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Lac Combal

laufspass.comUltra Trail Tour du Mont-Blanc

Bildbericht von Norbert Rößler

88 Kilometer sind auch ein Ultra

Teil 2

E-Mail: norbertroessler@gmx.de

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Inhaltsverzeichnis

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Inhalt

Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4
Infos Links Tipps für Interessenten

Einleitung

Die ersten 9 Km nach Le Houche sind zum Einlaufen. 2 Km auf der Straße, dann ein Mountain-Bike-Pfad. 100 Höhenmeterchen und viel Gedränge, sowie eine Reihe tätlicher Angriffe durch die Lauffreunde, die mit Stöcken unterwegs sind und ihr Werkzeug nicht richtig unter Kontrolle haben.

1. Verpflegung in Les Houches

1. Verpflegung in Les Houches

Anfeuerung beim Anstieg zum Col de Voza

Lichterkette zum Col de Voza

In Le Houche die erste Getränkestelle mit Wasser, Iso und Cola. Dann folgt mit dem Col de Voza der erste Berg (700 Hm auf 5 Km). Im Mittelfeld, wo ich mich rumtreibe, wird in der Regel gegangen. Die Wege (teils Asphalt, teils Schotter, breit, nichts alpines) ließen auch einen leichten Trab zu, aber wir haben ja noch was vor. Die erste VS auf der Passhöhe finde ich recht chaotisch (eng und kurz und die Helfer kommen mit dem Nachschenken nicht zurecht), aber ich schnappe mir leckeren Sandkuchen und was zu trinken und mache mich an den Abstieg.

Erst mal den Rucksack umpacken

Verpflegungschaos am Colde Voza

Über die nächsten 10 Km weiß ich nicht so viel. Zunächst natürlich kräftig bergab. Dann wellig auf schmalen dunklen Pfaden. 700 Hm runter und 270 rauf – dann laufe ich um Mitternacht in Les Contamines ein. 4 Stunden also für 24 Km – 3 für die letzten 15. Klingt irgendwie nicht rekordverdächtig. Die Stimmung in Les Contamines ist aber toll. Noch sind viele Zuschauer auf den Beinen und feuern uns an. Die zweite Getränkestelle ist allerdings sparsam. Es gibt Wasser aus dem Dorfbrunnen.

Dorfbrunnen in Les Contamines

Leckeres Brunnenwasser

Noch nicht wirklich ein Problem, aber ich hätte mich schon über ein Cola für die Nacht, wie es auch in der Ausschreibung stand, gefreut. Es folgen 6 flache Km, wo man auf breiten Wegen gemütlich durch die Nacht schlurfen kann. Dann grüßt von rechts hell die Kirche Notre-Dame-de-la-Gorge herüber und jetzt wird es richtig ernst.

1270 Höhenmeter Anstieg folgen jetzt. Die Felsplatten waren laut Roadbook mal eine römische Straße, aber die Römer müssen schon kräftige Ochsen gehabt haben, um diese ca.15 %-ige Steigung zu bewältigen. Nach 2 Km ist die erste Stufe erklommen. Es folgt ein Trabstück durch ein Hochtal, wo es ab und zu fast flach ist. Links ragt das Mont Blanc Massiv auf; ein dunkler massiger Block mit weißen Gipfeln, die selbst in tiefer Dunkelheit hell herunter leuchten. Darüber steht der Vollmond am wolkenlosen Himmel. Unvergessliche Eindrücke. Reicher Lohn für diese schwere Nachtwanderung.

Bei 1.700 m erreichen wir La Balme wo die nächste VS eingerichtet ist.

Es gibt herrlich warmen Tee, an dem ich mich ganz lange festhalte, zum Sandkuchen. Ein nettes Kaffeestündchen so ungefähr morgens um 2 Uhr.

Verpflegung auf 1700m

Sandkuchen und Tee morgens um 3 Uhr

Nach dieser Oase der Gastlichkeit auf 1700 m wird es alpin. Noch nicht technisch schwierig, aber steil und steinig. Zunächst geht es in Serpentinen durch ausgedehnte Geröllfelder aufwärts, später liegen immer größere Felsblöcke im Weg, die man umgehen oder übersteigen muss. Ich habe wahrlich schon gemütlichere Nächte zugebracht. Wenn man den Blick zurückwendet bietet sich jetzt aufgrund der Steilheit des Geländes ein faszinierender Anblick. Kilometerweit windet sich hinter uns eine Schlange von (Stirnlampen-) Leuchtkäfern den Berg hinauf. Hunderte Läufer stapfen da durch die Nacht. Mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Einfach toll. Mitverursacher für die Gänsehaut könnten aber auch die Temperaturen sein. In dieser absolut klaren Nacht sind die Temperaturen in dieser Höhe mittlerweile sicher nicht weit vom Gefrierpunkt entfernt. Längst habe ich Handschuhe und Stirnband angelegt. Aber unter der Jacke rinnt durch die Anstrengung des Anstiegs der Schweiß dennoch in Strömen. Dieser Anstieg will kein Ende nehmen. In der Dunkelheit sieht man nicht wirklich wie der Weg weiterverläuft. Vorne sieht man auch nur ab und zu Lampen aufblitzen, da sie ja in die andere Richtung leuchten. Aber rings herum ragen dunkle Wände empor. Nur rechts oben scheint eine Lücke in der Bergkette zu sein. Das wird doch hoffentlich der Pass sein. Er ist es, aber es dauert noch lange, bis ich den Steinhaufen, der die Passhöhe auf 2.329 m markiert, erreiche.

Die Höhe macht mir eindeutig zu schaffen. Keine Kraft in den Beinen, Kopfschmerzen und eine Atemfrequenz wie bei einem 10-Km-Lauf. Und der Pass war nicht der höchste Punkt. Weiter geht es, links eine Bergflanke entlang. Jetzt wird es auch technisch schwieriger. Mal ein paar Felsplatten, mal auch einige Meter felsig bergab und sogar noch einige Schneereste am Wegesrand. Das Ganze eben im Schein der Stirnlampe morgens um 3 Uhr. Aber jeder Anstieg hat ein Ende und als wir uns schließlich bergab stürzen, wünschen wir uns bald wieder den Anstieg zurück. Zunächst kommt ein steiles Geröllfeld, durch das es eigentlich gar keinen Weg gibt, dann schmierige Pfade, die vom Schnee der Vortage schön eingeseift wurden; immer wieder queren kleine Bäche und wenn der Weg nicht mehr weiter weiß, dann vereinigt er sich einfach mit einem der Bäche und wir patschen durchs Wasser weiter.

Gezeichnet von 1200 m Anstieg

Wo ist hier der Abstieg?

Drei, vier Mal zieht es mir einfach die Beine weg und ich lande auf dem Allerwertesten. Das hört sich lustiger an, als es ist. Das Bergablaufen ist auf seine Art genauso anstrengend wie der Anstieg, höchste Konzentration ist gefordert, man läuft mit kurzen Schritten um immer noch Ausweich- und Reaktionsmöglichkeiten zu haben und Tempo machen kann man gar nicht, weil man nur einen begrenzten Bereich überblickt und im Zweifel innerhalb weniger Schritte zum Anhalten kommen muss. Grenzwertig dieser Teil – und so viele Flüche habe ich in meinem Leben noch nie gehört, wie auf dieser Passage über 900m Gefälle auf 5 Km. Im unteren Drittel wird das Gefälle flacher und die Wege breiter, also doch noch Gelegenheit ein paar Laufschritte einzubauen und in flottem Tempo in Les Chapieux einzulaufen.

Les Chapieux bietet die zweite Vollverpflegung. Warme Suppe, belegte Brötchen und Berge von Energieriegeln. Allerdings auch sehr beengte Verhältnisse, da die VS innerhalb der Hütte untergebracht ist und auch recht unübersichtlich, da es keine Hinweise gibt, wo in dem Gedränge man jetzt was findet.

Verpflegung in Chapieux

Das Wasser wird in homöopathischen Dosen (sehr freundlich) aus Kannen Becher für Becher eingefüllt, was beim Befüllen der Trinksysteme (nächste VS folgt erst nach 14 Km) zu unerfreulichen Warteschlangen führt. Da freut mich der Anblick der vielen roten Dosen. Doch endlich wieder Cola ! Nein, Bier – also ganz glücklich bin ich mit der Verpflegung nicht. Die Leistung der Helfer ist wirklich nicht hoch genug einzuschätzen. Bei 0° C im Hochgebirge (La Balme, Lac Combal) eine komplette Nacht im Dienst der Läufer zu verbringen verdient unseren Dank und Respekt. Aber der Aufbau und die Organisation der VS trägt zumindest auf den ersten 40 Km, wo sich das Feld noch nicht so entzerrt hat der fast verdoppelten Teilnehmerzahl nicht ausreichend Rechnung. Und die Bestückung mit verschiedenen Käsesorten, geräucherter Wurst, Baguette und Bier ist eben französisch. Andere Länder, andere Sitten.

Als ich beim Weiterlaufen auf die Uhr schaue, trifft mich fast der Schlag. Aber auch der zweite und dritte Blick bringen keine neue Zeit: 9 ½ Stunden habe ich bis hierher gebraucht. Neue Rekordzeit für einen Marathon.

Diese Zwischenzeit beschäftigt mich doch mächtig. Alle möglichen Vergleiche gehen mir durch den Kopf. Verschiedenste Bergmarathons bin ich fröhlich unter 5 Stunden gelaufen. Beim Swiss Alpine Marathon war ich um diese Zeit längst im Ziel und der ist 35 Km länger. Gut es ist Nacht, was vor allem bergab und auf den schmalen, dunklen Pfaden vor Les Contamines viel Zeit kostet; der Rucksack stört natürlich auch; die ersten 4 Stunden konnte man aufgrund der engen Wege oft nicht frei laufen; man läuft auch nie voll, weil man doch noch ein paar Körner für die restlichen 110 Kilometer braucht; die Abstände zwischen den VS betragen bis zu 3 Stunden, was dazu führt, dass man an den VS nicht nur ein paar Sekunden verweilt bis man ordentlich gevespert hat und zumindest die Wasservorräte wieder aufgefüllt hat. Und last but not least ist es eben richtig steil. 2.400 positive und 1.900 negative Höhenmeter haben wir bis jetzt hinter uns. Bergauf geht man in der Regel und ich bin kein guter Geher, sondern eben ein Läufer.

So versuche ich auf dem nächsten Stück, als es die ersten Km zum Col de Seigne auf einer Asphaltsstraße eher gemäßigt aufwärts geht, etwas zu joggen. Aber auch hier läuft es darauf hinaus, dass meine Kombination aus Joggen im Flachen und Gehen im Steilen gerade so ausreicht, um mit den flotten Gehern mitzuhalten. Außerdem schlägt jetzt so gegen 6 Uhr früh auf diesem etwas monotonen Stück doch die Müdigkeit durch und ich gehe Schlangenlinien, auch wenn die Straße schön geradeaus läuft.

Aufstieg zum Col de Seigne

Sonnenaufgang am Col de Seigne

Das ist schon mal eine gute Übung für den oberen Teil des Anstiegs, wo es im Gelände wieder in Serpentinen kräftig ansteigt. Nach der Steilstufe geht es zum eigentlichen Pass, dann wieder etwas flacher auf einer sehr langgezogenen Kuppe dahin. Hier werden mir wieder die Knie weich. Auch Höhen über 2.300 m scheine ich nicht wirklich zu mögen. Eindeutig genau das Richtige für mich dieser Lauf.

Der Pass selbst wirkt dann wie eine Oase. Die Morgensonne taucht die Kuppe in weiches Licht.

Morgenstimmung am Col de Seigne

Col de Seigne

 

Viele Läufer nutzen die wärmenden Strahlen für eine ausführliche Pause und lassen den Blick schon mal voraus schweifen in das Hochtal, das uns die nächsten Stunden beschäftigen wird. Jetzt geht´s 6 Km bergab und zwar bei Tageslicht und mit fast laufbarem Gefälle. Auch keine Bergbäche, die den Weg zum Sumpf machen. Irgendwie scheint mir Italien (am Pass war die Grenze) besser zu bekommen als Frankreich. Richtung Lac Colombal wird´s sogar flach und an der Verpflegungsstelle gibt´s bei Km 56 erstmals wieder Cola.

Glacier du Miage

Das war schon etwas sparsam in der Nacht. Nach der VS folgt eine Steilstufe (bergab) mit herrlichen Blick auf den riesigen Glacier du Miage. Dann schon wieder ein Flachstück, auf dem ich viel überhole. Dazu die herrliche Landschaft – strahlender Sonnenschein.

Glacier du Miage

Lac Combal

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