Nachtlauf
Die Kälte weckt mich gegen 4:00 morgens. Es ist
bitterkalt. Das ist bei dieser Tour mein bislang kältester Morgen. Ich
ziehe alles Warme an, das ich bei mir habe. Noch ein letzter Blick, ob
ich auch ja nichts liegen gelassen habe und noch einmal die Technik
gecheckt! Ja endomondo ist schon im Gang und mein Dakota zeigt auch schon
die für heute zu laufende Strecke an. Wie sieht es mit den
Wetterprognosen aus? Ab morgen soll es milder werden. Das kommt mir
sicher entgegen, da ich nun immer mehr in die Berge hineinlaufen werde.
Allerdings soll sich ab Montag das Wetter verschlechtern. Ich sollte
daher noch möglichst bis Sonntag also übermorgen den Zugspitzgipfel
erreichen. Das könnte machbar sein, aber um es zu schaffen, muss ich mich
schon etwas sputen.
Aber jetzt muss ich erst mal in der Dunkelheit wieder
den steilen Hügel querfeldein zum Weg hinunter. Gerade bergab ist das in
der totalen Finsternis gar nicht so einfach, trotz meiner Stirnlampe.
Aber endlich komme ich unten an. Der Hauch meiner Atemluft
reflektiert sich gespenstisch in der eiskalten Luft. Es ist finster, eiskalt,
totenstill und nur über den Baumkronen kann ich ein paar Sterne erkennen,
wenn ich die Lampe ausschalte.
Bald endet der Wald. Dort ist es in der sternklaren
Nacht etwas heller. Da ich auf einem breiten Fahrweg auf problemlosen
Untergrund laufe, kann ich die Stirnlampe ausschalten und den herrlichen
Sternenhimmel beobachten. Ein abnehmender dünner Sichelmond scheint
rötlich. Er wild bald untergehen und in etwa zwei Tagen wird wohl dann
Neumond sein. Die Folgenächte werden also nicht heller werden!
Wieder einmal laufe ich auf hügeligem Terrain an
einsam Bauernhöfen vorbei. Wiesen und Wälder wechseln sich dabei
ständig ab. Gerade in den Wäldern ist es stockdunkel und neben der
gruseligen Stimmung darin muss ich höllisch aufpassen, dass ich mich
nicht verlaufe.
Momentan überlege ich, ob ich später die
einfachere Strecke über das Gaißachtal und dann die Isar entlang nach
Lenggries laufen soll oder die schwierigere aber sicher landschaftlich
schönere Strecke über Tegernsee und dann über die bis zu etwa 1500 m hohen Berge
nach Lenggries. Erstere Strecke ist etwas länger aber deutlich flacher
und letztere vielleicht 3 - 5 km kürzer, hat aber alpine Wege und viele
Höhenmeter zu bieten, ich werde also für sie deutlich länger brauchen.
Da ich mich dazu erst vor Gmund entscheiden muss, werde ich meinen
Entschluss dafür erst einmal aufschieben und schauen wie ich bis dahin voran
komme.
Herrlicher Morgen
Endlich graut ganz langsam der Morgen. Unter mir sehe ich
bereits das Lichtermeer von Miesbach. Es wird nun ein ganzes
Stück bergab gehen. Als es heller wird, öffnet sich eine wunderschöne
Szenerie. Über den teilweise mit Raureif bedeckten Wiesen liegt Dunst, während die Morgenröte den Himmel fantastisch einfärbt.
Ich laufe nun durch Miesbach. Es herrscht schon der
übliche Morgenverkehr. Aber ich entdecke weder ein Cafe noch eine
Bäckerei, die schon offen haben. Ich halte mich aber auch nicht lange
mit einer Suche danach auf. Mein Ziel ist ja, ich will möglichst schnell weiterkommen. Dabei führt mich ein Wegweiser nach Gmund in die Irre.
Er weist mich
in die falsche Richtung, weil der ausgewiesene Weg bei weitem weder der
kürzeste ist noch mit meinem geplanten Weg übereinstimmt. Also muss ich
nach einem Umweg von etwa 300 Metern wieder umkehren.
Eine ansteigende Straße führt mich aus Miesbach hinaus. Ich bin froh, als ich
wieder auf einen Weg abbiegen kann. Dabei geht die Sonne auf und taucht
die Landschaft mit den leichten Nebelfeldern in ein wunderschönes Licht.
Ich kann mich nicht satt sehen und zücke deswegen natürlich auch die
Kamera.
Das sind so die allerschönsten Momente eines solchen Laufs. So was
möchte ich nicht missen! Dieses nur kurz andauernde Naturerlebnis ist
Gold wert!
100 Meilen
Ich laufe im weiteren Verlauf durch eine leicht
hügelige und wunderschön liebliche Voralpenlandschaft mit saftig grünen
Wiesen. Aber jetzt nach 64 Stunden und einer Minute Laufzeit gibt es für
mich erst einmal einen kleinen Grund zu feiern. Erstmals habe ich bei einem
ausgeschriebenen Nonstoplauf die 100 Meilenmarke überschritten. Sicher
mit einer Laufzeit, die selbst ich unter anderen Umständen, also bei
einem durchorganisierten Lauf, toppen könnte. Aber ich bin dennoch etwas
stolz!
Querfeldein
Gleich hinter der 100 Meilenmarke endet mein Weg am
Waldrand einer Wiese. Eigentlich sollte hier ein Weg weitergehen. Aber
am Waldrand ist nur undurchdringliches Dickicht. So komme ich nicht
einmal in den Wald hinein und dahinter geht es gleich steil bergab.
Ich suche den Waldrand ab. Endlich komme ich doch irgendwie in den
Wald hinein, aber darin ist alles weglos, zudem geht es gleichen einen steiler
Hang hinab. Ich angle mich an der Hangkante entlang, aber auch hier von
Wegen weit und breit keine Spur! Ich muss da querfeldein runter. Also
krabble ich irgendwie den Hang hinunter. Unten heil angekommen, stoße
ich wieder auf einen Fahrweg. Wieder habe ich ein kleines Abenteuer heil
überstanden!
Tegernsee?
Auf einer schmalen Landstraße überholen mich zwei
Läuferinnen. Sie nutzen diesen schönen Freitagmorgen offensichtlich für
ein kleines Morgenläufchen. Vielleicht trainieren sie auch für den
Tegernseelauf, der laut einem Plakat in gut einer Woche stattfinden
soll. Dort lief ich ja letztes
Jahr zusammen mit Gaby mit. Uns beiden gefiel das Laufevent sehr
gut. Nun bin ich wieder fast am Tegernsee, aber unter ganz anderen
Umständen. Außerdem stellt sich nun die Frage, ob ich die Tegernseevariante
mit den Bergen laufen soll oder die einfachere nördlichere Route, welche
den Bergkamm umgeht. Die schwerere Variante würde mich ungemein reizen,
da ich eigentlich noch recht gut drauf bin. Aber ich entscheide mich für
die vernünftige Lösung und somit die einfachere Strecke, zumal ich auch
zeitlich gesehen nicht ganz so gut unterwegs bin. Aber am wichtigsten
ist, ich will mein Hauptziel nicht aus den Augen verlieren und das ist
die Zugspitze und das wegen der Wetterprognosen möglichst schon am
Sonntag!
Meine beiden Mitstreiter
Mittlerweile weiß ich auch über facebook in etwa wie
es Thomas Herzog und Thomas Eller ergangen ist. Thomas Herzog startete
eine Tag nach mir und war mir zeitweise sehr auf den Fersen. Er nahm
aber keine Biwakausrüstung mit, was bei den extrem kalten Nächten sicher
keine so gute Idee war. So verbrachte er in die erste Nacht halbwegs vor
der Kälte geschützt bei einer Sparkasse. Gemütlich war das aber sicher
nicht und ich weiß nicht wieviel er da schlafen konnte. Dann hatte er so
wie ich mit den Böhmischen Dörfern zu kämpfen, wo es weder was zu kaufen
noch Einkehrmöglichkeiten gibt. Er will nach diesen Strapazen und auch
weil ihn wegen eines anderen Termins die Zeit davonläuft, nun bis Bad
Tölz laufen und dann mit dem Zug nach Garmisch weiterfahren. Am
Samstag, also morgen, will er die Zugspitze erklimmen.
Thomas Eller lief noch einen Tag später los. Bei ihm
spielte dann schnell die Technik verrückt, er konnte seinem GPS-Track
nicht mehr folgen, was dann ja die Orientierung noch einmal schwieriger
machte. Er brach daher den Lauf ziemlich bald ab, nachdem er die Salzach
verließ. Er ist nun auch auf dem Weg nach Garmisch und will Thomas
Herzog morgen bei seinem Lauf zur Zugspitze hoch begleiten.
Einkauf
In Dürnbach entdecke ich zu meiner Freude einen
Pennymarkt mit Bäcker. Hier kann ich meine Vorräte ergänzen und mein
Frühstück nachholen. Frisch gestärkt laufe ich nun in Richtung
Marienstein weiter. Weil ich mir wieder mal auf Wiesenwegen patschnasse
Füße geholt habe, lege ich bei einer Bank neben einer winzigen Kapelle
eine kleine Pause ein. Ich ziehe die Schuhe und Strümpfe aus und lasse
meine Füße in der Sonne trocknen. Um Blasen zu vermeiden, schmiere ich
sie mit Hirschtalgcreme ein.
Die Strümpfe sind leider noch nicht trocken, als ich sie wieder anziehen
muss. Das fühlt sich natürlich unangenehm an. Aber ich will keine
sauberen Strümpfe für die sicher bald nächste nasse Wiese opfern.
Kaltes Bad
Ich laufe nun durch ein liebliches und einsames
Bachtal in Richtung Marienstein. An einer Stelle mit flachem Bachufer
komme ich gut an an den Bach ran. Da weit und breit keine Menschenseele
zu sehen ist, ist das eine ideale Stelle für eine Rasur und eine
Ganzkörperwäsche. Allerdings pieksen die spitzen Steine meine Fußsohlen
und das Wasser ist eiskalt. Aber so ein Lauf ist ja nichts für
Warmduscher! Da muss ich jetzt durch.
Aber die die damit verbundenen Leiden haben sich rentiert. Nach der
Wäsche und dem Bad im kalten Wasser fühle ich mich wie neugeboren!
In diesem eiskalten Bach nehme ich ein kleines Bad.
Gaißachtal und Isartal
Bald dahinter erreiche ich Marienstein und dahinter
das schöne Gaißachtal. Ein Fahrweg führt mich durch einen dichten
Bergwald und eine immer tiefer werdenden Schlucht in Richtung Isartal.
Ich laufe nun auf einem Fernradweg. Entsprechend viel Radfahrer kommen
mir entgegen. Dabei muss ich, speziell wenn es bergab geht immer etwas aufpassen,
dass mir kein Radfahrer reinfährt.
Schließlich endet der Wald und die Landschaft öffnet
sich bei den Attenloher Filzen, dazu das wunderschöne Panorama der
Alpen. Endlich habe ich die Alpen erreicht! Das Isartal führt mich nun
durch diese schöne Moorlandschaft von nun ab in Richtung Süden zur Isar und
dann Lenggries, was mein nächstes großes Ziel ist.
Bei Kellern gelange ich schließlich zum Isarufer. Ich
laufe nun etliche Kilometer am schönen Uferweg entlang, während neben
mir die Isar lustig plätschert und das Wasser in Richtung Bad Tölz und
München weiter fließt. Hier führte ja mal der schöne
Isarlauf entlang.
Das war damals ein Mehrtagslauf, der viele Kilometer von der Mündung bis
zur Isarquelle führte. Offensichtlich gibt es nun einen kleinen Bruder
dieses Laufs! Ich entdecke hier immer wieder Kilometermarkierungen eines
30 km und 21 km langen Isarlaufs, der wohl morgen stattfinden wird. Schade, ich
habe das ganze um einen Tag verfehlt habe.
Heute ist es irgendwie drückend warm, dies erstmals
auf meiner Tour. Die Tage zuvor waren zwar meist sonnig, aber selbst
mittags war es immer noch relativ frisch. Dazu ziehen jetzt auch noch
dunkle Wolken auf. Hoffentlich überrascht mich nicht noch ein Gewitter!
Und
schon öffnet der Himmel seine Schleusen. Aber so schnell wie der Regen
plötzlich runterkam, hört es schon wieder auf.
Unerwartetes Treffen
Als ich in Lenggries einkehren will, klingelt mein
Telefon. Thomas Eller ist dran und fragt mich, wo ich gerade bin. Ich
nenne ihn den Namen der Gaststätte. Da er auch gerade in der Nähe von
Lenggries ist, wollen wir uns treffen. Diese Überraschung ist gelungen.
Kaum habe ich mir ein Bier und ein Abendessen bestellt, ist auch schon
Thomas da. Wow, wie manchmal spontane Verabredungen klappen. Hätten wir
lange zuvor was mit allerlei Plänen ausgemacht, hätte es sicher nicht
geklappt.
Wir haben allerlei zu erzählen. Das kostet
natürlich Zeit. Aber ich muss ja bis zum Beginn der Dunkelheit noch ein Stück
schaffen. Es hilft alles nichts, auch wenn der Abschied schwer fällt, ich
muss weiter!
Schwarzenbachtal
Ich laufe nun noch ein weiteres Stück die Isar entlang.
Sie
sieht jetzt zusammen mit den Bergen im Abendlicht besonders schön aus.
Ja, gerade die Morgen- und Abendstimmungen sind immer besonders schön.
Schließlich überquere ich die Isar in Richtung Westen und
laufe dahinter ins Schwarzenbachtal hinein.
Schnell wird es nun wieder dunkel. Ich packe meine
Stirnlampe aus und jogge weiter. Als der Weg in einen Wald hineinführt,
schaue ich mich nach einem Biwakplatz um, da das Tal dahinter nun immer
enger wird und daher dahinter schwer ein ebener Übernachtungsplatz zu finden
sein wird.
An einer Stelle zwischen Weg und Bach, nach meinem
Gefühl etwas zu nah am Weg, finde ich schließlich einen ansonsten
passenden Platz. Just, als ich meinen Platz einrichte, also Isomatte
ausrolle und den Schlafsack auspacke, kommen zwei Mountainbiker den Weg
hinuntergeschossen. Sicher wundern sie sich über das Lichtgeflacker im
Wald neben ihnen. Ich mache die Lampe gleich aus, Muss ja nicht jeder
wissen, dass hier jemand pennt. Aber sie fahren weiter und so habe ich
meine Ruhe.
Bevor ich es mir in meinem Schlafsack gemütlich mache, esse ich noch
einen Bissen. Dann putze ich die Zähne und lege ich mich in mein warmes
Bett. Ich schließe die Augen und genieße das Rauschen des Bachs. Es
scheint auch heute Nacht nicht mehr so bitter kalt zu werden! Irgendwie
ist diese bissige Abendluft nicht mehr
vorhanden.
Bald schlafe ich ein!
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