Trail Menorca Cami de Cavalls vom 17.05. -
19.05.2019 - Auf Immerwiedersehen
Was bei Netflix die Serien sind,
ist für mich der regelmäßige Besuch meiner Lieblings-Laufinsel.
Es gibt halt wenig Tröstlicheres, als sich stets dieselben Events und Strecken
auszuwählen, wenn man verliebt ist.
Und verliebt bin ich – in die Insel, in den Weg und in die Veranstaltung.
Und Liebe, so sagt man, wird über die Jahre zwar anders, aber immer tiefer und
intensiver.
Die Insel, in die ich so verliebt bin, ist die, deren Name auf den lateinischen
Begriff „Balearis minor“ zurück geht, direkt gelegen neben „Balearis major“. „Balearis
minor“ steht dabei für die Insel Menorca, „die Kleinere“, „Balearis major“ steht
für Mallorca, „die Größere“.
Der Weg, in den ich verliebt bin, ist der „Weg der Pferde“, der „Cami de Cavalls“,
ein 185 km langer Trail rund um die Insel, ein Trail auf extremem Untergrund,
ein Trail, der Dir alles abverlangt, wenn Du Dich aufmachst, ihn nonstop zu
belaufen.
Und die Veranstaltung meiner Liebe ist eben der
CAMI de CAVALLS, der Trail, auf dem
die Legende gelebt wird („Vive la Leyenda“).
6 Strecken werden angeboten, der STCN („Short Trekking Costa Nord“) mit 27 km,
der TNC („Trekking Costa Nord“) mit 58 km, der TCS („Trekking Costa Sud“) mit 45
km und die drei Hauptstrecken TMCS („Trail Menorca Costa Sud“) mit 85 km, TMCN
(„Trail Menorca Costa Nord“) mit 100 km sowie der Kaiserstrecke TMCdC („Trail
Menorca Cami de Cavalls CdC“) mit stolzen 185 km. 40 lange Stunden stehen Dir
dafür zur Verfügung.
Drei Mal war ich schon auf dieser Kaiserstrecke, beim ersten Mal war für mich
nach 100 km in der DropBag Station „Es Castell“ Schluss, zwei Mal konnte ich
finishen. Nun also sollte ein drittes Finish her auf dem Weg, der schon im
Mittelalter angelegt wurde, um jeden Küstenbereich möglichst schnell mit dem
Pferd erreichen zu können, um sich gegen die Überfälle von Piraten zu wehren.
Eine Reise nach Menorca ist für mich auch immer eine Reise mit Freunden zu
Freunden. Victor Truyol Alles, der Veranstalter, ist einer der Freunde, zu denen
ich dann reise, Dino und die vielen Mädels und Jungs aus dem Staff sind es
teilweise auch.
Und dieses Jahr reiste ich mit einigen Düsseldorfer Freunden und ich schlief bei
besten Freunden aus der schönen Stadt Hamburg, die mich behüteten und die mir
ein zauberhaftes Wochenende bereitet haben, für das alleine ich in jeden Winkel
dieser Erde gereist wäre.
Start und Ziel ist der „Placa dels Pins“ mitten in der Hafenstadt Ciutadella,
der zweitgrößten Stadt der Insel. Sonnenanbetern sei gesagt, dass Ciutadella ein
sehr reizvolles Urlaubsziel ist, wunderschön und weit entfernt von den
Partymeilen des mallorquinischen Ballermanns.
Bevor es losgeht, zeigen die Veranstalter erst eine Pferdeshow. Wunderschöne
Tiere, die kleine Kunststücke zelebrieren. Die Foto- und Videokameras der
Teilnehmer laufen und die vielen Zuschauer kommen aus dem Staunen nicht mehr
heraus. Es gab eine kurze Zufallskontrolle der Pflichtausrüstung beim Eintritt
in den Startblock, kontrolliert wurde unter anderem, dass nur Stöcke mit
Gummistopfen Verwendung finden. Gerade die sensiblen Steingärten und die vielen
anderen Naturschutzgebiete sollen die Invasion der über 1.000 Läuferinnen und
Läufer unbeschadet überstehen. Und dann ging es auch schon los, über den
Marktplatz von Ciutadella, am riesigen Obelisken vorbei und runter an den
Naturhafen, in dem gerade gebaut wird wie wild.
Etwas später passieren wir die noblen Villen der Stadt und weiter in die urbanen
touristischen Zonen der Vorstädte. Pubs gibt es hier, Bingo und vieles, was die
Herzen englischer Touristen erfreut. Und dann, nach etwa sechs Kilometern,
beginnt er, der CdC.
Und diese nächsten Kilometer haben es wirklich in sich. Da gibt es den
Steingarten, den harten, vulkanischen Untergrund, der wahrlich kein Freund
Deiner Laufschuhe ist. Du wirst dieses Geläuf hassen lernen und gerade das ist
es, was ich so liebe. Nichts für Freunde von Asphaltstrecken, aber ein Paradies
für Freunde des gepflegten Trails.
Rau ist er, der Norden, karg und windig und genau deshalb faszinierend. Die
wenigen Dörfer, die passiert werden, sind wunderschön, weiße Wände, weiße Dächer
und davor die traditionellen menorquinischen Eingangstore. Heuer hatten wir
Glück mit der Sonne, es war meist bedeckt. Pech aber hatten wir mit dem Wind,
der phasenweise so stark war, dass wir schier umgeworfen wurden. Dieser Wind
zieht Dir den ganzen Saft aus dem Körper, aber die Vielfalt der Landschaften,
die sich alle 15 Kilometer dramatisch ändert, lässt Dich weiter traben. Die
Buchten, durch deren Sand Du streifst, sind meist menschenleer, atemberaubend
schön, an klarstem Wasser, durch das die Sonne scheint und die Schatten der
wenigen vor mancher Bucht liegenden Schiffe auf den Meeresboden zeichnet.
Bisher hatte ich es noch nie geschafft, den CdC ohne Sturz zu bewältigen und vor
zwei Jahren war der Fall besonders spektakulär, früh und er führte dazu, dass
ich zum ersten Mal im Ziel genäht werden musste. Deshalb begab ich mich in die
Begleitung einer Lauffreundin, die mich auf den technisch schwierigen Passagen
einbremsen sollte. Sie hat ihre Aufgabe dann sogar übererfüllt, sodass wir
ständig am Cut-Off entlang hangelten. Das hielt uns aber nicht davon ab, immer
wieder die schönen Aussichten zu genießen, Aussichten auf das riesige Meer, auf
pittoreske Steilküsten, auf stolz in den Himmel ragende Leuchttürme und auf
Strände, auf denen der Badende ein tennisfeldgroßes Badetuch auslegen könnte,
ohne mit dem Badenachbarn in Konflikt zu kommen.
Die VPs, Pont d’en Gil, Cala Morell, El Pilar, Binimel-La, Playas de Fornells
oder Arenal d’en Castell, um nur die ersten sechs von insgesamt 14 VPs zu
nennen, verfügen stets über motivierendes und freundliches Personal, aber für
mich als Vegetarier bleibt mancher Essenswunsch unerfüllt. Vor allem die
Weißbrotscheiben mit Schokocreme oder mit Tomatensauce und Käse bekam ich
zunehmend nicht mehr runter, dennoch war die Auswahl, die angeboten wurde,
ausreichend. Meine Favoriten waren stets die traditionellen Käse der Insel und
dennoch war ich froh am VP Playas de Fornells Nudeln mit einer Tomatensauce zu
bekommen, dank einer Mikrowelle sogar einigermaßen warm.
Gerade hatten wir das schwierigste Stück hinter uns gebracht, ein ständiges rauf
und runter auf der schrägen Küste, leider aber auch einer der bezaubernden
Streckenabschnitte der Nordhälfte, wie ich finde. Und genau hier kämpften wir
mit Wind, kurzzeitigem Starkregen, den wir, am VP stehend und pausierend
Starkregen sein ließen, mit Regenschauern, die immer von heißen Sonnenphasen
abgelöst wurden. Also Regenjacke an, Regenjacke aus, Regenjacke an, das ständige
Spiel mit der passenden Laufkleidung begann mich zu nerven, weil ich ständig
ausrechnete, ob wir den nächsten Cut-Off trotzdem noch schaffen würden.
Dann wurde es dunkel und wir wurden noch langsamer. Technisch schwierige
Passagen läufst Du halt nicht schneller, wenn Du sie nicht hell erleuchtet
erkennst. Aber die Geräusche des Meeres und der Zauber der Vollmondnacht ließen
uns langsam weiterziehen, bis wir in Maó / Mahón ankamen und den riesigen, von
Luxusjachten garnierten, Hafen entlang gingen.
Die Hauptstadt Mahón, auf Katalanisch Maó, verfügt ja über den zweitgrößten
Naturhafen der Welt, gleich nach Sydney/Australien. Und Mahón verfügt über so
viele Sehenswürdigkeiten, die wir als Läufer leider meist nicht sehen,
geschweige denn würdigen konnten. Klöster und Kirchen wären zu bewundern gewesen
und auch das Rathaus von Maó wäre sehenswert gewesen.
Weil aber Ciutadella sowieso schöner und romantischer ist, weine ich diesen
versäumten Anblicken keine Träne nach.
Es war dann kurz nach drei Uhr in der Nacht, als wir die Hafenpromenade auf eine
schiefe Ebene verließen, um zur DropBag Station Es Castell zu kommen, die wir
dann um drei Uhr fünfzehn erreichten, nur 15 Minuten vor dem Cut-Off.
Die Perspektive, nun nicht mehr in Ruhe meine Sachen tauschen und mich säubern
zu können, gepaart mit Wehwehchen im Magen, in den Oberschenkeln und mit wenig
positiven Gedanken im Köpfchen, ließen mich zur Entscheidung kommen, dass das
dritte Finish wohl auf das Jahr 2020 verschoben werden muss. Oder auf 2021.
Weil ich ja sowieso der Insel Menorca „Auf Immerwiedersehen“ sage und sie eben
immer wieder sehen muss, um mich erneut zu trösten, zu erden und zu beunruhigen.
Verpasst habe ich durch das vorzeitige Ende die „Costa Sud“, die schönere,
touristischere, Küste, die wunderschönen Städte wie Santo Tomas und das Cap
d’Artruix, wo der Weg so schwierig zu laufen ist, dass Dir der Veranstalter rund
eine Viertelstunde Zeit dafür gibt – für jeden einzelnen der Kilometer auf dem
steinigen Plateau.
Verpasst habe ich auch den wahnsinnig aufregenden Zieleinlauf voller Farben und
Banner, mit einem Sprecher, für den alleine ich zu Besuch komme. 2017 hat mich
der Veranstalter als Sprecher gefeiert als er sich mit dem Hauptsprecher
abgewechselt hat. Aber egal, wer spricht. Du spürst die Liebe und Du beginnst zu
schweben ob dieses Empfangs.
Also sage ich leise „Auf Immerwiedersehen“ und freue mich, dass es eine Insel
wie Menorca gibt, einen Weg wie den CdC und eine Veranstaltung wie die von
Victor und seinem Team.
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