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Der Start
Ich bin ganz sicher kein emotionaler Mensch, aber als ich abends um 19
Uhr zusammen mit knapp 2.000 Mitstreitern auf dem Place duTriangle de
l`Amitie in Chamonix stehe und zu den Klängen von Conquest of Paradise auf
die Strecke geschickt werde, bekomme ich eine Gänsehaut. Vorfreude kann es
nicht sein. Ich weiß so ungefähr, was auf uns zukommt. 158 Kilometer,
8.639 Höhenmeter rauf und runter. In spätestens 45 Stunden müssen wir
wieder in Chamonix sein. Letztes
Jahr musste ich nach 88 Km aussteigen. Blasen, eine Muskelzerrung und
das drohende Zeitlimit hatten mich geschafft. Ich habe also viel Respekt,
vielleicht sogar Angst, denn ich weiß, dass ich an meine Grenzen kommen
werde – mindestens. Mit den Temperaturen hat die Gänsehaut
erfreulicherweise auch nichts zu tun. Es war ein schöner, sonniger Tag und
ich werde die ersten Stunden kurz laufen, bevor es ab Km 30 richtig ins
Gebirge geht. |
Das Startgelände
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Los geht's!
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Frohe Erwartung
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Die Stimmung am Start ist wunderbar. Wir laufen Spalier
durch begeisterte Zuschauer in der Fußgängerzone und auch in den folgenden
Vororten stehen viele Anwohner am Streckenrand. Das ist sicher mit ein
Grund für die (für mich problematische) Startzeit. Im ersten Jahr startete
der Lauf sehr früh morgens, mit entsprechend geringer Publikumsresonanz.
Der Sieger wird voraussichtlich 22 Stunden brauchen, also gegen 17 Uhr
wieder in Chamonix sein. Auch das ist natürlich eine medienträchtigere
Zeit, als morgens um 3 oder 4 Uhr. Für mich wird diese Konstellation
jedenfalls zwei Laufnächte bedeuten. Na ja, wenn ich so weit komme !
Nach gut zwei Kilometern verlassen wir die Asphaltstraße und dann geht`s
wellig der ersten Verpflegungsstelle in Les Houches entgegen. |
Zuschauer in Les Houches |
Kirche Les Houches
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VS Les Houches |
Ein Volkslauf mit den Daten dieses Streckenabschnitts (8
Km, +190 m, - 210m) würde von den Teilnehmern wohl schon als richtig
schwer eingestuft. Hier läuft das unter Warmlaufen. Auch der erste Pass
ist eher zum Aufwärmen gedacht. Zum Col de Voza steigt die Strecke auf 5,3
Km 680 Höhenmeter an. Noch nichts Schweres, aber immerhin ausreichend,
dass es nach 2-3 Km etwas ruhiger im Feld wird. Auch diejenigen, die
anfangs auch noch auf den schmalsten Pfaden aggressiv vorbei drängelten,
begreifen so langsam, dass es nicht darum geht irgendwelche Sprintpreise
zu gewinnen. |
Zum Col de Voza |
Mit der Zeit beherrschen auch die vielen Läufer ihre
mitgeführten Stöcke etwas besser. Anfangs besteht nämlich die größte
Herausforderung darin, nicht aufgespießt zu werden. Vielleicht wirkt aber
auch das Panorama beruhigend. Immer öfter haben wir einen tollen Blick
zurück ins Arve-Tal und plötzlich findet auch die Sonne das entscheidende
Loch in der lockeren Wolkendecke. Die ganze Mont Blanc-Kette mit Aiguilles
und Drus wird in ein wunderbares Licht getaucht. Der Zauber dauert nur
einige wenige Minuten, aber das ist wieder mal ein Bild, das sich für
immer bei mir einbrennen wird. |
Alpenglühen |
Mont Blanc in der Abendsonne |
Es wird Nacht |
Die Verpflegungsstelle am Col de Voza erreiche ich nach
knapp zwei Stunden und damit deutlich früher als letztes Jahr. |
Zum Col de Voza |
Verpflegung am Col de Voza |
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Der eine Stunde frühere Start hat mir viel geholfen noch
bei Tageslicht den richtigen Rhythmus zu finden. Am Col de Voza hatte ich
letztes Jahr bereits eine lange Pause gemacht, gut gevespert, danach
extrem gefroren und lange gebraucht um wieder in Fahrt zu kommen. Da man
aus Fehlern ja lernen soll, rausche ich diesmal zügig durch und stürze
mich in den Abstieg. Steil, aber nicht extrem (durchschnittlich 10 %) und
vor allem relativ breit, weder sonderlich steinig noch wurzelig – wie
gesagt ein Berg zum Einlaufen. Im Abstieg wird es dann endgültig dunkel
und die Stirnlampe kommt zum Einsatz. Wie im Vorjahr wurde die
Pflichtausrüstung bei der Startnummernausgabe kontrolliert. Wie im Vorjahr
stellt sich die Frage, was davon die Läufer heute tatsächlich in ihren
Rucksäcken haben. Die 12 Km vom Col de Voza nach Les Contamines sind für
mich schwer zu beschreiben. Nach Datenblatt geht es 850 Meter bergab und
steigt etwa 350 m wieder an, vor allem auf dem letzen Abschnitt. Man läuft
immer am linken Talrand entlang, berührt ab und zu einen kleinen Ort und
schlängelt sich ansonsten durch die Wälder auf stockdunklen Pfaden dahin.
Ich versuche überwiegend zu joggen und bin bereits da, wo ich die ersten
zwölf Stunden gar nie hin wollte, nämlich am Anschlag. Es ist zum Heulen,
dieser Lauf ist einfach grässlich schwer. Es folgt noch ein schwieriger,
hängender Wurzelpfad – rechter Hand gähnt ein tiefer dunkler Abgrund. Wie
tief sieht man glücklicherweise nicht und dann sind wir in Les Contamines.
Riesenstimmung, Menschenmassen und eine Verpflegungsstelle, an der es noch
ein reichhaltiges Angebot gibt (letztes Jahr gab`s nur noch Wasser aus dem
Dorfbrunnen) und es warten meine Helfer. Bei denen lege ich eine
ausführliche Pause ein. Die kurze Laufkleidung wird gegen die
Gebirgsgarnitur getauscht, neue Socken um den Wasserblasen vorzubeugen und
einfach ein wenig Ruhe, denn mit meiner Zeit von 3:38 Stunden bin ich etwa
45 Minuten schneller als im Vorjahr, habe aber wohl etwas überzogen und
fühle mich nicht wirklich taufrisch. |
Nicht mehr ganz taufrisch |
Aufmunterung
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Umkleideaktion |
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