Es geht nun steil bergab und nach 33 Kilometern
Laufstrecke erreiche ich in Lützelbuch den Ausgangspunkt unserer Strecke.
Vor mir liegt aber noch die mit 9 Kilometer kleinere Runde, die weitgehend durch
den Coburger Forst führt.
Ich könnte nun schnell zur wenige Meter entfernten Forkelhalle abbiegen und
etwas Verpflegung
fassen. Zwei Argumente halten mich davon ab. Einerseits wäre dann die
Verlockung groß es mit 33 Kilometer zu belassen, andererseits müsste ich
Mathias und Robert zu lange warten lassen, wenn ich dann doch weiter
laufe. Also lauf ich gleich die reguläre Strecke weiter.
Und siehe da, da kommen mir wie von Engelszungen gerufen doch schon
Mathias und Robert entgegen gejoggt. Während die beiden den Lauf schon
gleich hinter sich haben, habe ich noch etwa 9 Kilometer vor mir. Ich
prahle nichts ahnend, dass ich in 50 - 55 Minuten wieder da bin, wenn ich
mich nicht verlaufe. Allerdings sollte es dann über eine Stunde werden. Na
ja, war halt ne kleine Fehlkalkulation!. Die beiden warnen mich, dass man sich
verlaufen kann, da sie irgendwo ungewollt einen Umweg gelaufen sind.
Irgendwo im Nirgendwo soll ich bei einen Fahrrad weg rechts abbiegen. Na
mal schauen, ob ich mir das merken kann.
Mit leicht mulmigen Gefühl verabschiede ich mich und beginn nun die
Einsamkeit des Marathonläufers zu spüren ... |
Am Beginn der kleinen etwa 9 Kilometer langen Runde kommen mir in
Lützelbuch bereits Robert und Mathias entgegen gelaufen |
Zuerst laufe ich auf einem Fahrradweg parallel zu einer
Straße. Zu meiner Freude ist die Strecke weiterhin mit den kleinen roten
Schildchen mit weißer Läuferfigur gut markiert. Diese kleinen Laufmännchen
weisen mir wie gute Geister weiterhin den rechten Weg. Auch wir Läufer
haben es regelrecht verinnerlicht, nach Möglichkeit niemals vom rechten
Weg abzukommen!
Irgendwo muss ich dann auch rechts und nicht links abbiegen und tauche
alsbald in die
Einsamkeit und in das Dunkel des Coburger Forsts ein. |
Diese roten Streckenmarkierungen begleiten mich auf meinem einsamen Weg |
Diese Wiese liegt schon hinter mir |
Auch wenn wir Marathonläufer bei großen Stadtmarathons wie
dem Berlin Marathon in riesigen Herden
laufen, so sind wir doch meist auf der 42195 Meter langen Strecke ganz
alleine auf uns gestellt und unsere physische und psychische Kraft angewiesen. So
laufen Marathonläufer zwar gerne in Gruppen und Grüppchen, aber im Prinzip
sind sie doch alle Einzelkämpfer mit einem eigenen und ausgeprägten
Willen.
Im Herdenverband wird das dir nicht so bewusst. Wenn Du
aber nach über 30 Kilometern Laufstrecke, Kilometer weit und breit auf
weiter Flur weder Mitstreiter vor dir noch hinter Dir siehst, kommt
Dir erst zum Bewusstsein, wie einsam Du eigentlich bist.
Ich laufe einsam und verlassen - ganz verloren - durch einen nicht enden
wollenden finsteren Wald. Ein Fahrweg geleitet mich stets bergan. Es
scheint zumindest aufwärts zu gehen!
Da es keine anderen Richtungen
gibt fehlen nun auch diese Schildchen mit den kleinen guten Laufgeistern, die mir bislang den
rechten Weg wiesen.
Ängstlich um mich blickend frage ich mich voller Selbstzweifel, bin ich
noch auf dem richtigen Weg?
Ausgestoßen, verlassen, im finsteren Wald wilden Tieren
ausgeliefert. Ich fühle mich mit meinen Vorfahren aus der Steinzeit
verbunden, die vielleicht mal aus dem schützenden Verband ihrer
Familiensippe ausgestoßen wurden.
Was ist Zeit, was ist ein Abstand? Beides kann man
komprimieren oder endlos auseinanderdehnen. War Kilometer 4 noch der
Empfindung nach vielleicht 300 - 400 Meter lang, dehnt sich hier ein
Kilometer auf drei bis vier. Wie oft hatte ich dieses Gefühl schon
zwischen den magischen Kilometer 32 und Kilometer 39. Zwar bin ich heute
keineswegs erschöpft, aber das Gefühl der Dehnbarkeit der Zeit will nicht
weichen. Eine
Zeitdilatation kann es jedenfalls nicht sein. Ganz so schnell bin ich
doch wieder nicht, obwohl ich nicht bummeln möchte.
Ich fühle mich an den
Graubünden Marathon 2003
erinnert, wo sie mir auf den ersten Kilometern alle davon liefen und ich
dann durch einen Bergwald auch ganz alleine war. Dabei zweifelte ich an mir, dem Weg, Gott
und der Welt. Und dann ging mein Marathonleben doch irgendwie weiter und
endete mit einem Happy End. Als
ich damals dann den Wald verließ sah ich beglückt den ersten Läufer vor
mir ... |
Im Coburger Forst geht es durch Wald, Wald und nochmals Wald |
... Einen Läufer sehe ich immer noch nicht vor mir. Aber am
Ortsrand des kleinen Nests Neu-Neershof begrüßt mich das Straßenschild
"Lahmstraße". Bin ich wirklich schon so lahm? Nein, das Schild darf nicht
mir gelten! Liebe - leider nicht vorhandene Zuschauer - schaut mich an, wie munter
und frisch ich doch noch bin! |
In Neu-Neershof verlasse ich den Wald und lahme trotz Lahmstraße kaum |
So munter bin ich natürlich doch nicht mehr, wie ich es gerne
hätte, aber der idyllische Dorfweiher muntert mich schon auf. Er animiert
mich zu einer eingehenden Fotografiersession:
Mathias und Robert ihr möget
mir verzeihn,
aber so viel Zeit muss schon sein!
(Reimt sich sogar!) |
Herrlicher Dorfweiher in Neu-Neershof |
An solchen Stellen muss man schon etwas verweilen! |
Sollte ich die Kilometer 40 Markierung übersehen haben?
Sie müsste doch schon längst kommen!
Weit und breit kein Kilometerschild, aber vor mir ein steil ansteigender
nicht enden wollender Radweg. Hier ist mentale Stärke gefragt, da der Weg
erst am Ende des Horizonts verschwindet. Das erinnert mich doch glatt an
diese lange Gerade beim Thermenmarathon
in Bad Füssing zwischen Kilometer 30 und 32, an die lange Gerade auf
den Dreißigern beim Frankfurt
Marathon, die lange Gerade bei KM 38 - 40 beim
Fränkische Schweiz
Marathon oder die nicht enden wollende Gerade bei Barbing beim
Regensburg Marathon.
Ja,
jeder Marathon hat so seine Stellen, diese kleinen Gemeinheiten, wo der
Marathon die mentale Stärke seiner
Läufer austesten will! |
Lange ansteigende Gerade vor der 40 km - Markierung |
Na endlich! Da ist sie ja endlich diese olle KM 40 Markierung! |
"Siegesfoto" bei Kilometer 40, die ein gutes Stück vor mir sind (Foto
von Markus Süße) |
Kurz dahinter stehe ich vor einem neuen Problem. Hier
biegt einen Straße ab und kein Wegweiser. Muss ich nun gerade laufen oder
rechts abbiegen. Wer weist mir den rechten Weg? Wie sagten Mathias und Robert. Beim Radweg rechts
abbiegen! Ich war jetzt schon auf so vielen Radwegen. Haben sie diese
Stelle hier gemeint?
Vorsichtshalber inspiziere ich diese rechts abbiegende Straße nach Rögen.
Nein, das kann nicht stimmen. Weit und breit kein Laufmännchen auf rotem
Grund zu sehen! Da lauf ich lieber geradeaus weiter.
Als ich noch mal zurück blicke, sehe ich zu meiner Freude
weit hinter mir einen Läufer. Das kann nur Hans Martin sein. Er muss einen
Zwischenspurt eingelegt haben! Ich winke ihn zu und laufe dann gemütlich
weiter, da ich denke, dass er mich kurz oder lang schon einholen wird. So
habe ich außerdem eine Ausrede den nächsten Anstieg gemütlich angehen zu
dürfen! |
Oh Freude, Hans Martin holt mich ein und beendet meine Laufeinsamkeit |
Auf dem guten letzten Kilometer ist es so weit und wir
können nur gemeinsam dem Ziel entgegenlaufen, das wir als letztes
Laufgrüppchen von ehemals vereinsamten Läufern gut gelaunt erreichen. |
Gemeinsam mit Hans Martin im Ziel |
Ja, auch die zweite Auflage des Coburg - Marathons hat mir
viel Spaß gemacht und ich freue mich schon auf die
dritte Auflage am
7.1.2007. |
<== Teil 6 |
Teil 1 ==> |