Frühes Erwachen
Ich schlafe noch nicht lange, als es zu regnen
beginnt. Die Regentropfen wecken mich. Muss das jetzt noch in der
letzten Nacht sein? Ich packe einen gelben Sack aus, den ich für solche
Fälle dabei habe und bugsiere Rucksack und Schuhe in den Sack. So ist
das schon mal vor dem Regen geschützt. Die Isomatte schiebe ich nun
mühselig in den Biwaksack rein. Falls es nicht regnet, ist es
angenehmer, wenn sie außerhalb des Sacks ist. Danach schlafe
ich wieder ein.
Als ich um 1:30 wieder erwache, hat der Regen
wenigstens aufgehört. Da ich möglichst bald loslaufen will, stehe ich
auf, putze die Zähne und packe meine Sachen zusammen, die außer
Biwaksack und Gelben Sack trocken geblieben sind. Auf ein kleines
Frühstück so früh am Morgen verzichte ich. Ich kann ja später bei einer
Rast noch eine Kleinigkeit essen. Einen heißen Tee muss ich mir aber
dazu denken, da ich ja weder Kocher noch Tee dabei habe.
Wieder einmal es ist es sehr frisch in der Nacht,
auch weil ich in knapp 1000 Meter Höhe biwakiert habe. Aber es ist nicht
mehr so eisig wie in den vorherigen Nächten. Bei der Kälte vor ein paar
Tagen war es auf der Zugspitze noch bis zu -10 Grad kalt. So was wird
mir heute erspart bleiben. Dennoch ziehe ich erst einmal alle
Kleiderschichten an, die ich dabei habe. Später, wenn es mir beim Laufen
warm wird, muss ich wieder eine Schicht nach der anderen Schicht
ablegen. Das ist jedes mal etwas lästig und auch zeitaufwändig, weil ich
da zuerst den schweren Rucksack ablegen und ihn öffnen muss, dann die
Sachen passend verstauen und schließlich wieder den Rucksack aufnehmen
muss.
Hindernislauf in der Nacht
Heute morgen will ich zuerst ein ganzes Stück das Ferchenbachtal hinab laufen bis der
Ferchenbach in die Partnach mündet.
Von dort aus geht es dann das Reintal und dahinter immer weiter in
Richtung Zugspitzgipfel hoch. Das sind noch erstaunlich viele Kilometer.
Daher wird sich meine Gipfelsturm noch ganz schön in die Länge ziehen.
Aber zuerst laufe ich auf
einem gemütlichen Fahrweg immer mehr oder weniger abwärts in Richtung Partnach. Ich bin frohen
Gemüts, weil heute das erste Stück so angenehm
zu laufen ist und ich dabei dennoch dem Gipfel immer näher komme.
Plötzlich sehe ich im Schein meiner Stirnlampe keinen Weg mehr vor mir
sondern nur noch ein schwarzes Loch. In der Dunkelheit unter mir rauscht
der tosende Ferchenbach. Ich leuchte die Stelle aus, so weit es geht. Oh
je, da hat ein Felsrutsch ja den ganzen Weg weggerissen! Links unter mir das tobende
Wildwasser und rechts davon eine steile Bergwand. Zum Bach kann man
nicht hinunter. Das wäre absolut lebensgefährlich und rechts am Rand
geht es auch nicht weiter. Das wäre selbst mit Kletterausrüstung
lebensbedrohlich.
Jetzt fällt es mir wieder ein. Gestern stand doch ein
Schild am Taleingang, dass dieses Tal gesperrt ist. Da hätte ich doch den
anderen Weg nehmen müssen! Muss ich nun zurück und dann über
Hintergraseck, Wildenau und Partnachklamm laufen? Das ist ein
Riesenumweg und schaffe ich es dann noch heute bis zur Zugspitze? Die
letzte Bahn fährt ja schon um 16:45 von dort runter! Bis dahin muss ich
oben sein! Morgen hochgehen macht auch wenig Sinn, weil das Wetter
dann übel sein soll!
Was nun? Das ist nun die große Frage!
Das Sumpfloch
Ich leucht noch einmal alles aus. Ah, ein kleines
Stück vor dem Abbruch führt rechts ein schmaler Pfad hoch. Könnte das
ein Ausweichweg sein?
Ich krabble hoch. Auf einer Anhöhe angekommen, stehe ich vor einem
bodenlosen Sumpfloch, das etwa 5 Meter Durchmesser hat. Links kann man
nicht ausweichen und rechts auch nicht. Da muss ich direkt durch!
Der einzige
Weg dazu führt über einen recht schmalen Baumstamm, der in der Mitte
liegt. Wenn ich da ausrutsche, falle ich wenigstens weich, auch wenn ich
dann wohl wie ein Schlammmonster aussehe. Aber das muss ich wohl jetzt
riskieren! Was bin ich froh, dass ich Stecken dabei habe. Mit denen kann
ich mich ausbalancieren bzw. auch Halt durch Abstützen suchen.
Vorsichtig setze ich den ersten Schritt auf den Baumstamm. Liegt der
wenigstens fest im Untergrund oder wackelt oder dreht es sich sogar?
Er
gibt durch mein Gewicht etwas nach, aber wenigstens rollt er nicht zur
Seite. Ich hoffe er hält meinem Gewicht Stand. Vielleicht sollte ich
jetzt doch endlich mal etwas abnehmen? Aber dafür ist es jetzt zu spät.
Er muss mein Gewicht aushalten!
Dieses bodenlose Sumpfloch hat einen Durchmesser von etwa 5 m und musste ich auf
diesem Baumstamm balancierend überqueren
Während mein Herz in Richtung Hosentasche rutscht,
balanciere ich ganz vorsichtig auf dem wackeligen und immer dünner
werdenden Baustamm. Nach etwa 3 Meter teste ich den Untergrund links von
mir aus. Er sieht zwar auch morastig aus, aber die Konsistenz scheint
fester zu sein. Zuerst sah ich nur schlammiges Wasser, aber hier scheint
es richtiger Schlamm zu sein! Ich trete auf und versinke nur bis knapp
zu den Knöcheln. Dahin kann ich ausweichen, weil nun der Baumstamm zu
dünn wird.
Welch eine Erleichterung, als ich endlich das Sumpfloch hinter mir habe!
Noch so ein Erlebnis brauche ich heute nicht mehr!
Der schmale Pfad führt nun wieder bergab und endet auf dem Fahrweg. Er
ist
hier wieder intakt. Ich laufe mit bester Laune weiter.
Der Seitenbach
Die Freude währt nur kurz. Schon nach 100 - 200
Metern ist der Weg wieder weggerissen. Auch hier geht es nicht mehr
weiter! Da müssen ja gleich ein paar Erdrutsche getobt haben! Na ja,
wenn es vorhin einen Ausweichpfad gab, sollte hier ja vielleicht auch
einer sein. Und in der Tat führt wieder ein Ausweichpfad den Berg hoch,
Dieser wartet zwar zwar mit keinem Sumpfloch auf, aber nun muss ich
einen kleinen Bergbach queren, der direkt von oben kommt und wohl auch
wegen dem Hangrutsch ein mannstiefes Bett gebildet hat, das sehr steil
in Richtung Ferchenbach abfällt.
Hier endet der Weg zum zweiten mal. Links rauscht der Ferchenbach, Ich muss
rechts ausweichen ...
... und dann diese instabile, rutschige und lebensgefährliche Rinne
queren.
Wenn ich das quere und dabei abrutsche bin ich hin!
Ich stochere mit den Stecken herum, ob das ganze wenigstens halbwegs
stabil ist. Ja, ich kann mich in die Rinne runterwagen! Vorsichtige
quere ich die Rinne. Aber dahinter muss ich wieder knapp zwei Meter
hoch. Mit Rucksack schaffe ich das nicht. Ich lege den Rucksack ab und
hieve ihn hoch und schiebe meine beiden Stecken hinterher. Rechts
entdecke ich Gott sei Dank feste Wurzeln. Da kann ich mich hochziehen!
Diese Stelle war noch schlimmer als die erste Stelle, weil sie lebensgefährlich war. Ich höre mein Herz immer noch pochen.
Immerhin
sind Müdigkeit, Schmerzen an der Achillessehne und Muskelkater
verschwunden. Aber für welchen Preis?
Für heute bin ich bedient! Auf weitere Erlebnisse dieser Art will ich
nun wirklich endgültig verzichten!
Die Mure
Aber wie heißt es so schön: Alle guten Dinge sind
drei! Wieder endet der Weg bei einem bodenlosen Loch, wo dieser
verdammte Ferchenbach höhnisch unter mir rauscht. Wenigstens bin ich
mir nun sicher, dass es wieder einen Ausweichpfad geben muss. Aber mit
was wird der nun aufwarten? Ich habe mich doch hier nicht zu einem
Tough
Guy Race oder einem ähnlichen Hindernisrennen angemeldet! Hier
findet das allerdings unter verschärften Bedingungen statt. Es ist
Nacht, ich bin völlig alleine und Hilfe oder Rettungskräfte darf ich
hier im Fall eines Falles auch nicht erwarten!
Wieder krabble ich einen extrem steilen Pfad auf allen
Vieren hoch. Diesmal muss ich eine Mure queren. Hinauf klappt das ganz
gut, aber als es wieder runter geht, stehe ich vor einem weiteren
Malheur. Es geht sehr steil runter. Der Untergrund ist dabei so eine Art
Ton-, Sand- und Lehmgemisch. Es ist sehr feinkörnig, so hart wie Fels
und entsprechend wenig Halt hat man da. Die Stecken kann ich hier auch
nicht hineinstochern, um wenigstens etwas Stabilität zu gewinnen. Der Boden ist dazu einfach zu hart. Ich überlege eine
zeitlang. Dann fällt mir die Lösung ein. Ich setzte mich auf den
Hosenboden. Weil der Untergrund rau ist und so die Reibungskräfte groß
genug sind, kann ich kontrolliert hinunter rutschen. Auf dem Hintern bewege ich mich so weit runter, bis ich ein paar
Sträucher entdecke, an denen ich mich festhalten kann und so den Rest
wieder auf den Beinen talwärts runter krabbeln kann.
Was atme ich auf, als ich auch dieses Hindernis überwunden habe!
Bangen und Zittern
Wieder auf dem Fahrweg angekommen bleibt die
Ungewissheit, was als Nächstes folgt. Unten, kurz vor der Partnach, muss ich
noch auf einer Brücke den Ferchenbach queren, um auf den Weg durchs Reintal zur Zugspitze zu gelangen. Wenn die Brücke auch weggerissen ist,
muss ich wohl das Handtuch werfen. Noch schlimmer wäre dann die
Gewissheit noch einmal alle Hindernisse in die anderen Richtung, wenn
gleich dann wenigstens bei Tageslicht queren zu müssen, weil dann der
Rückweg der einzige Weg aus dieser Falle wäre. Wenigstens weitet sich
nun das Ferchenbachtal etwas und sieht nicht mehr ganz so bedrohlich
aus. Sicher kann man hier bei einem weiteren Erdrutsch besser
ausweichen. Dennoch blicke ich nach jeder Kurve und Kehre mit meiner
Stirnlampe mit Bangen auf den weiteren Wegverlauf! Hoffentlich kommt jetzt nicht die
nächste Mure! Endet der Weg schon wieder? Nein, er geht weiter, alles
sieht gut aus!
Beginn des Reintals
Wann bin ich endlich bei der Partnach und im Reintal?
Immer wieder schaue ich auf mein Navi. Wann endet endlich das
Ferchenbachtal?
Endlich gelange ich zur Brücke über den Ferchenbach. Juhu, sie steht
noch! Also kann ich doch weiter in Richtung Zugspitze laufen!
Kurz dahinter erreiche ich den eigentlichen Weg zur Zugspitze und das
Reintal. Es ist nun kurz nach 3:00 morgens und zur Zugspitze sollen es
von hier aus noch gut 9 Stunden sein. Wenn ich dieses Tempo in etwa
einhalten kann, bin ich gegen Mittag oben! Mittlerweile bin ich nur noch
auf einer Höhe von gut 800 m NN. Es sind also noch über 2000 Höhenmeter
bis zum Gipfel, es liegt also noch einiges vor mir.
Die erste Zeit laufe ich einen Fahrweg, der beständig
aber meist nicht allzu steil in die Höhe führt. Leider sehe ich in der
Finsternis nicht allzu viel in diesem immer enger werdenden Tal, wo sich
links und rechts steile Berghänge erheben.
Gegen 4:00 habe ich bereits die 1000 Metermarke wieder überschritten.
Nun endet der Fahrweg. Ein schöner Wanderweg führt mich wieder in
Richtung Partnach, von der ich mich zuvor etwas entfernt habe. In einer
Klamm tost die Partnach unter mir. Schade, dass ich bei der Dunkelheit
hier nur so wenig erkennen kann. Diese Hinterklamm, kann zwar sicher
nicht mit der vorderen Partnachklamm bei Garmisch mithalten, aber bei
Tageslicht ist sie bestimmt schön anzuschauen.
Märchenwald und Bockhütte
Nach der Klamm folgt ein verwunschener Märchenwald.
Der Bergwald hier sieht jetzt zumindest in der Nacht richtig urig
aus. Jetzt fehlt nur noch der
Froschkönig! Und in der Tat, bin ich heute nicht der einzige
Wanderer in diesem Märchenwald. Eine dicke Kröte quert soeben meinen
Weg. Ich zücke den Foto und fotografiere sie. Aber küssen werde ich Dich
nicht! Dazu bist Du mir zu kalt und glitschig! Und gegen eine Wand werfe
ich Dich auch nicht, weil Du nicht aufdringlich genug bist ...
Die Bockhütte sieht inmitten der Nacht inmitten des
mystischen Waldes wie eine Räuberhöhle aus. Dazu kläfft ein grantiger
Wachhund. Ich mache mich schnell von dannen. Zu so früher Zeit wird es
dort ohnehin kein Frühstück geben!
Herrlicher Morgen
Endlich graut der Morgen. Die steilen Berge in diesem
tief eingeschnittenen Tal zeigen immer mehr ihre Umrisse. Sie erheben
sich hier immerhin um über 1500 Höhenmeter aus der Talsohle. Das
entspricht in etwa den Höhenunterschieden des Grand Canyons, wobei das
Reintal natürlich viel enger eingeschnitten, aber kaum minder dramatisch
anzusehen ist! Ich bin jedenfalls von dieser Kulisse überwältigt. Das
Reintal ist sicher eins der schönsten und imposantesten Alpentäler
überhaupt! Ja, man muss gar nicht so weit von daheim wegfahren bzw.
wegfliegen, wenn man schöne Landschaften entdecken und auch Abenteuer
erleben will. Früher bin ich in der halben Welt umhergereist, bestaunte
dabei u.a. die Naturschönheiten der kanadischen Rockies uvm. Aber das
hier, kann da durchaus mithalten, liegt aber keine 10.000 km von meiner
Haustüre entfernt!
Endlich wird es hell. Die Gebirgskulisse ist dabei fantastisch!
Allmählich blinzelt auch die Sonne zwischen
Berglücken hervor und bescheint die ihr gegenüberliegenden Berge in ein
herrliches rötliches Licht. Vor mir fließt die Partnach durch ein
imposantes Felsentor und stürzt dahinter tief über einen einen nicht
minder beeindruckenden Wasserfall hinunter. Welch eine
Morgenkulisse! Dafür haben sich all die Strapazen der zurückliegenden
Tage mehr als gelohnt!
Reintalangerhütte
Bald dahinter laufe ich an der 1366 m hoch gelegenen
Reintalangerhütte vorbei, wo viele Wanderer eine Nacht auf ihrem Weg
zur Zugspitze übernachten. Hier regt sich schon Leben. Offensichtlich
haben dort ein paar Leute von der Bergwacht durchgefeiert. Sie machen
immer noch einen beschwipsten Eindruck, als ich ein paar spaßige Worte
mit ihnen wechsle. Mir ist hier zuviel los, sicher frühstücken dort
gerade die meisten Übernachtungsgäste, außerdem zieht es mich zum
Gipfel, also laufe ich gleich weiter,
Hinter der Hütte, zeigt sich noch einmal eine ebene
Almwiese. Eine liebliche Oase in der ansonst so extrem schroffen
Gebirgswelt! Es folgt ein Latschenwald, wo offensichtlich ein paar
Bergsteiger kampiert haben, denen die Hütte zu voll war.
Immer höher
Hinter der Reintalangerhütte entdecke ich immer mehr
Wanderer auf dem Weg zur Zugspitze. Die meisten von Ihnen übernachteten
wohl die letzte Nacht in der Hütte. Ab nun bin ich nicht mehr alleine
auf der Strecke.
Dahinter geht es immer steiler bergauf, das Tal fällt
hier steil ab. Das strengt mich an. Die Strapazen der letzten Tage und
die Aufregungen heute am frühen Morgen gingen wohl doch nicht ganz
spurlos an mir vorbei! Aber die überwältigende Bergkulisse entschädigt
mich und lenkt mich davon ab.
In etwa 1700 m Höhe, lasse ich die letzten Latschen
hinter mir. Ich bin nun bereits oberhalb der Baumgrenze, was ja in den
Zentralalpen in dieser Höhe noch lange nicht der Fall wäre. Ich tauche
nun in eine von Felsen und zahllosen Steinen geprägte Felsenwüste ein.
Bald dahinter entdecke ich eine Quelle. Das Wasser
fließt aus einem Eisenrohr. Ich koste das Wasser. Es schmeckt lecker und
belebt mich. Wie so oft, stelle ich die belebende Wirkung eines solchen
Quellwassers fest. Das ist ganz was anderes als Wasser aus der
Wasserleistung und auch der meisten Mineralwassergetränken, die man im
Getränkemarkt zu kaufen bekommt. Ich fülle meine Wasservorräte auf, weil
das sicher das letzte Quellwasser vor dem Gipfel ist und man ja in
Hütten oft auch kein trinkbares Wasser aus der Leitung bekommt. Die
Vorräte sollten nun trotz des sonnigen Wetter bis zum Gipfel reichen,
zumal ich unterwegs ja noch in der Knorrhütte und in Sonnalpin einkehren
kann.
Verlaufen!
Hinter der Quelle achte ich nicht auf meinen Weg und
übersehe dabei eine Rechtskehre und laufe stattdessen den Taleinschnitt
gerade aus weiter. Dieser wird immer enger und der Weg verliert sich
immer mehr zwischen den Steinen und Felsen. Markierungen sehe ich auch
keine mehr. Das kann nicht richtig sein! Oh je, da muss ich wieder
zurück!
So habe ich nun unfreiwillig etwa 40 zusätzliche Höhenmeter
eingesammelt. Na ja, auch das werde ich überleben!
Die Bergwanderführerin
Wieder unten angekommen, treffe ich auf drei
Wanderinnen. Dabei fällt mir auf, die eine führt die anderen an. Ich
komme mit ihr ins Gespräch. Es stellt sich heraus, sie ist eine
Bergwanderführerin. Da ich nicht weiß, wie problematisch der letzte
Abschnitt des Wegs von Sonnalpin zum Zugspitzgipfel ist, frage ich sie
etwas aus, auch weil ich nicht ganz schwindelfrei bin. Dabei erzähle ich
ihr meinen Erlebnissen von heute morgen mit dem Hindernislauf im
Ferchenbachtal. Als typische Einheimische bemerkt sie dazu recht
trocken: "Also wenn dich das aufgeregt hat, dann fährst Du lieber das
allerletzte Stück mit der Gletscherbahn hoch!" So kann man auch
Mut machen! Aber die Einheimischen hier sind aus einem etwas anderen,
also härterem Holz geschnitzt als ich!
Ab nun nagen Zweifel an mir, ob ich mir den letzten Abschnitt antun
soll. Dreimal hatte ich heute morgen Glück! Wie wird das dann mit
dem schweren Rucksack auf dem Gipfelgrat sein, zumal ich auch erschöpft
bin. Wird es ein viertes Mal gut gehen? Ich vertage die Entscheidung
dazu erst einmal auf später.
Knorrhütte und eine schwere Entscheidung
Endlich entdecke ich oberhalb von uns die 2052 m hoch
gelegene Knorrhütte.
Ich deute auf die Hütte und meine drei Begleiterinnen freuen sich auch
über den Anblick.
Kurz danach sind wir oben. Es ist sonnig und angenehm warm an diesem
späten Vormittag. Da es noch nicht Mittag ist, ist die Hütte auch nicht
allzu voll. Ich finde noch einen schönen Platz und hole mir ein Radler
und einen Linseneintopf. Da das Frühstück heute morgen weitgehend
ausfiel, brunche ich nun sozusagen.
Dabei drehen sich meine Gedanken, soll ich die letzten gut 350
Höhenmeter mit der Gletscherbahn hochfahren oder doch das allerletzte
Stück hoch laufen. Vor dieser Frage stand ja
Robert Wimmer letztes Jahr auch bei seiner Rekordtour von
Wilhelmshaven bis auf die Zugspitze autark mit dem BENPACKER. Er
entschied sich dann aus Sicherheitsgründen das letzte Stück von
Sonnalpin bis zur Zugspitze hochzufahren. Ich kenne Robert und weiß auch
wie ehrgeizig er bei solchen Dingen ist. Also, wenn damals bei Robert
Vernunft und Sicherheitsdenken siegten, warum soll das bei mir anders
sein! Dabei breche ich mir doch auch keinen Zacken aus der Krone
meiner Eitelkeiten.
Ich entscheide mich daher für den gleichen Weg, auch weil ich so langsam
merke, dass heute das Wetter noch umschwingen wird! Mittlerweile ziehen
bereits die ersten Schleierwolken auf. Heute Nachmittag soll es ja
bereits regnen!
Langer Weg zum Platt
Es ist also keine Zeit zu verlieren. Ich laufe
weiter. Zufälligerweise startet auch gerade die Bergwanderführerin mit
ihren beiden Schützlingen. Ich erzähle ihr von meiner Entscheidung und
sie nickt mir dabei verständnisvoll zu.
Die Bergkulisse wird immer schöner. Besonders beeindrucken mich dabei
die Plattspitzen, wovon eine das Ende des Hochtals besonders überragt.
Daher verweile ich immer wieder für neue Fotos. So lasse ich die drei
Mädels von dannen ziehen.
Mittlerweile spüre ich die Höhenluft und fühle mich auch so etwas platt
und übernächtig. Die Anstrengungen der letzten Tage gingen wohl nun doch
nicht ganz spurlos an mir vorüber. Auch schmerzt meine Achillessehne auf
diesem von lockeren Steinen übersäten Untergrund. Deshalb lasse ich mir
Zeit, zumal ja nun mein neues Ziel Sonnalpin nicht mehr ganz so weit wie
der Gipfel entfernt liegt.
Auf einer 3-4 Quadratmeter großem Plattform entdecke ich inmitten dieser
Felsenwüste ein Stück ebene Wiese. Das lädt mich zu einer kleinen Rast
ein. Ich lege den immer schwerer werdenden Rucksack ab und lege mich
dazu. Das tut mir gut!
Dem Ziel entgegen
Etwas erholt gehe ich weiter. Rechts von mir erhebt
sich bereits die Zugspitze und vor mir entdecke ich das Schneefernerhaus,
früher ein Hotel heute nur noch eine Wetterstation. Links davon, etwas
unterhalb muss Sonnalpin sein, das aber noch hinter Felsen versteckt
liegt.
Kurz dahinter folgt der erste Schnee, der wohl in den eisigen Tagen
zuvor hier herunterfiel. Aber mittlerweile ist das meiste davon wieder
abgetaut.
Die Region vor mir flacht sich nun allmählich zu einem Hochtal ab. Ich
habe die Karst-Hochfläche und die Geröllhalden des Zugspitzplattes
erreicht. Früher war das sicher mal alles ein großer Gletscher. Heute
gibt es hier aber nur noch drei winzige Überbleibsel mit einer
Gesamtfläche von nicht einmal 60 Hektar. Der Nördliche Schneeferner ist
dabei mit einer Fläche von 28 ha (Stand 2009) der größte deutsche
Gletscher. Da stellt sich natürlich die Frage, wie lange Deutschland in
Folge der Klimaerwärmung wohl hier noch seinen letzten Gletscher haben
wird!
Auf dem Weg nach Sonnalpin am Zugspitzplatt
Endlich zeigen sich nun auch die Talstation der
Gletscherbahn und dahinter das Gletscherrestaurant Sonnalpin. Beides
liegt in 2600 Meter über NN. Bis zum Zugspitzgipfel in 2960 Meter Höhe
sind es also noch weitere gut 360 Höhenmeter. Diese will ich ja nun mit
der Gletscherbahn "erklimmen". Daher nehme ich mir erst einmal Zeit für
ein Foto und stoppe die Zeit. Seit meinem Start am Bahnhof Burghausen
sind zusammen mit allen Pausen 116 Stunden und 7 Minuten vergangen. Für
mich als extrem langsamen Läufer ist das eine sehr gute Zeit, wie ich
meine.
Bevor ich hochfahre, will ich mir als Belohnung erst einmal ein Bier im
Restaurant gönnen. Natürlich ist hier die Hölle los, einmal weil es
Sonntag ist und die Sonne scheint und natürlich auch jeder Fußkranke
dieses Restaurant mit den Zugspitzbahnen mehr oder weniger bequem
erreichen kann. Ich setze mich innen in einem Nebenraum rein, Frischluft
hatte ich ja genug, lasse mir mein Bierchen munden und poste ein paar
Messages bei facebook. Ich erhalte dabei einen ganzen Schwung von
Glückwünschen. Ein paar wollen mich, sicher gut gemeint, noch ermuntern
das letzte Stück auch noch hochzugehen, aber dieser Zug ist für mich
bereits abgefahren.
Der Gipfel
Ich fahre stattdessen ohne Ticket mit der
Gletscherbahn hoch. Das Ticket soll ich mir oben beim
Bergsteigerschalter holen, sagt mir der Gondelführer.
Von der Seilbahn aus kann ich ein paar Blicke auf den Höhengrat des Wegs
zum Gipfel werfen. Dort sind heute viele Bergsteiger unterwegs und an
manchen Stellen stehen sie förmlich Schlange. Das hole ich wirklich
lieber ein andermal bei ähnlich schönem Wetter unter der Woche nach. Das
nehme ich mir vor.
Oben auf Deutschlands leider meist verbauten Berg ist
die Hölle los. Selbst auf dem Weg zum Ostgipfel mit dem goldenen
Gipfelkreuz stehen sie Schlange! Nein, auch das ist heute nichts mehr
für mich. Auf dem Ostgipfel stand ich schon mal vor 50 Jahren im zarten
Alter von 5 Jahren. Ich hatte meine Opa solange genervt, bis er mich
mich mit hoch nahm. Ich musste eine Leiter hoch und an einer Stelle
konnte ich fast 2000 Höhenmeter ins Leere schauen. Ich fand das damals
alles toll. Höhenangst kannte ich damals noch nicht. Aber die anderen
Leute schimpften damals meinen Opa aus, wie man so ein kleines Kind auf
so einen gefährlichen Gipfel mit hochnehmen könnte. Beim Abstieg musste
er einen regelrechten Spießrutenlauf über sich ergehen lassen. Aber ich
bin meinem Opa noch heute dankbar, dass er mich zum Ostgipfel mitnahm!
Heute unternehme ich stattdessen noch einen Rundgang
auf der von Menschenmassen gesäumten Aussichtsplattform. Hier treffe ich
wie auf so vielen anderen mit Bahnen gut zugänglichen Gipfeln viele
Japaner. Auch sie lieben so wie ich die Berge!
Leider ist der Ausblick nicht mehr besonders toll. Bei klarer Luft gibt
es hier wohl einen der schönsten Ausblicke der Alpen überhaupt. Aber der
Himmel hat sich bereits eingetrübt. Das schlechte Wetter naht!
Da mich die Menschenmassen hier oben etwas anwidern,
ich sah ja auf meiner Tour oft einen halben Tag und mehr keine einzige
Menschenseele, verlasse ich bald wieder die Plattform und suche den
Bergsteigerschalter. Dieser ist in all dem Trubel fast so was wie eine
kleine Oase der Ruhe und man entdeckt dort auch Gleichgesinnte. Die Dame
am Schalter ist sehr nett und bittet mich, dass ich ihr die 30,50 Euro
für die Talfahrt nach Garmisch passend zahle. Irgendwie bekomme ich das
hin und sie schenkt mir zum Dank ein paar Gummibärchen. Ich erzähle ihr
kurz von meinen Erlebnissen und meiner verrückten Tour. Sie nimmt das
wie das Selbstverständlichste der Welt hin. Endlich zeigt mal einer
Verständnis für meinen abenteuerlichen Lauf! Sie gibt mir außerdem den
Tipp zuerst mit der Gletscherbahn und dann mit der Zahnradbahn gen Tal
zu fahren, weil heute bei der Seilbahn direkt zum Eibsee die Hölle los
ist.
Die Talfahrt
Wieder bei Sonnalpin unten, suche ich die Zahnradbahn
auf. Die ist auch schon Knalle voll. Aber irgendwie finde ich dann doch
noch einen Sitzplatz, wo ich dazu noch meinen Rucksack zwischen die
Beine quetschen kann. Die Bahn fährt dann erst mit Verspätung und viel
Gerumpel los. Ja, die Bahn ist so wie ich auch in die Tage gekommen! Wir
sind dann lange unterwegs. Mir ist es ziemlich egal. Erstmals darf ich
für längere Zeit sitzen. Welch ein Luxus!
Übernachtung in Garmisch-Partenkirchen
Endlich in Garmisch angekommen, drückt die Blase.
Mist, am Bahnhof gibt es keine Toiletten! Also muss ich erst
einmal ein passendes Plätzchen für dieses Bedürfnis suchen, was gar
nicht so einfach ist. Erst, als das erledigt ist, kann ich mich um das
Thema Übernachtung kümmern, denn mit dem Zug heimfahren, das will ich
heute nicht mehr. Ich zücke mein Smartphone und Dank google maps
entdecke ich gleich ein Hotel in der Nähe, das bezahlbar ist.
Vorsichtshalber rufe ich dort an, ob noch ein Zimmer frei ist. Ich
möchte heute keine unnötigen Umwege mehr gehen. Juhu, es ist noch ein
Zimmer frei!
Ich mache mich auf den Weg. Nach etwa einem Kilometer trete ich ein. Die
Dame an der Rezeption guckt mich etwas kritisch an. OK, mein Outfit
könnte gepflegter sein! Als ich ihr aber kurz von meiner Tour erzähle,
ist sie etwas gnädiger gestimmt. Aber vorsichtshalber lässt sie mich die
Rechnung im voraus bezahlen.
Kaum im Zimmer angekommen, stürze ich mich unter die
warme Dusche. Ach, all Ihr Warmduscher, was ist das für ein herrliches
Gefühl unter einer heißen Dusche zu stehen! Danach relaxe ich mich etwas
auf dem Bett.
Heute Abend möchte ich noch essen gehen, aber der Hosenboden meiner
einzigen langen Hose ist wegen meiner Rutschpartie von heute morgen sehr
verschmutzt. So kann ich nicht unter die Leute gehen! Aber ich habe ja
noch meine langbeinige dünne Überhose. Die sieht noch halbwegs passabel
aus. Die muss es tun!
Als ich aus dem Hotel trete, hängen bereits finstere
Wolken im Wettersteingebirge. Der Wetterumschwung ist also voll im
Gang!
In der City entdecke ich ein Restaurant mit jugoslawischen
Spezialitäten. Zum leckeren Fleischspieß gönne ich mir ein
Oktoberfestbier. Das habe ich mir heute zur Feier des Tages verdient.
Meine erste Nacht in einem Fetterbett nach mehreren
Biwaknächten fühlt sich ebenfalls super an.
Heimfahrt mit Hindernissen
Am nächsten Morgen strömt der Regen. Wie gut, das ich
gestern zur Zugspitze hoch gelaufen bin. Heute wäre das sicher eine
Tortur!
Nach einem reichlichen Frühstück gehe ich zum Bahnhof und löse dort ein
Bayernticket.
Der Zwangsaufenthalt am Münchner Bahnhof nervt mich wieder so wie
bereits bei der Hinfahrt. Es gibt zudem mit der Weiterfahrt eine längere
Verzögerung, weil aus einem Schnellzug jemand mit Sanitätereinsatz
herausgeholt werden muss. Dazu fährt der Krankenwagen zwischen den
Menschenmassen, die dabei nicht aus dem Weg gehen wollen, direkt zum
Bahnsteig, Chaos pur halt! Das ganze betrifft den Bahnsteig, von dem
mein weiterer Zug eigentlich abfahren sollte. Immerhin können sie dann
meinen Zug auf ein anderes Gleis dirigieren. Mit etwa einer halben
Stunde Verspätung fährt mein Eilzug auf der ICE-Strecke Richtung
Nürnberg endlich ab. Abenteuer Deutsche Bahn halt!
Der Rest der Zugfahrt verläuft aber dann weitgehend
ruhig. In Forchheim angekommen, laufe ich dann die restliche 2,5 km
nachhause, weil ich so gleich meinen heutigen Streakrun nachholen kann!
So endet eine tolle Laufwoche. Zugspitze, ich komme
wieder! |