Schon wenige Hundert Meter hinter dem Ziel spüren wir,
dass Wind aufgekommen ist und das, obwohl wir noch von Häusern geschützt
sind. Wie mag das erst auf freier Flur ohne Deckung sein? Viel Wald konnte
ich auf dieser Strecke nicht feststellen!
Erst einmal stehen aber noch ein paar Zuschauer an der
Strecke. Da sie so lange ausgehalten haben, mache ich zu ihrer Belustigung
ein paar Freudensprünge. Ich kann es mir leisten, da ich ja nicht im
vollen Tempo laufe.
Thomas ist gut drauf, höre ich erfreut von meinem Begleitern.
Kaum verlassen wir das Siedlungsgebiet, bläst uns schon ein
grimmiger Sturm entgegen. Ich singe: "Das kann doch einen Seemann nicht
erschüttern ..." und fühle mich leicht an
Frankfurt 2002 erinnert.
Na ja ganz so schlimm ist es heute doch nicht, aber Andreas macht mir doch
etwas Sorgen. So lassen Jürgen und ich Andreas etwas in unserem
Windschatten laufen, auch wenn es ihm vielleicht nur etwas psychologischen
Auftrieb gibt.
In Kirchham wendet sich die Strecke nach links. Es gibt
aber keine Streckenmarkierung und die Posten, die uns eigentlich den Weg
weisen sollen, sitzen im Auto und unterhalten sich vergnügt. Prompt laufen
dann auch die 3 Läufer vor uns lustig und fröhlich weiter in die falsche
Richtung.
Jürgen bemerkt als Erster das Malheur. Ich wäre ihnen wohl
blind in die Wüste hinterher getappt.
Gleich dahinter ist noch eine Kreuzung. Dort sind die Posten
pflichtfreudiger und sogar ein Polizist anwesend den wir den Irrläufern
gleich hinterher schicken, damit sie vom falschen Wege abkommen mögen ...
Nach dieser guten Tat werden wir auf einer nicht enden
wollenden Gerade durch noch heftigeren Gegenwind belohnt. Die Dankgebete
gen Himmel bleiben aus. Jetzt wird halt
gekämpft. Auch das gehört zum Genusslaufen. Zumindest, wenn es nicht mehr anders
geht.
Aber endlich folgt eine Linkswendung der Strecke. Ich
scherze mit dem Streckenposten und gebe vollen Herzens meine Freude zum
Ausdruck. Welch eine Wohltat nicht mehr gegen die
Gewalten der Natur ankämpfen zu müssen.
Die Freude währt nicht lange, da wir nach einer
Rechtwendung wieder gegen die gleichen Gewalten ankämpfen müssen. Ich gucke mir
besorgt die Gesichter meiner Begleiter an. Deren Gesichtszüge nun
jede Fröhlichkeit missen lassen. Na ja da müssen wir halt nun durch. Ich
sage immer wieder: Bald haben wir den Wind im Rücken und lieber das jetzt als
das ganze hinter Kilometer 35.
Bei Kilometer 31, etwa in Hart, ist diese harte Qüälerei zuende.
Nun bläst uns der Wind in der Tat in den Rücken oder schlimmsten Falls
mal von der Seite an.
Jetzt wo das Schlimmste vorüber zu sein scheint, macht mir
Andreas Sorgen. Er fällt immer wieder zurück. Wenn wir dann langsamer tun,
fällt es ihm trotzdem schwer Anschluss zu halten. Ich spreche ihn an und
er sagt mir, dass er schlimme Magenkrämpfe habe. Was auch immer die
Ursache war: Die Anstrengung beim Gegenwind, zu kaltes Wasser oder falsche
Nahrung, wir wissen erst einmal keinen Ausweg.
Zuerst senden wir Jürgen weg, da er noch super in Form
ist. Andreas will auch mich weg schicken, aber ich will bei ihm bleiben
und setze meinen Kopf erst einmal durch.
Da wir nun nur noch zu zweit sind, komme ich bei dieser Gelegenheit mit der
Transeuropa Footrace -
Teilnehmerin
Martina Hausmann kurz ins Gespräch, als sie uns zum wiederholten Mal
in ihrem einheitlichen Tempo überholt, das wie ein Uhrwerk läuft.
Die
Weltrekordhalterin verschiedener Ultra-Disziplinen erzählt mir kurz,
dass sie bei einer Etappe des Transeuroplaufes von einem Auto angefahren wurde. Ich
frage sie, ob sie auch Robert
kennt. Da es eine nur ein rhetorische Frage ist, fragt sie mich, ob er
heute auch dabei sei. Ich muss es verneinen.
Wenige Kilometer später versucht Andreas eine
Radikalkur gegen seine Magenprobleme und biegt mal kurz ab. Derweil
spaziere ich gemütlich weiter und werde von zwei älteren Herren überholt.
Der eine scheint ähnlich wie ich den anderen zu coachen. Na ja eilig
scheinst Du es aber nicht zu haben, werde ich angesprochen. In der Tat im
Augenblick habe ich es wirklich nicht eilig, da ich auf Andreas warte.
Endlich ist er wieder da. Geht es ihn nun wieder besser?
Es scheint nicht so, da er nach ein kurzen Zwischensprint wieder ins Gehen
verfällt. Er will nun, dass ich ihn verlasse. Ich wehre mich anfangs
dagegen. Aber schließlich lass ich mich überzeugen und sprinte los.
Da mir nun aber auch schon über 36 km in den Gliedern stecken und ich
schließlich Genussläufer bin entschließe ich mich zu einen Kompromiss beim
Tempo. Ich
laufe nun in einem Kilometertempo von etwa 5:40 Minuten.
Ich überhole wieder die beiden Läufer, die mich bei meinem
vorherigen Spaziergang überholt haben. Sie protestieren, da sich sich so
gefreut haben, dass sie mich vorhin überholen durften. Aber ich zeige
ihnen grinsend die "kalte Schulter" und laufe munter weiter ...
Die vorletzte Trinkstelle ist schon abgebaut. Kann das
sein? Ich lauf auf eine Zeit von unter 4:50 hin und schon alles dicht gemacht!
Gut, dass ich etwas Eigenverpflegung dabei habe.
Bald habe ich Jürgen eingeholt. Er spürt zwar auch schon
die Strapazen der zurückliegenden 39 km, aber eigentlich geht es ihn ich
recht gut. Irgendwo gehen wir dann sogar zusammen ein paar Meter. Als es
mir aber dabei zu kalt wird, verlasse ich ihn und "sprinte" weiter. Dabei
überhole ich noch einige Mitstreiter.
Die Zuschauer schauen etwas erstaunt auf, als sie noch so weit hinten jemanden
etwas schneller und frischer sprinten sehen. Das belustigt mich. Sie
meinen wohl, dass heute jeder voll läuft. Gerade ist eine
Weltrekordhalterin gemütlich an ihnen vorbei gejoggt. Das haben sie wohl
auch nicht gemerkt ...
Auf der Zielgerade überhole ich schließlich die mir noch nicht namentlich
bekannte Weltrekordlerin und
Transeuropa Footrace -
Teilnehmerin
Martina Hausmann, weil ich dann mit Hilfe der Ergebnisliste ihren
Namen bestimmen möchte.
Ich hebe meine Arme hoch und passiere die Ziellinie nach
fast 70 Minuten längeren Genuss als vor 2 Jahren.
Dort empfängt mich Rudolf. Da es durch den Wind frisch geworden ist, verziehen wir uns sehr
schnell ins Verpflegungszelt.
Nur wenige Minuten später erscheinen Jürgen und zu unserer
großen Überraschung Andreas, der wie Phönix aus der Asche gestiegen ist,
nachdem ich ihn verlassen hatte.
Gemeinsam lassen wir den schönen Tag im entspannenden Bad
der pudelwarmen Therme ausklingen.
Bad Füssing wir kommen wieder!
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