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Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014: 120 km vom tiefsten Punkt Unterfrankens zum fast höchsten Punkt Unterfrankens - Bericht von Thomas Schmidtkonz

Orientierungsultralauf und Abenteuerlauf vom 02.08 - 03.08.2014 von Kahl am Main zum Kreuzberg in der Rhön - 120 km und knapp 3000 Höhenmeter

Teil 2

Bericht Teil 1 - Bericht Teil 2 - Bericht Teil 3Film  - Infos zum Lauf - Weitere Laufberichte - Über den Autor

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

In Bad Brückenau beim Unterfränkischer Orientierungsultralauf 2014

Nach etwa 10 km Laufstrecke durch den Zauberwald bricht die Hügelkette ab. Ein steiler Trail führt uns nun über 250 Höhenmeter hinab ins Tal bei Roßbach. Bald endet hier auch der Wald. Bei einem schönen Aussichtspunkt mit Bank zum Ausruhen legen wir eine Rast ein. Alex hat hartgekochte Eier dabei. Zusammen mit Salz schmecken sie lecker, zumal wir so viel geschwitzt haben.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Ausblick auf Roßbach

Unsere Trinkvorräte gehen schon sehr zur Neige. Unter uns liegt zwar Roßbach, aber im Vorfeld meiner Studien zur Strecke konnte ich dort keine Gastwirtschaft entdecken. Aber im Nachbarort Bieber soll es Gaststätten geben. Dort müssen wir jedenfalls unbedingt unsere Trinkvorräte auffüllen, da dahinter ein riesiger Wald folgt und erst bei der Orbquelle wieder mit Wasser und das dann schon inmitten der Nacht zu rechnen ist.

Brennnesseln und Dornenbüsche

Wir rennen einen schmalen Weg Richtung Tal und Roßbach. Plötzlich versperren Brennnesseln den Weg. Nach links und recht kann man auch nicht ausweichen, da alles durch Weidezäune versperrt ist. Sollen wir umkehren? Da, eine Wegmarkierung deutet eindeutig in Richtung geradeaus! Also Augen zu und durch!
Wir haben beide Shorts an. Da bereiten Brennnesseln wenig Freude. Ich setze meine beiden Walkingstecken als Machete ein. So richtig will das auch nicht funktionieren. Die fasrigen Brennnesseln wickeln sich wie Schlingpflanzen um die Stecken. Nur mühselig kann ich die Stecken von dieser Umklammerung befreien.
Nun gesellen sich auch noch Brombeersträucher dazu. Das ganze entwickelt sich so langsam zum Supergau. Lange halten wir das nicht mehr durch!

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Der zu gewucherte Weg

30 Meter weiter entdecke ich ein Ende. Es dürften nur noch etwa weitere 20 - 30 Meter bis zum Fahrweg sein. Aber diese letzten Meter Hindernislauf haben es in sich! Mit den Stecken ist diesem Dickicht kaum mehr beizukommen! Also können wir uns noch mit zusammengebissenen Zähnen durchkämpfen. Wir weichen so weit es geht den Dornen aus. Die brennenden Nesseln nehmen wir als Gott gegebenes Schicksal hin. Mit stachligen Kletten übersät und brennenden und aufgerissenen Beinen erreichen wir den rettenden Fahrweg. Wie wird das erst in der Nacht werden?

Die Kerb

Endlich in Roßbach angekommen, entdecken wir drei Passanten. Wir fragen höflich, ob man hier wo was zum Trinken bekommt.
"Aber ja doch! Wir sind gerade auf dem Weg zur Kerb! Ihr könnt Euch uns anschließen!"
Wir sind mittlerweile in Hessen und so muss ich erst einmal überlegen, was eine Kerb ist. Ach, das ist ja eine Kirchweih. In Mittel- und Oberfranken nennt man ja so was "Kerwa" und in Unterfranken wie ich von meinem unterfränkischen Begleiter Alex erfahre "Kerm". Weiter oben im Norden Hessens nennen sie die Kerb auch Kirb. Wieviel andere Namensbezeichnungen es für solche Kirchweihen gibt kann man in diesem WIKIPEDIA-Artikel nachlesen.
Wir gelangen schließlich zu einem großen Gemeindehaus, mit ein paar Fahrbuden und einem kleinen Festzelt. Zuerst füllen wir unser Wasser im Gemeindehaus auf und dann kaufen wir uns was zu trinken und zu essen. Die Preise sind hier sehr human, nur die Flaschen und Gläser recht klein. Kleine Kerb, kleine Gläser!
0,25 Liter Mineralwasser oder 0,2 Liter Cola kosten gerade mal 1,20 Euro und 0,33 Liter Bier 2 Euro. Ich ordere ein Bier, ein Mineralwasser und ein Cola. Mein gewaltiger Durst will ja erst einmal gelöscht werden.
Bei der Imbissbude nebenan ist die Auswahl überschaubar. Es gibt Bratwurst oder Currywurst, das alles mit der gleichen Wurst. Vielleicht hätte ich heute Mittag doch keine Bratwürste essen sollen?
Während Alex die Currywurst ordert, bestelle ich mir dann doch ein Bratwurst im Brötchen. Die Bratwurst ist ziemlich dick und ähnelt mehr einer Bockwurst. Statt mit Senf übertünche ich sie mit Currysauce und esse dann sozusagen eine in Curry gebadete Bratwurst.  Irgendwie schmeckt mir das ganze sogar.
Dabei unterhalten wir uns mit einigen Dorfbewohnern und erzählen vor unserem Laufvorhaben und sind plötzlich die Attraktion des Dorfes. Allerdings müssen wir dabei jederzeit damit rechnen, entweder als Hochstapler abgetan zu werden oder sogar die Männer mit den weißen Kitteln hinterher gejagt zu bekommen.
Wir brechen daher vorsichtshalber bald wieder auf.

Im Biebertal

Dummerweise habe ich nicht so recht aufgepasst auf welchen Weg uns die Passanten zur Kerb leiteten. Plötzlich habe ich beim Orientierunglauf Orientierungsschwierigkeiten, weil mein Garmin Dakota nur einen kleinen Kartenausschnitt zeigt. Nein, der Weg in Richtung Lanzingen ist falsch! Wir wollen ja nach Bieber. Oh je, hier heißt alles Biebergemünd. Sowohl Roßbach als auch Bieber sind Ortschaften innerhalb dieser Supergemeinde. Das verwirrt!

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Im lieblichen Biebertal

Ursprünglich wollte ich von Roßbach gleich wieder in die Wälder des Spessarts abtauchen. Aber später stellte ich fest, dass der Weg durch das Biebertal von Roßbach nach Bieber einfacher und auch etwas kürzer ist. Daher laufen wir erst einmal durch das liebliche Biebertal. Dabei überholen wir eine Spaziergängerin, Sie ist sowohl mit Hund als auch Pony unterwegs. Wir kommen mit ihr ins Gespräch. Ich erzähle ihr, wie gerne ich früher mit Gabys Pferd Pebbles joggen ging. Leider lebt ja Pebbles seit einigen Wochen nicht mehr, was mir natürlich auch jetzt noch sehr weh tut.

Der erste richtig große Wald

Hinter Bieber geht es in der immer noch stechenden Abendsonne sehr steil bergauf, während wir am Horizont da und dort auch dunkle Wolken sehen. Dazu ist es immer noch schwül. Wir haben nun etwa 40 km Laufstrecke hinter uns gebracht und fühlen uns erstmals erledigt. Der steile Hang und die drückende Luft tragen dazu ihren Teil bei.
Die Sonne verschwindet nun schon hinter dem gegenüber liegenden Bergrücken. Bald wird die lange und gefürchtete Nacht hereinbrechen. Was wird sie bringen?

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Die Sonne geht unter

An einer Bank mit schöner Aussicht legen wir daher noch einmal eine Rast ein und genießen den schönen Ausblick. Ich leere den Dreck aus meinen Schuhen und reibe die Füße noch einmal mit Hirschtalgcreme ein. Ich möchte unbedingt Blasen und Druckstellen vermeiden, weil solche Dinge einem stundenlang eine wahre Hölle bereiten können, wie ich leider schon aus leidlicher Erfahrung weiß.

Erstmals macht Alex keinen so lustigen Eindruck wie sonst mehr. Was bekümmert ihn? Er sagt es mir nicht.

Schließlich brechen wir wieder auf und erreichen bald den Waldrand. Im Wald ist es schon ziemlich duster. Wir packen vorsorglich unsere Stirnlampen aus, aber schalten sie noch nicht an, weil wir im Restlicht noch genügend sehen.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Wald im Abendlicht

Nun laufen wir durch ein riesiges Waldgebiet, zuerst einmal für etwa 20 km, dann wird mit Burgjoß eine kleinere Ortschaft folgen, bevor es noch einmal für weitere 20 km durch den finsteren Spessart gehen wird. Was bin ich froh, diesmal nicht wie beim Mittelfränkischen Bezirksorientierungslauf im Mai alleine durch den finsteren Forst laufen zu müssen. Hier sind die Wälder noch viel ausgedehnter, man kann also darin noch leichter verloren gehen. Außerdem ist es hier bei der nass feuchten und nebeligen Luft noch gespenstischer als damals in Mittelfranken. Wenigstens wird es aber heute Nacht sicher nicht so kalt werden.

Auf unserem Waldweg geht es nun beständig bergauf. Es ist bereits stock dunkel, als wir dabei erstmals die 500 Metergrenze überschreiten. Fahrwege und Trampelpfade wechseln sich dabei ab. Bei den Trampelpfaden müssen wir in der Dunkelheit höllisch aufpassen, wo wir hintreten.

Im Gespenster Wald

Ich erzähle Alex vom gruseligen Gebelle der Rehe beim Mittelfränkischen Lauf, als ich alleine nachts durch den Wald lief und darüber erschrak.
Aber oh je, reflektieren hier nicht ein paar Augen im Lichtkegel meiner Stirnlampe? Was funkelt da so gruselig? Was blickt so gemein? Ist es ein Wildschwein oder gar ein Luchs? Wildkatzen soll es hier ja geben, aber ein zugewanderter Bär oder Wolf würde in diesem Riesenwald wohl auch nicht so schnell auffallen!
Nein, es sind nur Rehe. Gazellenartig springen sie ohne große Panik an uns vorbei.  Sie sehen in uns keine Gefahr. Dazu sind wir einfach zu langsam für sie. Was würde ich dafür geben, könnte ich auch so leichfüßig und gewandt durch diesen Wald springen.
In der Tat, von uns droht ihnen nichts, aber wohl eher von den Jägersteigen, die man hier immer wieder mal sieht oder besser gesagt von den grün berockten Herren, die hier ab und zu mal oben sitzen.
Ist eigentlich momentan Jagdsaison? Ich hoffe nicht, wir möchten ungern mit einem Rehbock oder gar kapitalen Hirsch verwechselt werden!

Die Luft wird immer feuchter und nebeliger. Der Hauch des Atems und die feinen Tröpfchen des kondensierenden Nebels spiegeln sich im Scheinwerferlicht und verschlechtern die Sicht. Es ist außerdem anstrengend, immer in diesen Lichtkegel reinzugucken. Wie soll ich das die ganze Nacht aushalten? Alex macht sein Licht deswegen nicht an und läuft stattdessen auf breiten Fahrwegen neben mir und engen Pfaden hinter mir.

Orbquelle

Nach 22:00 Uhr nähern wir uns der Orbquelle. Wir müssen sie unbedingt finden, weil wir auf ihr Wasser angewiesen sind, denn wo sonst sollen wir in diesen riesigen Wäldern inmitten der Nacht unsere Wasservorräte auffüllen?
Hier müsste doch rechts der Pfad vom Fahrweg Richtung Quelle wegführen. Wir entdecken aber in der Dunkelheit den Weg nicht. Stattdessen irren wir hin und her. Wenn wir den Weg nicht finden, müssen wir querfeldein hinunter. Das wird nicht leicht, weil es hier sehr steil bergab geht!
Wir klettern auf allen Vieren ein Stück hinab und treffen schließlich auf so was wie einen Pfad. Dieser führt uns zum eigentlichen Wanderweg hin. Dieser gestaltet sich als Weg mit Hindernissen. Wurzeln und Stolperfallen ausweichend, tasten wir uns vorsichtig bergab.
Unten angekommen, erreichen wir eine Straße. Aber wo ist die Quelle? Straße und Finsternis, aber sonst nichts!
Wir laufen die Straße ein kleines Stück entlang, bis ein Weg links weggeht. Dort hören wir was plätschern. Das klingt verlockend! Juhu, das muss die Quelle sein!
In der Tat, das ist die Quelle! Aus einer in eine Mauer eingefasste Leitung fließt das frische Quellnass der Orbquelle. Links daneben entdecken wir ein großes Warnschild mit der Aufschrift "Kein Trinkwasser" und in der Nähe ein Schild "Wasserschutzgebiet". Hier widerspricht sich was! Wieso muss man Wasser schützen, das kein Trinkwasser ist?
Jedenfalls sind wir auf dieses Wasser angewiesen! Ich koste es vorsichtshalber. Es schmeckt perfekt und ist sicher bekömmlicher als die verchlorte Brühe, die sich in meinem Heimatort Forchheim Trinkwasser nennt.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Die Orbquelle

Wir löschen nun unseren Durst und trinken uns die Bäuche voll, so als wäre das hier das beste Bier oder der leckerste Wein. Man muss nur Durst haben, um Wasser schätzen zu lernen. Dazu füllen wir sämtliche Trinkflaschen auf und ich verdünne noch einmal mein ohnehin schon dünnes Red Bull Mixgetränk. Das kühle Nass und die kleine Pause haben gut getan, zumal wir uns auch noch einen kleinen Bissen Essen genehmigt haben.

Land unter

Kurz hinter der Quelle gabelt sich der Weg in einem spitzen Winkel. Das ist die ideale Stelle, um sich selbst mit GPS-Track zu verlaufen! Wir wählen den linken Weg und kommen so in der Tat vom rechten Weg ab. So ein Mist! Wir sind doch nicht auf Umwege erpicht! Also wieder zurück! Auf einem langsam ansteigenden Fahrweg geht es weiter,

Hier könnten wir vielleicht abkürzen, weil der Fahrweg sich in einer großen Spitzkehre den Berg hoch schlängelt. Aber die potentiellen Pfade, die in diese Richtung führen, schauen wenig verlockend aus. Also wählen wir lieber den längeren, aber dafür einfacheren Weg, zumal wir in dieser Waschküche kaum noch was erkennen. Untergrund und Luft werden immer feuchter. Hier muss es stark geregnet haben. Es wurden ja für den Abend und die Nacht reichlich Gewitter vorhergesagt. Aber bislang blieben wir davon verschont. Aber hier kam sicher vor nicht allzu langer Zeit ein starker Gewitterregen herunter. Der musste sein Schleusen geöffnet haben, Gut, dass wir nicht zu schnell unterwegs waren. Sonst hätten wir den abbekommen!

Mittlerweile laufen wir auf einen gemütlichen Fahrweg leicht bergab und kommen gut voran. Dieser große Wald muss nun bald enden und Burgjoß sollte bald in Sicht kommen. Dort können wir vielleicht an einer Bushaltestelle eine kleine Pause einlegen. Die Aussicht darauf muntert uns auf. Mittlerweile laufen wir ja schon in der Geisterstunde!

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Land unter

Dummerweis endet nun der gemütliche Fahrweg. Der nun folgenden Naturweg wird  immer holpriger und seine Pfützen immer größer. Dabei wird es immer schlammiger und das nasse Gras und Vegetation auf dem Weg sorgen für nasse Füße. Hoffentlich holen wir uns mit den patschnassen Füssen und all den Dreck und Matsch, den wir hier uns hier dazu einfangen keine Blasen. Das Laufen mit Blasen macht ja wenig Spaß, zumal wir von der Länger der Strecke her erst etwa die Hälfte geschafft haben. Zeitmäßig wird es noch nicht einmal die Hälfte sein, da ja die größten Anstiege erst noch kommen!

Querfeldein im Nachtnebel

Der Weg wird immer miserabler. Holzstämme, Äste und allerlei Hindernisse versperren den Weg. Wieder einmal kommen wir fast nicht mehr vom Fleck. Alex stolpert hinter mir nur noch herum, weil er seine Lampe immer noch nicht angemacht hat. Ich ermahne ihn: "Du musst nun unbedingt auch Deine Lampe anmachen, Ich habe genug Ersatzbatterien dabei!"
So gesagt, so getan. Wenigstens stolpert er nun nur noch so herum wie ich auch, da wir trotz Licht in diesem nebeligen Regenwald fast nichts mehr sehen. Der Nebel reflektiert im Licht und wir erkennen dabei kaum mehr die Hand vor dem Gesicht.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Hindernislauf

Nun endet der Weg komplett im Gestrüpp. Geradeaus geht es nicht mehr weiter. Da kommen wir nicht weiter, obwohl auf der Karte der Weg hier weiter verlaufen sollte. Aber rechts von uns sollte ein Stück weiter oben am Hang über uns parallel ein Fahrweg verlaufen, der sicher besser ist. Aber wie sollen wir zu ihn hinaufkommen? Da müssten wir dazu rechts hoch. Ich leuchte in den Wald hinein. So weit ich erkennen kann, sind im Wald weniger Gestrüpp und Dornen als hier auf dem angeblichen Weg. Wollen wir versuchen, ob wir hier durchkommen? Immer noch besser als umzukehren! Es dürften ja "nur" etwa 200 Meter bis zum Fahrweg sein!
No risk, no fun! Ästen ausweichend, zwischendurch mal unter Zweigen auf allen Vieren kriechend, kämpfen wir uns ganz langsam nach oben. Wo ist denn endlich der rettende Weg? Wann nimmt das hier denn endlich mal ein Ende?

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Querfeldeinlauf

Es dauert ewig bis ich endlich was erkenne, wo der heiß ersehnte Fahrweg sein könnte. Kurz vor dem Weg müssen wir uns noch einmal durch allerlei Gestrüpp kämpfen. Aber endlich stehen wir wieder auf einem Weg, wo man wieder laufen kann. Wenigstens ist jetzt meine zuvor aufkommende Müdigkeit wie weg geblasen.
Da es dazu leicht abwärts geht, kommen wir nun wieder ganz gut voran.
Endlich endet der Wald. Wir laufen nun parallel zu einer Straße, die wir schließlich erreichen. Während wir ein Stück auf ihr laufen, sehen wir schon in der Ferne die Lichter von Burgjoß brennen. Ein erstes Zeichen von Zivilisation. Nach so viel Wildnis tut das gut!
Die Freude endet jäh. Unser Weg biegt nun links von der Straße ab. Dabei geht es auf einer kurzen giftigen Steigung noch einmal in den Wald hinein. Wir sind darüber enttäuscht und beide erledigt. Daher freuen wir uns als es wieder bergab und aus den Wald heraus geht. Dabei erreichen wir die sog. Waldsiedlung von Burgjoß. Ein Bushäuschen können wir dabei nicht entdecken, aber immerhin eine Bank, wo wir uns erst einmal hinsetzen und ausruhen.

Erstes Leiden von Alex

Alex war die ganze Zeit schon so still. Das ist nicht seine Art. Also muss er was haben! Er rückt nun endlich damit raus. Sein rechtes Bein schmerzt relativ weit unten schon die ganze Zeit. Ich frage ihn: "Hoffentlich kein Ermüdungsbruch o.ä.?" Er verneint das vehement, aber meint, es könnte eine Muskelverhärtung sein. Jedenfalls tut es sehr weh und er bezweifelt dabei sehr, noch bis ins Ziel durchhalten zu können. Nur hier kann er nicht aussteigen! Höchstens gut 20 km weiter in Jossa, wo es einen Bahnhof gibt.
"Sollen wir es tapen?" frage ich. Er verneint das. Aber ich habe eine Pferdesalbe dabei. Die wollen wir draufschmieren. Vielleicht hilft sie! Die Salbe kühlt und lindert den Schmerz. So können wir erst einmal vorsichtig weiter laufen.

Ein weiterer endloser Wald und die "gelaserten" Läufer

Bald lassen wir die Häuser wieder hinter uns. Wir laufen nun im offenen Gelände auf einem Wiesenweg einen Bach entlang. Dabei werden die Füße im nassen Gras noch nässer, soll heißen sie sind nun patschnass. Das ist sehr unangenehm und ich habe wieder mal berechtigte Angst vor Blasen. Nasse Haut bildet leichter Blasen.

Hinter einem Bauernhof, an dem wir uns irgendwie vorbeischlängeln, erreichen wir wieder eine Straße. Diese laufen wir ein kurzes Stück entlang, bevor ein Weg nach rechts zurück in Richtung Bergwälder führt. Der Weg endet nun am dicht zu gewucherten Waldrand, wo wir irgendwie hinein müssen. Unser weiterer Weg verläuft nur wenige Meter weiter im Wald. Aber wir finden einfach keinen Zugang, Daher laufen wir am Waldrand entlang und hoffen weiter auf eine Zugangsmöglichkeit zu unserem eigentlichen Weg. Der Wald ist aber weiterhin zugewuchert, also der Zugang versperrt. Verzweifelt versuche ich mit der Stirn durch die Wand Strategie nach einer Lösung. Ich wähle die nächst beste Stelle und versuche mich als Rammbock, während ich Alex erst mal warten lasse. Nach wenigen Metern bleibt der Bulldozer im dichten Brombeersträuchern hängen. Nein, so geht es auch nicht weiter! Also lege ich den Rückwärtsgang ein. Mühsam taste ich mich zurück.
Wir laufen weitere 500 Meter den Waldrand entlang, bis wir doch noch einen Zugang zum geplanten Waldweg finden, der sich nur etwa 10 Meter vom Waldrand entfernt befand aber von einer Vegetationsmauer versperrt war.

Nun geht es erst einmal für die nächsten paar Kilometer bergauf. Wenigstens schmerzt das Bein von Alex bergauf nicht so sehr wie bergab.
Der Fahrweg würde nun eine riesigen Haken machen. Wenn wir hier eine direkte Abkürzung entdecken, könnten wir an die 3 km Wegstrecke einsparen. Das wäre auch wegen dem bösen Bein von Alex natürlich super. Schließlich entdecken wir eine Rückegasse, die direkt den Berg hinaufführt. Das wäre die ideale Abkürzung, wenn die nicht irgendwo endet.
Auf einem holprigen Weg mit allerlei Pfützen und Gestrüpp tasten wir uns mühselig den Berg hoch. Wenigstens versperrt hier kein Dornengestrüpp den Weg.

Mittlerweile ist es schon nach 2 Uhr morgens, als wir so eine kleine Lichtung erreichen. Dabei entdecke ich einen überdachten Jägersteig und denke mir erst nicht viel dabei. Als ich aber den Jägersteig anleuchte, reflektiert zu meinem Schrecken grünlich ein Fernstecher, wohl mit Infrarotsichtgerät. Oha, da muss jemand oben sitzen! Plötzlich fängt ein Hund das Bellen an. Der Jäger oben beschimpft seinen Hund. Er ist wohl gerade aus einem kleinen Nickerchen erwacht. Genauso erschreckt wie wir, stellt er nun fest, dass hier jemand sein muss. Jetzt hat er uns wohl entdeckt, weil wir vom Laserstrahl seiner Knarre fixiert werden. Ich fühle mich wie in einem billigen Kriminalfilm. Wir die Geiselnehmer, werden von den Scharfschützen der GSG 9 mit den Laserstrahlen ihrer Gewehre anfixiert,
Das finden wir wiederum nicht so toll, leuchten mit unseren Stirnlampen zurück, damit es ihm klar wird, dass wir kein Wild sind und suchen dann schnell das Weite. Da hier im Umkreis von vielen Kilometern nur Wald ist, hat er sicher zu dieser Zeit mit keinem menschlichen Wesen gerechnet und ist wenn schon nicht erschreckt dann zumindest "not amused", weil sich hier wohl die nächsten Stunden kein Wild mehr blicken lässt. Sorry, lieber Waidmann! Das war nicht gewollt! Aber alle Veganer und auch das Wild in der Umgebung darf sich freuen. Ihr süßen Rehlein dürft nun noch etwas länger leben!

Es geht nun meist auf Fahrwegen weiter. Zwischendurch sind diese mit ekelhaft spitzen Steinen geschottert, worüber sich unsere  malträtierten Füße wenig freuen. Außerdem reflektieren immer wieder Augenpaare in meinem Lichtkegel.  Das muss eine wildreiche Gegend sein! Hie und da flattert auch mal was über unsere Köpfe. Wahrscheinlich Eulen, Fledermäuse oder ähnliche in der Nacht fliegende Geschöpfe. Na ja, solange es keine Vampire sind! Was bin ich froh, dass ich hier nicht alleine durch die Nacht laufen muss. Gemeinsam ist das schon viel weniger gruselig.

Immer noch ist die Luft total feucht und der Lichtstrahl reflektiert im Nebel. Das strengt weiterhin ungemein an. Dazu drückt meine Stirnlampe auf der Stirn. Ich habe deswegen schon ein Kopftuch darunter angezogen, damit es nicht ganz so presst. Wie sehr erflehen wir den Morgen! Aber bei dem trüben Wetter, wird es noch etwas dauern bis das erste Morgengrauen anbricht und das Grauen der Nacht vertreibt.

Morgengrauen

Gegen 4 Uhr morgens erreichen wir den Waldrand und kurz dahinter Jossa. Es ist immer noch total finster. Von Morgenlicht noch keine Spur. Zudem sind wir ziemlich erledigt und Alex schmerzt sein Bein wieder fürchterlich. Bei einer Bank legen wir eine Rast ein. Alex hat immer noch ein paar hart gekochte Eier dabei und spendiert mir wieder welche. Mit Salz schmecken die lecker und beleben uns.
"Alex kannst Du noch oder willst Du aussteigen? Hier in Jossa gibt es einen Bahnhof!" Alex winkt ab. Er hat keine Lust stundenlang am kalten Bahnhof auf den ersten passenden Zug zu warten. Ich gebe ihn wieder was von der Salbe und dazu eine Voltaren Schmerztablette, die ich für solche Notfälle dabei habe, auch wenn ich kein Freund von Schmerztabletten bin. Aber hier liegt  ein Notfall vor, wo man den Teufel mit dem Belzebub austreiben muss.

Die nächsten vielen Kilometer wollen wir durch das Sinntal laufen. Einmal bleiben uns da zum großen Teil Waldgebiete erspart und außerdem auch größere Anstiege.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Alex vor mir im Morgengrauen

Endlich graut so langsam der Morgen. Mich belebt das. Ich erlebe einen zweiten Frühling. Aber der neben mir herhumpelnde Alex tut mir nicht nur leid, sondern macht mir auch große Sorgen. Wird er wenigstens bis Bad Brückenau durch halten? Dort könnte er dann in ein Hotel oder Cafe gehen und warten bis ihn meine Frau Gaby abholen kann.
Immer wieder schmiede ich neue Pläne, fasse neue Gedanken und verwerfe wieder dieses und jenes.
Wie auch immer, wir müssen jetzt die einfachsten und kürzesten Wege wählen und zur Not auch mal Straßen entlang laufen, auch wenn ich Traillauffan bin. Die Situation erfordert das nun.
Das ist sicher der Vorteil so eines Laufs. Man kann die Strecke den Gegebenheiten anpassen. Bei einer normalen Laufveranstaltung muss man dagegen auf den vorgegebenen Wegen bleiben. Dafür dürfen wir aber auch keine Hilfe von außen erwarten!

Sonnenaufgang und Straße

Die nächsten 9 km laufen wir eine Straße entlang. Besser gesagt wir gehen, weil es ja Alex mit seinem Bein miserabel geht. Teilweise geht er sogar rückwärts, weil das sein Bein etwas entlastet. Ich scherze deswegen, um die bedrückende Stimmung aufzulockern. Wenn Humor in so einer Notlage nicht mehr weiterhilft, kann übrigens auch etwas Sarkasmus hilfreich sein.
Damit wenigstens ich nicht auf schlechte Gedanken komme, genieße ich den wunderschönen Sonnenaufgang und die Sonnenstrahlen, die nun durch den Dunst und Nebel brechen. Ein herrliches Naturschauspiel! Zum Fotografieren habe ich ja jetzt genügend Zeit, da wir dahin schleichen. So gelingen mir immerhin einige stimmungsvolle Morgenfotos.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Fantastischer Sonnenaufgang

Wenigstens fahren hier so früh am Sonntagmorgen kaum Autos. So haben wir die meiste Zeit die ganze Straße für uns alleine und dürfen uns als so eine Art King on the Road fühlen. Diese königliche Stimmung verfliegt aber schnell, denn der harte Asphalt drückt auf meinen Fußsohlen. Zudem schmerzt es auch hier oder dort. Ich weiß nicht, habe ich mir schon wieder ein Steinchen eingefangen oder bildet sich dort schon eine Blase?
Aber ich jammere auf hohen  Niveau. Im Vergleich zu Alex geht es mir noch gut.

Das Wunder vor Bad Brückenau

In Eckarts biegen wir endlich von der Straße ab. Rechts von uns weiden ein paar Kühe. Bei einigen von ihnen hängt der riesige Euter bis zum Boden herab. Das ist nicht nur unnatürlich, sondern sieht auch abartig aus. Mir tun diese Hochleistungskühe leid. Alex mit seinem Bein, tut mir aber auch leid. Bei einem Bushäuschen stoppen wir. Endlich bandagiert Alex sein Bein doch mit einem Tapeband.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Alex taped sein Bein

Das ist seine letzte Chance, ganz bis ins Ziel durchzukommen. Ich spreche noch ein paar Heilungshexensprüche und gebe ihn für alle Fälle noch einmal eine Schmerztablette. Wenn das alles nicht hilft, sind wir mit unserem Latein endgültig am Ende.
Und siehe da, plötzlich geht es so halbwegs! Wir können weiterlaufen! Vielleicht hält sein Bein nun doch durch! Hier hilft sicher auch der eiserne Willen von Alex und sein Durchhaltevermögen. Ein anderer hätte sicher schon längst das Handtuch geworfen. Aber dafür trägt er ja auch einen Teil des den Namens Alexanders des Großen.

Frühstück in Bad Brückenau

Bad Brückenau ist ein bekannter und beliebter Kurort. Daher hofft Alex auf einen Kaffee und ich als Genussläufer auf ein üppiges Frühstück. Zumindest ein Hotel sollte jetzt um etwa 8 Uhr morgens schon offen haben! Endlich erreichen wir den schönen Kurpark, der im weichen Morgenlicht noch mehr beeindruckt.

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Auf dem Weg zum Frühstück in Bad Brückenau

Inmitten des Kurparks entdecken wir das Bad Hotel Bad Brückenau, wo Hotelgäste nach einer sicher geruhsameren Nacht als der unseren bereits im Freien sitzen und frühstücken. Wir setzten uns an einen freien Tisch. Zu unserer Freude bekommt Alex seinen Kaffee und ich darf mich für 10 Euro am reichlichen Frühstücksbüffet bedienen. Dabei versuche ich den Hotelgästen nicht zu nahe zu kommen, da ich so verschwitzt und verdreckt wie ich bin, sicher nicht allzu gut rieche.
Das Frühstück belebt uns. So füllen wir uns um Klassen besser als zuvor, als wir wieder aufbrechen. Nur das Anlaufen mit bereits etwa mühseligen 90 km  in den Beinen ist richtig unangenehm. Das tut so richtig schön weh! Aber nach kurzer Zeit fühlt sich bald alles wieder besser an.
Über die Kuranlagen und den sehenswerten Kurpark verlassen wir das Kurgelände.

Unterfränkischer Orientierungsultralauf vom 02.08 - 03.08.2014

Blütenmeer im Kurpark

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