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Inhalt
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Einleitung
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Die ersten 9 Km nach Le Houche sind zum Einlaufen. 2 Km auf
der Straße, dann ein Mountain-Bike-Pfad. 100 Höhenmeterchen und viel
Gedränge, sowie eine Reihe tätlicher Angriffe durch die Lauffreunde, die
mit Stöcken unterwegs sind und ihr Werkzeug nicht richtig unter Kontrolle
haben. |
1. Verpflegung in Les Houches |
1. Verpflegung in Les Houches |
Anfeuerung beim Anstieg zum Col de Voza |
Lichterkette zum Col de Voza |
In Le Houche die erste Getränkestelle mit Wasser, Iso und
Cola. Dann folgt mit dem Col de Voza der erste Berg (700 Hm auf 5 Km). Im
Mittelfeld, wo ich mich rumtreibe, wird in der Regel gegangen. Die Wege
(teils Asphalt, teils Schotter, breit, nichts alpines) ließen auch einen
leichten Trab zu, aber wir haben ja noch was vor. Die erste VS auf der
Passhöhe finde ich recht chaotisch (eng und kurz und die Helfer kommen mit
dem Nachschenken nicht zurecht), aber ich schnappe mir leckeren Sandkuchen
und was zu trinken und mache mich an den Abstieg. |
Erst mal den Rucksack umpacken |
Verpflegungschaos am Colde Voza |
Über die nächsten 10 Km weiß ich nicht so viel. Zunächst
natürlich kräftig bergab. Dann wellig auf schmalen dunklen Pfaden. 700 Hm
runter und 270 rauf – dann laufe ich um Mitternacht in Les Contamines ein.
4 Stunden also für 24 Km – 3 für die letzten 15. Klingt irgendwie nicht
rekordverdächtig. Die Stimmung in Les Contamines ist aber toll. Noch sind
viele Zuschauer auf den Beinen und feuern uns an. Die zweite
Getränkestelle ist allerdings sparsam. Es gibt Wasser aus dem Dorfbrunnen. |
Dorfbrunnen in Les Contamines |
Leckeres Brunnenwasser |
Noch nicht wirklich ein Problem, aber ich hätte mich schon
über ein Cola für die Nacht, wie es auch in der Ausschreibung stand,
gefreut. Es folgen 6 flache Km, wo man auf breiten Wegen gemütlich durch
die Nacht schlurfen kann. Dann grüßt von rechts hell die Kirche
Notre-Dame-de-la-Gorge herüber und jetzt wird es richtig ernst. 1270
Höhenmeter Anstieg folgen jetzt. Die Felsplatten waren laut Roadbook mal
eine römische Straße, aber die Römer müssen schon kräftige Ochsen gehabt
haben, um diese ca.15 %-ige Steigung zu bewältigen. Nach 2 Km ist die
erste Stufe erklommen. Es folgt ein Trabstück durch ein Hochtal, wo es ab
und zu fast flach ist. Links ragt das Mont Blanc Massiv auf; ein dunkler
massiger Block mit weißen Gipfeln, die selbst in tiefer Dunkelheit hell
herunter leuchten. Darüber steht der Vollmond am wolkenlosen Himmel.
Unvergessliche Eindrücke. Reicher Lohn für diese schwere Nachtwanderung.
Bei 1.700 m erreichen wir La Balme wo die nächste VS eingerichtet ist.
Es gibt herrlich warmen Tee, an dem ich mich ganz lange festhalte, zum
Sandkuchen. Ein nettes Kaffeestündchen so ungefähr morgens um 2 Uhr. |
Verpflegung auf 1700m |
Sandkuchen und Tee morgens um 3 Uhr |
Nach dieser Oase der Gastlichkeit auf 1700 m wird es alpin.
Noch nicht technisch schwierig, aber steil und steinig. Zunächst geht es
in Serpentinen durch ausgedehnte Geröllfelder aufwärts, später liegen
immer größere Felsblöcke im Weg, die man umgehen oder übersteigen muss.
Ich habe wahrlich schon gemütlichere Nächte zugebracht. Wenn man den Blick
zurückwendet bietet sich jetzt aufgrund der Steilheit des Geländes ein
faszinierender Anblick. Kilometerweit windet sich hinter uns eine Schlange
von (Stirnlampen-) Leuchtkäfern den Berg hinauf. Hunderte Läufer stapfen
da durch die Nacht. Mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Einfach
toll. Mitverursacher für die Gänsehaut könnten aber auch die Temperaturen
sein. In dieser absolut klaren Nacht sind die Temperaturen in dieser Höhe
mittlerweile sicher nicht weit vom Gefrierpunkt entfernt. Längst habe ich
Handschuhe und Stirnband angelegt. Aber unter der Jacke rinnt durch die
Anstrengung des Anstiegs der Schweiß dennoch in Strömen. Dieser Anstieg
will kein Ende nehmen. In der Dunkelheit sieht man nicht wirklich wie der
Weg weiterverläuft. Vorne sieht man auch nur ab und zu Lampen aufblitzen,
da sie ja in die andere Richtung leuchten. Aber rings herum ragen dunkle
Wände empor. Nur rechts oben scheint eine Lücke in der Bergkette zu sein.
Das wird doch hoffentlich der Pass sein. Er ist es, aber es dauert noch
lange, bis ich den Steinhaufen, der die Passhöhe auf 2.329 m markiert,
erreiche.
Die Höhe macht mir eindeutig zu schaffen. Keine Kraft in den Beinen,
Kopfschmerzen und eine Atemfrequenz wie bei einem 10-Km-Lauf. Und der Pass
war nicht der höchste Punkt. Weiter geht es, links eine Bergflanke
entlang. Jetzt wird es auch technisch schwieriger. Mal ein paar
Felsplatten, mal auch einige Meter felsig bergab und sogar noch einige
Schneereste am Wegesrand. Das Ganze eben im Schein der Stirnlampe morgens
um 3 Uhr. Aber jeder Anstieg hat ein Ende und als wir uns schließlich
bergab stürzen, wünschen wir uns bald wieder den Anstieg zurück. Zunächst
kommt ein steiles Geröllfeld, durch das es eigentlich gar keinen Weg gibt,
dann schmierige Pfade, die vom Schnee der Vortage schön eingeseift wurden;
immer wieder queren kleine Bäche und wenn der Weg nicht mehr weiter weiß,
dann vereinigt er sich einfach mit einem der Bäche und wir patschen durchs
Wasser weiter. |
Gezeichnet von 1200 m Anstieg |
Wo ist hier der Abstieg? |
Drei, vier Mal zieht es mir einfach die Beine weg und ich
lande auf dem Allerwertesten. Das hört sich lustiger an, als es ist. Das
Bergablaufen ist auf seine Art genauso anstrengend wie der Anstieg,
höchste Konzentration ist gefordert, man läuft mit kurzen Schritten um
immer noch Ausweich- und Reaktionsmöglichkeiten zu haben und Tempo machen
kann man gar nicht, weil man nur einen begrenzten Bereich überblickt und
im Zweifel innerhalb weniger Schritte zum Anhalten kommen muss.
Grenzwertig dieser Teil – und so viele Flüche habe ich in meinem Leben
noch nie gehört, wie auf dieser Passage über 900m Gefälle auf 5 Km. Im
unteren Drittel wird das Gefälle flacher und die Wege breiter, also doch
noch Gelegenheit ein paar Laufschritte einzubauen und in flottem Tempo in
Les Chapieux einzulaufen. Les Chapieux bietet die zweite
Vollverpflegung. Warme Suppe, belegte Brötchen und Berge von
Energieriegeln. Allerdings auch sehr beengte Verhältnisse, da die VS
innerhalb der Hütte untergebracht ist und auch recht unübersichtlich, da
es keine Hinweise gibt, wo in dem Gedränge man jetzt was findet. |
Verpflegung in
Chapieux |
Das Wasser wird in homöopathischen Dosen (sehr freundlich)
aus Kannen Becher für Becher eingefüllt, was beim Befüllen der
Trinksysteme (nächste VS folgt erst nach 14 Km) zu unerfreulichen
Warteschlangen führt. Da freut mich der Anblick der vielen roten Dosen.
Doch endlich wieder Cola ! Nein, Bier – also ganz glücklich bin ich mit
der Verpflegung nicht. Die Leistung der Helfer ist wirklich nicht hoch
genug einzuschätzen. Bei 0° C im Hochgebirge (La Balme, Lac Combal) eine
komplette Nacht im Dienst der Läufer zu verbringen verdient unseren Dank
und Respekt. Aber der Aufbau und die Organisation der VS trägt zumindest
auf den ersten 40 Km, wo sich das Feld noch nicht so entzerrt hat der fast
verdoppelten Teilnehmerzahl nicht ausreichend Rechnung. Und die Bestückung
mit verschiedenen Käsesorten, geräucherter Wurst, Baguette und Bier ist
eben französisch. Andere Länder, andere Sitten. Als ich beim
Weiterlaufen auf die Uhr schaue, trifft mich fast der Schlag. Aber auch
der zweite und dritte Blick bringen keine neue Zeit: 9 ½ Stunden habe ich
bis hierher gebraucht. Neue Rekordzeit für einen Marathon.
Diese Zwischenzeit beschäftigt mich doch mächtig. Alle möglichen
Vergleiche gehen mir durch den Kopf. Verschiedenste Bergmarathons bin ich
fröhlich unter 5 Stunden gelaufen. Beim Swiss Alpine Marathon war ich um
diese Zeit längst im Ziel und der ist 35 Km länger. Gut es ist Nacht, was
vor allem bergab und auf den schmalen, dunklen Pfaden vor Les Contamines
viel Zeit kostet; der Rucksack stört natürlich auch; die ersten 4 Stunden
konnte man aufgrund der engen Wege oft nicht frei laufen; man läuft auch
nie voll, weil man doch noch ein paar Körner für die restlichen 110
Kilometer braucht; die Abstände zwischen den VS betragen bis zu 3 Stunden,
was dazu führt, dass man an den VS nicht nur ein paar Sekunden verweilt
bis man ordentlich gevespert hat und zumindest die Wasservorräte wieder
aufgefüllt hat. Und last but not least ist es eben richtig steil. 2.400
positive und 1.900 negative Höhenmeter haben wir bis jetzt hinter uns.
Bergauf geht man in der Regel und ich bin kein guter Geher, sondern eben
ein Läufer.
So versuche ich auf dem nächsten Stück, als es die ersten Km zum Col de
Seigne auf einer Asphaltsstraße eher gemäßigt aufwärts geht, etwas zu
joggen. Aber auch hier läuft es darauf hinaus, dass meine Kombination aus
Joggen im Flachen und Gehen im Steilen gerade so ausreicht, um mit den
flotten Gehern mitzuhalten. Außerdem schlägt jetzt so gegen 6 Uhr früh auf
diesem etwas monotonen Stück doch die Müdigkeit durch und ich gehe
Schlangenlinien, auch wenn die Straße schön geradeaus läuft . |
Aufstieg zum Col de Seigne |
Sonnenaufgang am Col de Seigne |
Das ist schon mal eine gute Übung für den oberen Teil des
Anstiegs, wo es im Gelände wieder in Serpentinen kräftig ansteigt. Nach
der Steilstufe geht es zum eigentlichen Pass, dann wieder etwas flacher
auf einer sehr langgezogenen Kuppe dahin. Hier werden mir wieder die Knie
weich. Auch Höhen über 2.300 m scheine ich nicht wirklich zu mögen.
Eindeutig genau das Richtige für mich dieser Lauf. Der Pass selbst wirkt
dann wie eine Oase. Die Morgensonne taucht die Kuppe in weiches Licht. |
Morgenstimmung am Col de Seigne |
Col de
Seigne
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Viele Läufer nutzen die wärmenden Strahlen für eine
ausführliche Pause und lassen den Blick schon mal voraus schweifen in das
Hochtal, das uns die nächsten Stunden beschäftigen wird. Jetzt geht´s 6 Km
bergab und zwar bei Tageslicht und mit fast laufbarem Gefälle. Auch keine
Bergbäche, die den Weg zum Sumpf machen. Irgendwie scheint mir Italien (am
Pass war die Grenze) besser zu bekommen als Frankreich. Richtung Lac
Colombal wird´s sogar flach und an der Verpflegungsstelle gibt´s bei Km 56
erstmals wieder Cola. |
Glacier du Miage |
Das war schon etwas sparsam in der Nacht. Nach der VS folgt
eine Steilstufe (bergab) mit herrlichen Blick auf den riesigen Glacier du
Miage. Dann schon wieder ein Flachstück, auf dem ich viel überhole. Dazu
die herrliche Landschaft – strahlender Sonnenschein. |
Glacier du Miage |
Lac Combal |
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