nur eine Woche nach Madeira wollte ich nicht
die schmutzigen und stark riechenden Dynafit Feline Featherlight wieder nehmen,
sondern ich fand, dass die HOKAs für Mallorca richtig seien. Zwischen Madeira
und Mallorca war ich ja nicht zu Hause, ich schlug aber bei meinem Auto kurz
auf. Also die einen Schuhe raus, die anderen rein. Dabei vergaß ich aber, die
Einlagen auch zu wechseln und so lief ich das Tramuntana-Gebirge "unten ohne",
ohne die medizinischen Einlagen, die mir so gut tun, aber auch ohne die
originalen, dünnen Einlagen, die ich schon lange entsorgt hatte.
Keinen festen Halt im Schuh haben und dann auf technisch schwierigen Strecken
lange unterwegs sein? Nee, lass mal. Es tut weh, wirklich, ich hab's bewiesen!
Klaus kam also nicht und ich hatte auf den zwei langsamen Kilometern über 12
Minuten gegenüber dem Soll verloren, wieder drohte das Scheitern an der Cut-Off
Zeit, die Panik und die Sorgen kamen wieder auf. Und es kam Dietmar, der eher
langsam unterwegs war, ein Signal für mich, jetzt die Strategie zu wechseln. Nun
begleitete ich Dietmar auf dem Anstieg rauf Richtung Valldemossa.
Vor dem Hochplateau aber verließ ich ihn nach vorne, ich wollte die fast flachen
Kilometer bis zum VP in Valldemossa, bis zum Start der 67 K Läufer, rennen, wie
letztes Jahr.
Und es klappte auch wie im Vorjahr und ich war mir sicher, nun sogar noch ein
nettes Zeitpolster auf die Cut-Offs heraus laufen zu können.
Kurz vor diesem wundervollen Städtchen erfuhr ich dann von einem Spanier, dass
die Cut-Off Zeiten wegen der Probleme vor dem CP 1 allesamt um 30 Minuten
verlängert wurden, alle Sorgen waren also unnötig gewesen.
Der Start der 67 K Läufer war schon einige Minuten vorbei, letztes Jahr war ich
mehr als 60 Minuten vor deren Start da durch gewesen, ich war jetzt schon 75
Minuten hinter dem Vorjahr.
Die langen Serpentinen durch den Wald hinauf auf das oberste
Plateau der Tramuntanaberge lief ich mit den beiden Veranstaltern des "Trans
Mallorca", etwas Deutsch auf deren Seite, dafür kein Englisch - und kein
Spanisch auf meiner Seite. Aber es ging, es reichte.
Die Sonne stand heiß am Himmel, der Trail auf dem Hochplateau war großartig mit
den am Anfang bereits beschriebenen Overviews über das Meer, die Küste und das
Land.
Runter nach Deja ist es, wie bei fast allen Downhills, steil und technisch. Wer
Ziehwege sucht, auf denen man schnell ins Ral brettern kann, der wird
enttäuscht. Wer aber Spaß daran hat, sich die Plätze einzeln zu suchen, wo man
seine Laufschuhe aufsetzen kann, der wird diesen Lauf lieben.
Nach dem VP im Tal, nach dem Downhill, kommt natürlich wieder ein Aufstieg, aber
die Etappe nach Sollér, wieder im Tal, ist relativ einfach und das ist auch gut
so, weil die Etappe nach diesem VP im schönen Sollér wohl die härteste des Laufs
ist, Serpentinen, weit hinauf, mit einer langen Stufe dazwischen immerhin 1.200
Höhenmeter in Richtung blauer Himmel, Sonne, Sonnenbrand ...
Gut, dass es an den VPs schon zwei Mal Nudeln gab.
Überhaupt ist die Versorgung Jahr für Jahr besser geworden, auch meine Bitten,
die Vegetarier nicht zu vergessen, wurden berücksichtigt. Alles gut auf Malle
also.
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