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Ultra-Trail du Mont-Blanc 2017 vom 28.08. - 03.09.2017 - Film und Laufbericht von Thomas Eller

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UTMB 2017

Hochgebirgslandschaft beim UTMB 2017

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Ultra-Trail du Mont-Blanc 2017 vom 28.08. - 03.09.2017 - Film und Laufbericht von Thomas Eller

Der Film

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Der Bericht

Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig … Das Journalistenprogramm beim Ultra-Trail du Mont Blanc (UTMB) in Chamonix 2017.

Bedächtig wanderte ich mit einem Dutzend anderer akkreditierter Journalisten den Berg hinunter Richtung Kirche Notre Dame de la Gorge. Diese Kirche ist ein Ziel von Pilgern und sie verfügt über einen prunkvollen, im Barockstil gehaltenen Altar und über schöne Fresken aus der Renaissance.

Es ist ein besonders schönes Stück UTMB zwischen La Balme und jener Kirche, wir befinden uns immerhin auf den sichtbaren Spuren der Römer. Die Brücke, die wir überqueren, wurde noch von ihnen erbaut und viele der in den Weg eingelassenen Steine stammen aus römischer Hand.

Uns kommen unzählige Läufer*innen entgegen, die sich diese Passage hinauf quälen. Es ist die erweitere Spitze des elitären Läuferfeldes, die echten Eliteläufer hatten wir schon vor unserem Abendessen in einem Zelt vor der Hütte La Balme verpasst.

UTMB 2017

UTMB 2017

UTMB 2017

UTMB 2017

Vorausgegangen war ein Staufestival, das durch viel zu viele Autos, aber vor allem durch zwei Ampeln hervorgerufen wurde, die kurz hintereinander unerbittlich nur wenige Autos pro Grünphase durchließen, um den Verkehrsteilnehmern danach lange durch die Rotphase gewissermaßen den gestreckten Mittelfinger zu zeigen.

Danach durften wir nicht in die immer anlässlich des UTMB gesperrte Zufahrtsstraße zur Kirche Notre Dame de la Gorge einfahren, ein dort stationierter Polizist machte gewissenhaft seine Hausaufgaben und trotzte dem starken Regen und den noch stärkeren Beteuerungen, Beschwichtigungen und Beschimpfungen.

Wir wussten schon beim Loslaufen bei der Kirche, dass die D’Haenes, die Journets, die Thévenards, die Walmsleys, die Picas‘ und die Husers dieser Welt längst schon diesen Punkt passiert hatten.

Es regnete erbärmlich und so packten wir uns für den rund 30 Minuten langen Marsch zum Abendessen am Checkpoint La Balme warm ein, sehr warm, viel zu warm.

Eigentlich wissen wir ja alle, dass man beim losgehen oder loslaufen leicht frieren sollte, dennoch entschied ich mich für gleich vier Lagen am Oberkörper. Ich schimpfte schon sehr bald mit mir und öffnete, was zu öffnen war.

Aber alles mal ganz von Anfang an. Selbst an einem der vier Rennen der UTMB-Woche teilnehmen durfte ich ja nicht. Wer zu spät kommt, der verpasst die Lotterie, wie schon Gorbatschow Richtung SED-Führung 1989 sagte. Also freute ich mich, nach 2012, 2014 und 2016 zum vierten Mal am Journalistenprogramm „Follow up“ teilnehmen zu dürfen.

UTMB 2017

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UTMB 2017

Es beginnt mit dem Beobachten des Starts des UTMB. 2017 war ja ein ganz besonderes Jahr. Es war die 15. Austragung des UTMB und aus Anlass dieses Jubiläums sorgten die Organisatoren des UTMB und die Großsponsoren dafür, dass dieses Mal die gesamte Elite der Trailrunner an der Startlinie stand.

Allein der Superstar der Szene, Kilian Jornet, der hünenhafte François D’Haene und Xavier Thévenard repräsentierten sieben der bisherigen 14 Siege beim UTMB der Männer. Mitfavorit und als Erster der ITRA-Rangliste (ITRA ist die Internationale Trail Running Association) mit der Startnummer 1 ausgestattet war der Amerikaner Jim Walmsley, der auch lange das Rennen anführte, es aber nur als Fünfter abschließen konnte, eine Stunde und 10 Minuten hinter dem Sieger.

Außerdem starteten 2.533 weitere Menschen, Menschen, die mich eigentlich viel mehr interessierten als die Eliteläufer. Menschen, die für die Strecke statt 19 Stunden und einer Minute bis zu 46 Stunden und 15 Minuten benötigten, das war nämlich die Zeit des Letztplatzierten Emil Duch, einem Polen, der es noch vor dem Cut-Off ins Ziel geschafft hat, als Finisher Nummer 1.687.

Also versuchte ich vor dem Start, mich mit dem für das Trail Magazin schreibenden Torsten Niecke aus Hamburg durch die Masse der Läufer*innen zu schlängeln, um die eine oder andere, den einen oder anderen deutschen Läufer*in zu Gesicht zu bekommen.

UTMB 2017

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Ich entdeckte immerhin Martina und Gaston Prüfer, das phantastische Ultra-Duo, das so viel Erfahrung auf Ultrastrecken gesammelt hat wie nur wenige andere. Die beiden finishten diesen Bewerb nach 41:29 Stunden als 924. bzw. 926.

Ich sah die beiden beim Abstieg von La Balme zur Kirche wieder. Martina klagte dabei etwas über ihren Magen. Egal, Hauptsache gefinished, oder?

Zudem fand ich Yvonne Lehnert, mit der ich nach dem GR20 auf Korsika 2015 noch zwei, drei andere Events bestreiten durfte und meine PTL-Partnerin Gabi Kenkenberg. Die beiden liefen bis Courmayeur zusammen, dann musste Yvonne Gabi ziehen lassen. Gabi finishte übrigens in phantastischen 37:47 Stunden als 533.

„Hut ab“, sage ich da. Ich hatte es von einer PTL-Finisherin aber auch nicht anders erwartet. Beide, Yvonne und Gabi, sah ich später am Checkpoint Courmayeur wieder, noch waren beide gut gelaunt und Gabi verlangte vor allem nach frischem Kaffee, ein gutes Zeichen, wie ich fand.

Und ich fand in der riesigen Masse der Starter auch Eva Lohr und ihren Mann, die das Abenteuer UTMB aber nicht als Paar, sondern als Einzelkämpfer bestreiten wollten. Eva traf ich später ebenfalls in Courmayeur wieder, sie sagte mir, dass sie sich entschieden hatte, mit Erwin Bauer zu laufen, weil ihr Mann vorneweg wäre, er wollte den UTMB in „unter 30 Stunden“ abhaken.

Am Ende benötigte Eva 38:33 Stunden, ihr Mann aber musste auf der 167,5 Kilometer langen Strecke schließlich aufgeben.

Mehr Deutsche sah ich nicht in der großen Menge an Startern und so zogen Torsten und ich uns in ein volles, aber wenigstens gut gelegenes Abteil kurz hinter der Startlinie zurück. „Accreditation?“ wurden wir beim Eintritt in diesen Bereich gefragt, wie gut, dass wir unsere Bändchen um den Hals hängen hatten.

Wir erlebten die letzten zwanzig Minuten vor dem Start in diesem Presseblock. Und es waren fantastische 20 Minuten. Niemand kann sich vorstellen, wie spektakulär das warm-up Procedere beim UTMB ist, wenn man das nicht schon mal live erlebt hat. Es wurde auf die Absperrungen geklatscht, da gingen Tausende von Armen und Händen hoch, es würde gegrölt und gelacht. Handys wurden in die Luft gestreckt und viele nutzten ein Deppenzepter, um bessere Bilder machen zu können.

UTMB 2017

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Und in all dem Trubel stand der große Kilian Journet, lächelte in die Menge und filmte. Filmte den Start und die Minuten danach. Und anschließend postete er sein Filmchen noch auf Facebook - während des Laufs!

Als ob es nichts Besonderes wäre, mit den Eliteläufern in einem atemberaubenden Tempo die ersten Berge hoch zu rennen ...

Irgendwann kam dann auch die Startmusik, die legendäre UTMB Hymne und es kam das Gänsehaut-Gefühl auf und die Menge lief los. Es dauert dann minutenlang, bis auch der letzte Läufer die Startlinie überschritten hat, Minuten, die unvergesslich sind und die sich alle Jahre wieder tief in meine Erinnerung einbrennen und eingebrannt haben, Jahr für Jahr das gleiche geile Gefühl. Nur für diesen Start, so mein Rat, musst Du ein Mal, wenigstens ein Mal, in Chamonix dabei sein.

Im Anschluss gingen wir dann zu den Fahrzeugen und wir fuhren zuerst nach St. Gervais, wo wir mit Fingerfood und Getränken versorgt wurden. Und wo wir auf die Ankunft der Helden warteten.

Hektik prägt das Presseprogramm sowieso, es geht immer darum, die ersten Männer und die erste Frau zu sehen, um dann sofort wieder weiter zu reisen.

2017 aber funktionierte das nicht so gut wie geplant, was der immensen Zahl an Baustellenampeln und einem extrem erhöhten Verkehrsaufkommen geschuldet war.

Es begann nun, dunkel zu werden und es begann, heftig zu regnen. Das war nicht überraschend, immerhin wurde auf Grund des zu erwartenden Wetters der Start des UTMB um 30 Minuten nach hinten verlegt.

Wir erreichten die nächste Station auch erst im Dunklen. Dass wir für die führenden Läufer zu spät kamen, das wussten wir spätestens, als uns auf dem Weg nach La Balme fast das Supportauto von François D’Haene rammte.

UTMB 2017

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Aber wir fuhren weiter Richtung Kirche Notre Dame de la Gorge, um dann eine Dreiviertelstunde lang zum Checkpoint La Balme aufzusteigen.

Der Aufstieg hinter der Kirche Notre Dame de la Gorge, direkt nach dem großen offenen Feuer, das dort Jahr für Jahr die Menschen wärmt und etwas Licht spendet, ist einer der beliebtesten Plätze für Zuschauer, ihre Freunde oder Familienmitglieder zu sehen, anzufeuern und zu motivieren.

Wir waren aber nicht zum sehen, anfeuern oder motivieren da, sondern auf dem gleichen Weg, den auch die Läufer nehmen, im Aufstieg zum Checkpoint La Balme. Und kurz vor dem Checkpoint liegt links eine kleine Hütte mit einem beleuchteten Zelt dahinter. Darin gibt es das Abendessen - aber nur für die Anderen. Man bietet dort traditionsbewusst und voller Stolz auf die regionale Küche zwar eine lokale schweinische Spezialität an, aber als Vegetarier fühlt man sich gelegentlich dann doch vergessen und verloren. Ich gönne mir also ein alkoholfreies Bier. Dass es alkoholfreies Bier dort gibt, wundert mich sehr und ich genieße es umso mehr und schaue den anderen zu, wie sie "Diots" mit Polenta zu sich nehmen. "Diots" sind eine schweinische Wurstspezialität aus dem Savoyen, sie sehen gut aus und vor 20 Jahren hätte ich mich wahrscheinlich noch gerne daran gemacht, sie zu probieren.

Nach 45 Minuten ist die Pause vorbei und wir wandern wieder runter zur Kirche Notre Dame de la Gorge. Auf dem Weg versuche ich, den einzelnen Läufer*innen auf die Körpermitte und die Startnummer zu schauen. Oft gelingt es, aber ich entdecke lange keinen bekannten Namen, bis plötzlich Falk "Schalk" Hübner erkannte. Ein kurzer Gruß, eine Umarmung - und weg war er. Sehr starke 32:44 Stunden sollten am Ende bei ihm auf der Finisherurkunde stehen.

Deutlich später begegneten mir die Prüfers, aber das schrieb ich ja schon einleitend.

Für uns ging es weiter runter und dann rüber zu unserem Bus. Ständig kamen uns helle Stirnlampen mit schemenhaften Menschen darunter entgegen. Für uns ging es erst einmal zurück nach Chamonix.

"Matratzenhorchen" oder besser: einen Kurzschlaf halten.
Kurzschlaf deshalb, weil es schon nach 1 Uhr war, als ich auf mein Zimmer kam und unabsichtlich meinen Zimmergenossen weckte. Er nahm es aber locker. Ich stellte den Wecker auf 3.30 Uhr und konnte anfangs nicht sofort einschlafen.

Als dann aber der Wecker ging und ich meinen Zimmergenossen unfreiwillig erneut weckte, sputete ich mich, weil die Abfahrt des Busses auf 4.00 Uhr angekündigt wurde. Das erneute Wecken nahm er nun nicht mehr ganz so locker.

30 Minuten können ganz schön wenig sein für die Zahn- und Gesichtspflege, fürs Anziehen, fürs Umpacken und für den Weg bis zum Treffpunkt. Ich musste mich arg sputen und schaffte es tatsächlich, eine Minute vor 4.00 Uhr am Treffpunkt zu sein.

4.00 Uhr in Frankreich ist aber nicht 4.00 Uhr in Deutschland, also hätten wir noch gut 10 Minuten Zeit gehabt.

4.00 Uhr in Frankreich ist aber auch nicht 4.00 Uhr in Spanien, dort hätten wir wohl eher 30 Minuten Overtime bekommen.

Der Liveticker beschäftigte uns alle permanent, im Hotel, auf den Wegen und auch im Bus, sofern wir Internetverbindung hatten. Mich interessierten natürlich vor allem die Zwischenergebnisse der Läuferinnen und Läufer, die ich kannte: Gabi, Ivy, Martina, Gaston, Eva ... am frühen Samstagmorgen war natürlich alles noch bestens!

Unsere Fahrt ging nun zu einem der schönsten Plätze des gesamten Rennens: der Lac Combal, wahrhaft ein magischer Ort. Noch immer denke ich an die aufregenden Spiegelungen im Wasser. Und dass wir später dann auf dem Rückweg dort bestes Wetter hatten machte das Verweilen und das Fotografieren dort noch schöner.

UTMB 2017

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UTMB 2017

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Aber am Anfang, als es noch dunkel war, war es auch noch recht kalt und beneidete die Läufer in dieser Situation nicht, nein, sie taten mir eher leid. Und viele der Gesichter, in die ich schaute, waren von der Anstrengung, der Kälte und der Übermüdung gezeichnet.

Vorbei am Lac Combal ging es und weiter rauf zu unserer Frühstückshütte. Dafür war das Rifugio Elisabetta auserkoren. Eine wunderschöne, aber relativ kleine Hütte, sie liegt auf etwa 2.200 Metern Höhe und Du hast von dort einen fantastischen Blick über das Tal runter auf den Lac Combal.

Das Frühstück war sehr französisch, sehr spartanisch. Kakao, Kekse und Milchbrötchen mit Marmelade gab es für mich, Kaffee für die Kaffeetrinker. Ich liebe ja französisches Essen, nur beim Frühstück hält sich meine Begeisterung für ein französisches Frühstück in einigermaßen engen Grenzen.

Dann sollten wir eigentlich einen anderen Weg runter nehmen, um die Läufer nicht allzu sehr zu stören, aber diese Ankündigung war dann doch vergessen und wir wählten den gleichen Weg runter wie rauf.

Es war ein schmaler Singletrail, aber wir waren artige Zuschauer und versuchten stets, schnell und ausreichend Platz zu machen, wenn wieder ein Läufer von hinten ankam.

Es waren sowieso "nur" noch die Läufer des hinteren Drittels und ich hatte manches Mal das Gefühl, dass denen eine klitzekleine Pause gar nicht unangenehm war, ganz im Gegenteil.

Zwei Läufer baten mich, sie doch mit ihrer Kamera vor der tollen Bergkulisse oder der Kulisse mit dem Lac Combal zu fotografieren. Und wenn Du jetzt denkst, dass die beiden dann gleich weitergelaufen sind, dann täuschst Du Dich. Da wurden erst noch die Fotos begutachtet und anschließend über das Internet geteilt. Hektik oder gar übertriebene Ambitionen hatte keiner dieser Läufer, aber nun sahen alle wieder gut und glücklich aus. Dass die Sonne aufgegangen war und die Temperaturen gestiegen waren, trug offensichtlich zur Zufriedenheit der Läufer bei.

Besonders auffällig fand ich einen Läufer, der tatsächlich als "Weihnachtsmann" unterwegs war. Ein roter Dress mit weißen Applikationen, ein weißer künstlicher Bart und ein Leinensack, der um den Rucksack gespannt wurde. Es muss auch ein sehr netter Weihnachtsmann gewesen sein, denn eine Rute hatte er nicht dabei, mit der er sich ungebührlich benehmende Kinder bestrafen hätte können.

Als wir nun zum zweiten Mal am Lac Combal vorbei kamen, waren wir alle fasziniert von den Spiegelungen, die wir auf der Wasserfläche zu sehen bekamen. Alle machten unendlich viele Fotos und ich bedauerte zutiefst, keine digitale Spiegelreflexkamera mit einem lichtstarken Objektiv dabei gehabt zu haben.

Ganz besonders schmerzlich vermisste ich diese Kamera, als die Ruhe des Sees durch ein lautes Dröhnen zerrissen wurde, weil ein Hubschrauber in unsere Idylle einflog.

UTMB-TV, der digitale Live-Fernsehsender, der an diesem Wochenende in etlichen Privathaushalten und in nahezu allen öffentlichen Cafés und Restaurants geschaut wurde, wurde unter anderem auch von diesem Hubschrauber gespeist.

Ob wir "on air" waren, weiß ich nicht, ich bezweifle es auch. So ist uns allen eine große Karriere im Fernsehen verwehrt geblieben. Wie weit wir es wohl auf der Karriereleiter der Fernsehanstalten geschafft hätten? Bis zum Passagiert auf einem Traumschiff von Sascha Hehn vielleicht?

Ich fachsimpelte länger mit einer befreundeten spanischen Journalistin über den UTMB und die Chancen, da dabei zu sein. Ich erinnerte mich an das Jahr 2009, an meinen ersten Start dort.

Ich hatte 2008 gemeinsam mit meinem Laufpartner Heiko Bahnmüller gerade den TAR (Trans Alpine Race) abgeschlossen, als mir mein Freund Bernie Conradt sagte: "Du hast jetzt 3 UTMB Punkte, dann musst Du auch den UTMB laufen!"

UTMB? Was ist das denn?

Noch Ende 2005 beim Troisdorfer 6-Stunden-Lauf, meinem zweiten Ultra, dachte ich, dass ein 6-Stunden-Lauf das Größte, Längste und Beeindruckendste sein müsse, was es auf dieser Welt gibt. Es war der Moderator dort, der mir diese Illusion nahm, als er den Durchlauf eines Läufers erwähnte, der "dieses Jahr in Basel beim 24-Stunden-Lauf eine neue Deutsche Jahresbestleistung aufgestellt" hat.

Es musste also noch etwas geben jenseits des Sechs-Stunden-Laufs: den 24-Stunden-Lauf!

Aber was ist der UTMB?

Drei (alte) UTMB Punkte gab es damals für den TAR und vier Punkte brauchtest Du für den UTMB 2009. Die Punkteregelung war frisch eingeführt worden und die Zahl der Bewerber war noch gering, so brauchte ich auf keine Lotterie zu hoffen. Heute schaffst Du es nicht mehr, Dir mit einem langen oder einem Etappenlauf nahezu alle notwendigen Qualifikationspunkte für den UTMB zu erlaufen. Es müssen schon zwei Großevents sein.

Und dann, nach dem Sammeln der notwendigen Punkte, muss die Läuferin, muss der Läufer, noch mit der Losfee flirten. Etwa 2,5 zu 1 ist die Chance, dass Dein Name gezogen wird.

Nach zwei Pleiten in der Lotterie hast Du aber einen garantierten Startplatz für das dritte Jahr, aber nur, wenn Du immer noch die notwendigen UTMB Punkte hast, denn die verfallen am Ende des auf das Event-Jahr folgende Kalenderjahr.

Früher hattest Du einen garantierten Startplatz nach einer Niete in der Lotterie, aber die Zahl der dadurch garantierten Startplätze wuchs ständig an und damit verringerten sich die Startplätze, für die die Lotterie ja gemacht wurde. Nicht in den Lostopf kommen natürlich die Namen der Eliteläufer, Läufer mit über 800 ITRA Punkten (ITRA, Internationale Trail Running Association), die haben ein garantiertes Startrecht.

Immerhin sind diese Läufer ja auch die, auf die die Trailrunning Welt schaut, deren unglaubliche Leistungen die Menschen motivieren und die den UTMB zu einem "outstanding event", zu einem herausragenden Event, machen.

Als nächstes ging es zur Dropbag-Station in Courmayeur-Dolonne. Dort scheitern die meisten UTMB-Träume, nirgends wird so oft und so gerne aufgegeben wie dort. Wer da aufhört, der nimmt seinen Dropbag mit nach Chamonix und nutzt den kostenfreien Pendelbus durch den teuren Mont Blanc Tunnel und muss also nicht auf die Rückführung der Dropbags warten, sondern könnte sofort die Heimreise antreten.

In Courmayeur gibt es aber mehr als nur die Dropbags. Es gibt warme Essen, Massagen, medizinische Behandlungen, einen Schlaf- und Ruheraum, alles, was Läufern helfen könnte, die restlichen knapp 80 Kilometer zu bewältigen.

Immer wieder erstaunen mich die Massen an Läufer*innen, die dort Pause machen, essen, die Füße behandeln oder behandeln lassen, sie eincremen, säubern, die dort dösen oder zu schlafen versuchen. Und inmitten dieser Menschenmengen sah ich erst Eva und dann auch noch Yvonne und Gabi.

Den Dreien ging es noch gut, alle waren konzentriert und auf das Finish fokussiert. Gabi aber befragte mich nach der Wettervorhersage. Draußen schien die Sonne, es war warm und traumhaft schön, eine perfekte Fortsetzung des Wetters am Lac Combal. Also vermutete ich mal, dass die Läuferschar keinen Regen mehr abbekommen würde.

Es war ein Gewusel in der Halle, ständig kamen neue Läufer in den riesigen Saal und andere Läufer nahmen sich ihren Dropbag, um den draußen wieder abzugeben und den Lauf fortzusetzen.

Falk war zu dieser Zeit schon lange durch und die Prüfers noch nicht in Courmayeur, zudem tickte unsere Uhr, denn wir wollten keinesfalls zu spät wieder in Chamonix ankommen. Wir alle wollten den Sieger sehen, den "König des UTMB", den Helden, der sich in diesem Jahr der Helden gegen die unglaublich starke Konkurrenz durchsetzen können würde.

Wunderbares Wetter also in Courmayeur und wir schoben die Busnase tief hinein in den "weißen Berg", tief und lange durch den Mont Blanc Tunnel. Und als wir dort rauskamen war die Welt eine andere.

Regen, fünf Grad weniger Temperatur, Nebel, richtig "usselig".

UTMB 2017

UTMB 2017

UTMB 2017

Das mit meiner Wettervorhersage aus dem Bauch raus hat wohl doch nicht so ganz funktioniert. Vielleicht hätte ich jemanden fragen sollen, der sich mit sowas auskennt? Gibt es da eine App dafür?

Wir standen dann an der Ziellinie, um auf den Sieger zu warten. Es war brechend voll, so voll, dass wir es nicht einmal mehr in den Pressebereich schafften, sondern dort zu stehen kamen, wo die normalen Zuschauer auch standen.

Dass es François D’Haene sein würde, war schon länger klar, die Frage war nur, ob er über oder unter 19 Stunden finishen können würde. Kilian Jornet würde Zweiter werden, auch das war klar. Tim Tollefson als Dritter vor Xavier Thevenard und Jim Walmsley als Fünfter, auch das stand schon lange fest. Nicht feststand, dass zwischen dem Ersten und dem Fünften gerade mal 70 Minuten liegen würden, so wenig wie noch nie.

Aber noch war es nicht so weit. Noch standen wir im Zielkanal und warteten. Immer wieder schauten wir auf die Uhr und überlegten und rechneten. Und dann hieß es irgendwann: „Last kilometer for François D’Haene!“

Der letzte Kilometer und nur noch wenige Minuten bis zu den 19 Stunden, das war nicht zu schaffen. François wollte das auch nicht mehr.

Wir standen glücklicherweise nahe einer riesigen Bildwand und konnten uns seine letzten vierhundert Meter ansehen, also weit vorausschauen, bevor er um die letzte Kurve kommen würde, um den Zieleinlauf zu erreichen. Er lief gemütlich, des Sieges gewiss. Er schüttelte Hände, er klatschte ab, er lächelte.

Die Startmusik war auch wieder die Zieleinlaufmusik. "Conquest of Paradise", die Hymne des UTMB, dröhnt aus den Lautsprechern, laut, sehr laut. Und wir alle bekommen eine Gänsehaut. Wir zittern vor Anspannung und Freude und die Zuschauer, die direkt an den Absperrungen standen, klatschen rhytmisch auf diese Absperrbretter. Unzählige Handys sind nach oben gereckt, jeder will etwas von diesem magischen Moment für immer festhalten.

Und dann kommt François um die letzte Kurve. Wenn es bis jetzt laut war, sehr laut, dann wurde es nun extrem laut. Er lief, als wären die vergangenen 168 Kilometer nicht anstrengend gewesen, er passierte unter großem Jubel die Ziellinie und wurde von den Polettis, von Catherine und Michel, den beiden Herzen und Hirnen des UTMB, gedrückt.

Was für ein Gefühl muss das für einen Läufer wie François D’Haene sein, solch einen triumphalen Einlauf erleben zu dürfen? Und wie müssen sich die Franzosen gefühlt haben, wenn einer von ihnen, einer von "Les Bleus", dieses legendäre Rennen gewinnen konnte?

In diesem Moment war vollkommen egal, dass Frankreich erst seit Kurzem einen neuen, jungen Präsidenten hat, Frankreich hatte in diesem Moment einen Star für die Ewigkeit, den "König des UTMB", einen neuen Nationalhelden.

Und dieser Nationalheld lächelte.

Und er lief zurück bis zur Kurve und klatsche die vielen ihm zugestreckten Hände ab, ein Mal runter, ein Mal rauf.

Erst dann zog er seine UTMB Weste an, die Weste, für die wir uns als Normalläufer quälen, die uns, wenn wir sie tragen, heraushebt aus der Masse der anderen Läufer, die Weste, die immer das schönste Kleidungsstück ist, das wir im Schrank haben, egal, welche Farbe und welchen Schnitt diese Weste hat.

Die UTMB Weste ist etwas für die Ewigkeit.

Und wenn ich dieses Jahr auch nicht Laufen durfte, ich will immer wieder dabei sein in Chamonix, ob als Läufer oder als Beobachter.

Und wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig ...

Der UTMB in Zahlen:

Streckenlänge: 167,5 km
Höhenmeter: +9.457
Teilnehmer: 2.537
Finisher: 1.686
Did not finish (DNF): 851 (33,5%)
Schnellste Zeit: 19:01:54
Langsamste Zeit: 46:15:23

Top 3 Damen:
Nuria Picas (25:46)
Andrea Huser (25:49)
Christelle Bard (26:03)

Top 3 Herren:
François D’Haene (19:01)
Kilian Jornet Burgada (19:16)
Tim Tollefson (19:53)

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