Extrem steiler Abstieg vom Rindalphorn
Die Glücksgefühle enden abrupt, als wir vom Rindalphorn
absteigen müssen. Mittlerweile habe ich wieder Jörg und Manuela eingeholt.
Manuela noch von ihrem Sturz gezeichnet, fällt bei dieser Schlitterpartie
Richtung Tal bald zurück. Sie will nicht noch einmal ausrutschen.
So balancieren wir diese extrem steile und schwierige Abwärtspassage hinunter
und fragen uns was schlimmer ist: Bergauf laufen oder mit dem Hintern den Berg
hinunter rutschen ... |
Steiler und glitschiger Abstieg vom Rindalphorn |
Jörg und Manuela |
Spritmangel
Unten an der Verpflegungsstelle angekommen fragt mich der
Helfer, wie viele noch kommen. Ihm wird langsam das Wasser knapp. Er schleppt
das Wasser immer mühsam mit einer Milchkanne von weiter unten herauf, wenn er
Nachschub braucht. Es ist also hier nicht alles so einfach. Helikopter für den
Nachschub wie beim Swiss Alpine in Davos
können sich die Veranstalter hier nicht leisten. Von der
Gündlesscharte müssen wir nun wieder zu Gündleskopf und Buralpkopf hoch. Gerade
dieser Anstieg ist extrem steil und auch recht lang. Da ich mich noch
nicht verausgabt habe, fällt mir das den Umständen entsprechend recht leicht. So
hänge ich dann allmählich meine Mitstreiter ab, die seit der Wende um mich
waren. |
Steiler Anstieg zum Gündleskopf hoch fordert die letzten Reserven |
Versteinerte Flussablagerungen |
Bergeinsamkeit
Bald bin ich wieder ganz allein. Nur ein paar vereinzelte
Wanderer säumen den Weg, die mir oft Respekt erweisen. Passend zum Gefühl der
Bergeinsamkeit taucht nun die Gipfelregion auch im Bergnebel ab. |
Gipfelkreuz im Nebel |
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Stoizismus eines Marathonläufers
Kein Geräusch und wenig Sicht erwecken in mir ein
eigenartiges Gefühl der Geborgenheit, der Gelassenheit, aber auch der Fremde und
des Unbekannten. Ich, Über-ich und Es können es nicht so recht
beschreiben. Werde ich vielleicht zu mir selbst finden?
Derweil habe ich aber gegen Banalitäten und Alltagsprobleme eines
Gebirgsmarathonläufers anzukämpfen. Ich erklimme soeben den letzten schweren
Anstieg an der Nagelfluhkette zum Sedererstuiben. In kleinen aber
gleichmäßigen und regelmäßigen Schritten bewege ich mich mit der Gelassenheit
und Selbstbeherrschung eines Stoikers voran.
Zenon
von Kition hätte eine wahre Freude daran wie tugendhaft ich diesen Marathon
erlebe oder besser gesagt überlebe. Weder gab ich meinen Begierden nach. Ich
kehrte nicht am Hochgrat ins Gipfelrestaurant ein, soff dort keine drei "Seidla"
und rauschte dann auch nicht mit der Bergbahn gemütlich gen Tal. Noch haben mich
die Wechselfällen dieses Marathons, mit Sumpflöchern und Rutschpartien auf dem
Hosenboden, aus der Ruhe gebracht. Vorbildlich begegne ich dagegen mit innerer
Ruhe diesen brutalen Unbilden und Schicksalsschlägen mit einer souverän -
gelassenen, philosophischen - wie man sagt, eben „stoischen“ Haltung.
.. gezeichnet Thomas der Marathon laufende Philosoph! |
Wanderer im Nebel beim letzten steilen Anstieg Sedererstuiben |
Den letzten Gipfel des Tages von vielen erklommen, weist
schüchtern ein gelber Wegweiser in Bodennähe den Weg nach links Richtung Tal.
Ich verlasse nun auf besseren Wegen die Nagelfluhkette.
Der Weg wird nun immer breiter und besser während ich in
Lichtgeschwindigkeit - meine Beine werden es mir morgen nicht gerade danken -
gen Tal rausche. Ich singe dabei:
"Und ich düse, düse, düse, düse im Sauseschritt
und bring' die Liebe zum Marathon mit von meinem Himmelsritt.
Denn die Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, die macht viel Spaß,
viel mehr Spaß als irgendwas ... "
(Musik und Text von DÖF - mehr darüber auch
hier) |
Hier biegen wir links ab. Nun wird der Weg besser! |
Hindernisrennen
Es folgt nun wieder der Stufenweg mit den hohen Stufen und
den zahlreiche kleinen Abflussgräbchen. Ich komme mir dabei vor wie ein
Rennpferd beim berühmten Hindernisrennen
Grand National in
Aintree. Galopp und Sprung und Sprung und Galopp ... und das alles im
Henkerstempo in Richtung Tal.
»Valentine's Brook«, »Canal Turn«, »The Chair« sind schnell überwunden und auch
dem berühmtesten Hindernis »Beecher's Brook« gewinne ich nur ein müdes
Lächeln ab ...
Irrläufer
Von der nächsten Abzweigung rechts zur Rindalpe kommt mir von
der Alpe ein Läufer entgegen gelaufen. Hat er einen Einkehrschwung gemacht?
Nein, da die Strecke so spärlich ausgeschildert ist, lief er in die falsche
Richtung und erkannte seinen Irrtum erst bei der Alpe.
Rudi aus Gummersbach ruft mir zu: "Du musst gerade aus laufen!". Ach er meint es
gut, aber als geradlinig denkender Mensch hätte ich doch nie anderes getan!
Nein, Spässle gemacht! Natürlich kommt mir heute zugute, dass ich die Strecke
schon mal gelaufen bin.
Die nächste, wieder nicht beschilderte Abzweigung erkennt er
richtig und so muss ich meinerseits nicht einschreiten.
Bald verschwindet er aus meinem vom Blickfeld begrenzten Horizont, da er der
schnellere Abwärtsläufer ist. Rudi, wohl mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn,
gönnt es mir nicht, dass ich ihn überhole, da er ja die weitaus längere Strecke
von uns beiden gelaufen ist. Aber Rudi, wenn Du wüsstest wie egal mir als
Genussläufer es ist, ob ich heute 96. oder
97. von 105 Finishern werde, sicher würdest Du dann einen Gang runterschalten
... |
Noch einmal liegt ein Crossabschnitt vor uns. Ein Wegweiser für die Läufer
fehlt. |
Gebirgsmarathon - Schleim
Bei der Verpflegungsstation an der Mittelbergalpe haben die
dürstenden und gefräßigen Läufer vor uns alles weg getrunken und weggegessen.
Fakt ist: Hier gibt's nur noch Wasser ohne Brot.
Ich fülle frisches Quellnass in meine beiden Flaschen ab und packe aus den
abgründigen Tiefen meines Rucksacks mein Viertel einer großen Laugen - Brezel
aus. Ich habe sie mir zum Ausgleich von Salzverlust mitgenommen. Aber wie
das ganze essen, wenn man da davon so schnell einen trockenen Mund bekommt?
Ganz einfach: Brezelstück in den Mund stecken und einen Schluck Wasser
nachführen. Das vermischt sich im Mund zu einen leckeren Brei, der den
Schleim des Rennsteig Marathons
sicher Ehre macht. Dieser Super - Treibstoff rutscht dann fast wie von selbst in
den Treibstofftank des Gebirgsmarathon - Rennmobils. |
Ich erreiche wieder die Mittelbergalpe |
Noch einmal ein hässlicher Sumpf. Auf schwankenden Balken und
geschotterten Pfaden über weichem Untergrund überwinde ich auch dieses
Hindernis. Die Wege fühlen sich dabei wie schwankende Gummimatten an. Ein
Laufgefühl, das stark an manche ähnlich geartete Wege des Rennsteigs erinnert. |
Weg durch ein Hochmoor
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Ungewollter Duathlet
Bald erreiche ich wieder festen Boden unter den Füßen. Nun
geht es lange und oft sehr steil auf einem teilweise sogar asphaltierten Fahrweg
ins Steigbachtal hinunter.
Dabei kommt mir Stefan den steilen Berg hoch entgegen geradelt. Ich bin fertig
mit der Welt! Mensch, kann der nach seinem 5. Platz bei dem schwersten
Gebirgsmarathon Deutschlands oder vielleicht sogar der ganzen Welt immer noch
nicht genug kriegen? Also sprach Zarathustra: "Ist dieser
Übermensch
sportsüchtig?"
Nein, er sucht seinen Laufpartner, seinen Hund. Der bellende Vierbeiner musste
den Schwierigkeiten der Laufstrecke kläglich Tribut zollen und leider
aussteigen. Er fragt mich: "Hast Du meinen Hund gesehen?" Ich: "Ich weiß nicht,
aber in der Mittelbergalpe sah ich einen Hund, der den deinen ähnelte! Er schien
sich dort sichtlich wohl zu fühlen".
In der Tat war es dann auch sein Hund in der Alpe. So endete
das kleine Ereignis am Rande mit einem Happyend: Das Läuferpaar ward wieder
glücklich miteinander vereint. |
Stefan sucht seinen Hund und wird in der Mittelbergalpe fündig |
Letzter Bergsprint
Ich erreiche das Steigbachtal und nach exakt 7:00 Stunden und
ein paar zusätzlichen Sekunden den letzten Verpflegungspunkt, wo ohnehin schon
alles weggefuttert ist. Ich halte mich daher dort nicht weiter auf. Bis zum Ziel
sind es nun nur noch etwa 1,5 km, aber es geht noch einmal etwa 200 Höhenmeter
bergauf. Ich muss also mit einer Durchschnittssteigung von etwa 15 % rechnen.
Meiner Bergläuferehre zuliebe will ich das alles hoch joggen. Aber natürlich
nicht im Renntempo, sondern in gemütlichen und kleinen Schritten.
Das ganze fällt etwas leichter, da sich eine Mountainbikerin zu mir gesellt. So
ist sogar für etwas Unterhaltung gesorgt. |
Letzter Anstieg zum Ziel an der Mittag - Mittelstation - knapp vor mir eine
Mountainbikerin |